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Fanfiction zu Weiss Kreuz von Haruka back Disclaimer: Keiner meiner. *sich erschieß* Mehr ist dazu nicht zu sagen. Ich mach damit kein Geld, und ich weiß, dass ich den Jungs da Sachen unterstelle… Naja. ~.^ Da müssen sie halt durch... Pairings: Uhm. Yohji liebt Aya, Schu liebt Yohji - oder doch Brad?!, Aya liebt keinen… oder wie? Wait and see… viel Spass^^ Warnings: shonen ai, sad, ooc, sap / / schu telepath. // // Yohji denkt kursiv = schu sprischt deutsch^^ Widmung: Für meine Nuriko. Punkt. ayamatta na shikicho- Der falsche Farbton Es war der letzte schöne Herbsttag Ende Oktober. Yohji saß im Park am Wasser und warf missmutig Steinchen in den See. Den wundervollen Sonnenuntergang, welcher das Wasser in flüssiges Feuer verwandelte und die bereits herbstlich gefärbten Bäume rot-orange erstrahlen ließ, würdigte er keines Blickes. Er hatte gerade für diesen Farbton momentan überhaupt nichts übrig; er machte ihn im Gegenteil ziemlich niedergeschlagen. Während er die Ringe beobachtete, die sich langsam weiter und weiter ausbreiteten, schürzte er ärgerlich die Lippen. Wieder einmal kreisten seine Gedanken um denselben Punkt. Aya. Er knurrte und warf erneut ein Steinchen ins Wasser. Aya… nein. Ran. Aya war ein Mädchenname, und diesen hatte er bei seiner letzten, unschön ausgeklungenen Verabredung in einem sehr intimen Moment geseufzt, worauf das Mädchen trocken meinte: „Ich heiße Sayoko. Raus.“ Nicht, dass es ihm vor dem Mädchen besonders peinlich gewesen war. Gleichgültiger konnte ihm kaum etwas sein… Nein, seine miese Dauerstimmung hatte ihren Grund vielmehr darin, dass der Anführer von Weiss, sein – Freund? Nein, wohl eher nicht… also dass Aya jedenfalls ohne zu wissen, dass Yohji es gehört hatte, einen dermaßen abfälligen Satz über ihn geäußert hatte, dass dieser seitdem eine leicht depressive Phase durchmachte… ‚Yohji? Yohji ist zu keinem ehrlichen Gefühl fähig, Omi. Er ist zu sehr damit beschäftigt, sein Ego mit Hilfe möglichst vieler verführter Frauen aufzupolieren!’ Yohji hatte fluchtartig das Koneko verlassen. Er kannte den Zusammenhang nicht, wusste auch nicht, was Omi vorher gesagt hatte, aber diese Worte gerade da, und gerade von Aya zu hören hatte ihn tief getroffen. Yohji war danach weiterhin ausgegangen, sein Weg führte ihn allerdings nicht mehr in die Clubs und Bars Tokyos, sondern in den Park oder ins Café. Er hatte es nicht nötig sein Ego ‚aufzupolieren’! Stundenlang saß er am See und starrte auf das Wasser. Die anderen brauchten davon nichts zu wissen. Er wollte sein Image wahren oder einfach dummen Fragen aus dem Weg gehen. „Warum gehst du denn nicht mehr aus, kommst du nicht mehr an bei den Damen? Bla bla..“ Yohji schnaubte. -Das- brauchte er nun wirklich nicht. Er stellte sich die beklemmende Frage, ob er tatsächlich so war wie Aya gesagt hatte. Und wenn ja - warum war er so? Doch am meisten irritierte ihn die Tatsache, dass ihm Ayas Meinung über ihn auf einmal so wichtig war. Es konnte ihm doch egal sein, was der Anführer von Weiss von ihm hielt. Es war ihm aber nicht egal. Er hatte Ayas Namen auch nicht völlig zufällig von sich gegeben, und dadurch dieses Mädchen verärgert. Vielmehr ging ihm der coole Rotschopf seit einer Mission kurz vorher nicht mehr aus dem Sinn. Die Mission war das übliche gewesen. *Macht halt irgendeine Bestie unschädlich* Sie hatten einen Drogenboss und zwei seiner Haupthandlanger beseitigen sollen. Yohji hatte sich auf der Dachterrasse des Targets ein Handgemenge geliefert und war abgerutscht. Er war ungefähr fünf Meter tief gefallen, doch ein riesiger Rhododendron hatte zum Glück seinen Sturz abgefedert. Er war davon hinunter gerollt und mit dem Kopf im Teich gelandet, wo neugierige Kois ihn umschwammen. Dann hatte er das Bewusstsein verloren. Als er wieder zu sich gekommen war, hatte er Ayas Stimme gehört, die leise, aber mit einem besorgten Unterton seinen Namen ausrief. Er hatte nicht gleich reagiert, weil er noch zu benommen war, und Aya hatte sich wohl bemüßigt gefühlt, ihm Atem zu spenden. Die nächste seiner Empfindungen waren Ayas Lippen auf seinen, Ayas Hände auf seiner Brust, als er versuchte, ihn ‚wiederzubeleben’. Die Erinnerung an dieses Gefühl ließ ihn die Augen schließen. Es war – unglaublich gewesen. Ayas Geruch, seine vor Sorge rauhe Stimme, als er wieder Yohjis Namen rief, seine Hände… er hätte nie gedacht, dass ein Mann ihn so entflammen konnte. Und er wäre nicht Yohji gewesen, wenn er nicht gleich etwas aus dieser Situtation gemacht hätte… Wie von selbst hatte seine Zunge sich zwischen Ayas Lippen gemogelt. Seine Hand hatte Ayas Nacken umfasst und ihn näher zu sich herangezogen. Dabei blinkte in seinem Kopf bereits eine Warnleuchte: „Lass das sein, oder du bist gleich tot…“ doch er konnte nicht aufhören. Und Aya hatte den Kuss erwidert. Wenn Yohji daran zurückdachte, durchfuhr ihn immer noch eine einem Schock nicht unähnliche Empfindung. Er hatte es sich nicht eingebildet. Aya hatte, nach einer Schrecksekunde, auf sein Zungenspiel geantwortet. Seine Berührungen waren anders, nachdrücklicher geworden, und er hatte schneller geatmet. Yohji erinnerte sich an jede Einzelheit. Jeden Laut von Aya, den er wahrgenommen hatte, jede noch so kleine Bewegung. Und dann war es vorbei. Ken und Omi kamen heran und riefen nach ihnen. Aya hatte sich rasch aufgerichtet, die Wangen gerötet, und sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht gestrichen, was Yohji in diesem Moment liebend gerne für ihn übernommen hätte… “Bist du ok?“ Er hatte nur nicken können. Aya war aufgestanden und hatte ihm die Hand hingestreckt um ihm aufzuhelfen. Yohjis verunsicherten Blick erwiderte er ruhig, seine Stimme klang fest, wenn auch etwas atemlos. „Gut. Dann komm.“ Yohji war aufgestanden, nach Worten suchend, wollte sich entschuldigen und auch wieder nicht, doch Aya drehte sich bereits um und verließ den Garten, um das Auto zu holen. Ken und Omi waren besorgt gewesen und hatten ihn mit Fragen gelöchert, die er einsilbig beantwortete. Die Mission war erfolgreich gewesen, die anderen hatten nach seinem Absturz den Rest erledigt, wurde ihm mitgeteilt. Er hatte nur genickt. Während der Fahrt hatte er immer wieder Aya angesehen, doch der hatte mit unbewegtem Gesicht das Auto gesteuert und beharrlich auf die Straße geblickt … Yohji fröstelte. Die Sonne war untergegangen, es wurde kühl. Er streckte sich und sah auf die Uhr. Langsam konnte er in den Laden zurückkehren. Da er sich nie an Tageszeiten hielt, und ausging, wann immer ihm danach war, würde es niemanden wundern, wenn er schon nach Hause kam und direkt ins Bett ging. Sollten sie doch glauben, er sei betrunken… Gerade hatte er den Weg in Richtung des Koneko eingeschlagen, als eine Stimme in seinem Kopf ertönte. /Na, so deprimiert mein Schöner?/ Yohji blieb ruckartig stehen. Schwarz! Aufmerksam beobachtete er die Umgebung. Wo waren sie? „Warum so schreckhaft, Kudou? Keep cool, es liegt nichts an!“ Yohji fuhr herum. Schuldig näherte sich ihm von hinten und zog langsam die Hände aus den Jackentaschen seines weißen Anzugs. Yohji spannte sich an. Hatte er eine Waffe in der Hand? /Hältst du mich für verrückt? Ich werde dich sicher nicht bei einsetzender Dämmerung im Park umnieten!/ Ein mentales Grinsen folgte dieser Äußerung, während beide Hände zum Vorschein kamen. Sie waren leer. Yohji entspannte sich wieder etwas, blieb aber wachsam. //Nein, lieber nachts in einer dunklen Gasse, ne!// Schuldig grinste nur und zog ein Päckchen Zigaretten aus der Innentasche. Er bemerkte Yohjis argwöhnischen Blick und kommentierte diesen mit einem leisen Kichern. Eine Zigarette zwischen den Lippen, durchsuchte er seine anderen Taschen nach dem Feuerzeug. Ohne Erfolg. Er hielt Yohji das Zigarettenpäckchen entgegen. „Ich sagte doch, es liegt nichts an! Auch eine?“ Auf Yohjis Kopfschütteln steckte er sie achselzuckend wieder ein. „Hast du mal Feuer?“ Allmählich wurde Yohji wütend. „Willst du mich verarschen, Schuldig? Was soll das?“ /Aah, mein Name fällt dir also noch ein!/ Yohji knirschte mit den Zähnen. Seine Laune war sowieso nicht die beste. Am liebsten wäre er dem Schwarz-Mitglied an die Gurgel gegangen. /Das lass mal lieber sein, zuviel Aufsehen!/ grinste es in seinem Kopf. Er drehte sich um und ging kommentarlos Richtung Ausgang des Parks. „Hey, Kudou, ich brauche wirklich Feuer!“ Yohji blieb stehen und drehte sich langsam zu Schuldig um. „Dann kauf dir ein Feuerzeug, -Schwarz-.“ Sodann setzte er seinen Heimweg fort, ohne sich nochmal umzusehen. Schuldig sah ihm aus leicht verengten Augen nach. „Werde ich, -Weiss-…“ Mit düsterer Miene schlich Yohji durch den Laden, vorbei an Aya, der ohne aufzublicken abrechnete, und Omi, der ihn fröhlich begrüßte „Hi Yohji…“ Als er jedoch nur ein knappes Nicken als Antwort erhielt sah er fragend zu Aya, der jetzt im Begriff war, den Rolladen herunterzulassen. Dieser zuckte nur die Schultern und sah einen Augenblick mit gerunzelten Brauen auf Yohji’s breiten Rücken, der gerade am oberen Treppenabsatz um die Ecke verschwand. Kurz darauf hörten sie Yohji’s Zimmertür einschnappen. Ungerührt griff Aya nach einem Besen und begann, den Laden auszufegen. „Aya…“ „Schon gut Omi, ich werde hier alleine fertig.“ Omi blinzelte. Aya klang irgendwie… verärgert? Enttäuscht. Oder… ‚Wahrscheinlich ist nichts mit ihm, ich bin nur zu empfindlich.’ „Danke, Aya-kun!“ Schnell lief Omi die Treppe hoch und zu Yohji’s Tür. Er zögerte einen Moment, dann klopfte er an. „Ja?“ Omi öffnete die Tür und steckte den Kopf ins Zimmer. „Darf ich reinkommen?“ „Omi, nimms mir nicht übel, ich bin müde…“ Yohji lag, komplett angezogen, auf dem Bett, mit dem Rücken zur Tür. „Bist du betrunken?“ „Omi – bitte!“ Omi beschloss, ihn in Ruhe zu lassen und zog mit einem leisen „O.k.“ die Tür wieder zu. Er hatte sowieso noch Hausaufgaben zu machen. Bevor er sein Zimmer betrat hörte er, wie der Schlüssel in Yohji’s Tür herumgedreht wurde. Omi setzte sich an seinen Schreibtisch und sortierte unschlüssig die Stifte. Konzentration für seine Hausaufgaben aufzubringen war ihm im Moment nicht möglich. Warum waren Aya und Yohji so merkwürdig? Sonst neckte Yohji Aya gerne, nannte ihn Beauty und Koi und noch andere Kosenamen, und Aya reagierte zwar schroff, aber eigentlich nicht böse, eher genervt. Was Yohji in der Regel nicht davon abhielt, weiterzumachen. Doch seit ungefähr drei Wochen war das anders. Seitdem hatte Yohji sich zurückgezogen, machte zwar seinen Dienst im Laden, riss sich jedoch um jede Liefertour, so als ob er jede Gelegenheit ergriff, zu flüchten. Aber wovor?? Omi schmunzelte plötzlich. ‚Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, Ehekrach.’ Er schüttelte über die Absurdität seiner Idee den Kopf. War aus dem Spaß Ernst geworden? Yohji und Aya? Der Womanizer und der Eisblock. „Der Schöne und das Biest!“ Omi begann, jetzt breit grinsend, nun doch mit seinen Hausaufgaben, und beschloss, die Sache im Auge zu behalten. Zwei ereignislose Tage vergingen, Schuldig tauchte nicht wieder im Park auf und zwischen Yohji und Aya herrschte nach wie vor Funkstille. Am Abend des zweiten Tages lag Yohji auf seinem Bett und hörte Musik, und natürlich spukte ihm das rubinhaarige Objekt seiner Begierde im Kopf herum, als es klopfte. „Yohji? Manx ist da. Eine Mission.“ Ken entfernte sich um auch an Omis Tür zu klopfen, doch dieser kam bereits heraus. Lustlos erhob sich Yohji und ging hinunter. -- Masashi Sakamoto ist der Kopf eines Kinderschänder-Ringes, die Pornofilme mit entführten Minderjährigen drehen. Wenn er eliminiert wird, zerbricht die Organisation. Weiße Jäger im Dunkeln, zerstört das Morgen der schwarzen Bestie -- Der Videoscreen erlosch. Manx sah die vier der Reihe nach an. „Hier reicht ein Team von zwei. Ich schlage vor, Balinese und Abyssinian erfüllen die Mission.“ Yohji wand sich etwas. „Kann nicht Ken…“ „Yohji!“ Ein Blick in Ayas Gesicht und Yohji schwieg. Mist! Er wollte nicht mit Aya auf diese Mission. Er wollte überhaupt nicht mit Aya zusammensein. Jedenfalls nicht – so… Es stellte sich als nicht so einfach heraus, an Sakamoto heranzukommen. Er war selten allein unterwegs, und vermied es generell, viel auszugehen. Tage vergingen. Aya wurde zunehmend genervter, als sich der Termin der Mission immer weiter verschob. Yohji hielt sich nur noch im Laden auf, wenn Aya im Gewächshaus war, und umgekehrt. Er nahm auch weiterhin bereitwillig jede Lieferfahrt auf sich, nur um der miesen Stimmung zu entkommen. So auch heute wieder. Nach Dienstschluss ging er zu seiner üblichen Stelle im Park, warf Steinchen und grübelte über seine Lage nach. Aya würde –nie- etwas von ihm wollen, so eine schlechte Meinung, wie der von ihm hatte. Wahrscheinlich stand er nicht mal auf Kerle… wer wusste schon was von Aya! /Hallo Playboy!/ Yohji fuhr auf. „Du schon wieder!“ Schuldig setzte sich neben ihm ins Gras. „Du erlaubst?“ „Ist das von irgendeiner Bedeutung für dich?“ schnappte Yohji. Schuldig grinste freudlos. /Wohl kaum…/ „Pass auf deinen weißen Anzug auf, Grasflecke gehen nicht raus.“ „Perfekt!“ Irritiert sah Yohji Schuldig an. „Was?“ „Du bist der perfekte Hausmann… Aya wird das zu schätzen wissen!“ Yohjis Augen wurden schmal. “Was erzählst du da? Du hast ja keine Ahnung…“ Schuldig schüttelte den Kopf. „Ich ahne nicht, ich -weiß- was mit dir los ist, Kudou! Schon vergessen? Ich lese in dir wie in einem Buch…“ „Hör damit auf! Was spionierst du in meinen Gedanken herum? Das ist…“ „Unfair? Ja, vielleicht. Aber es ist auch amüsant…“ Yohji fühlte Ärger in sich aufsteigen. Abrupt stand er auf. „Du liegst falsch, Schuldig. Ich gehe jetzt, und lass mich in Zukunft wenigstens in meiner Freizeit in Ruhe!“ Damit entfernte er sich rasch von seinem Stammplatz. /-Du- liegst falsch, Kudou! Aya –steht- auf Kerle, und insbesondere auf dich…/ Schuldig sah zufrieden, wie Yohjis Schritt stockte. Dann lief dieser schneller als vorher weiter. Schuldig nahm einen Stein und warf ihn genau ins Zentrum von Yohji’s letzten Kreisen. „Aber das ist noch nicht alles, Kudou!“ Auch er erhob sich, klopfte seine Sachen ab und sah Yohji nach, dessen Gestalt rasch kleiner wurde. „Du kommst schon noch dahinter…“ murmelte er und machte sich auf den Heimweg. *** Als Schuldig auf dem Weg in sein Zimmer an Crawfords Büro vorbei kam, stand die Tür ganz gegen dessen sonstige Gewohnheit offen. Wartete er auf ihn? Sein Herz schlug einen Tick schneller. Er war schon fast daran vorbei als Crawfords Stimme ihn aufhielt. „Schuldig!“ Er machte kehrt und ging, die Hände in den Taschen, in das Büro seines Leaders. „Hast du Kontakt aufgenommen?“ „Mmh…“ „Und?“ Schuldig zuckte die Schultern. „Keine Ahnung!“ Crawford sah unzufrieden aus. Schuldig sollte Balinese davon überzeugen, dass eine Zusammenarbeit ab und an sinnvoll war. Er hatte vorausgesehen, dass Balinese und Abyssinian zusammenkommen würden, und hoffte, dass Balinese wiederum Abyssinian überzeugen würde… so könnte man Weiss unter Umständen auch mal davon abhalten, sich in Schwarz-Angelegenheiten zu mischen. Doch es lief anscheinend nicht so gut. Er legte die Hände vor die Augen und stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch. Er war müde… Schuldig sah ihn nachdenklich an. Crawford und er hatten eine kurze, heftige Beziehung gehabt, die Crawford beendet hatte. Er war der Meinung, es beeinträchtige die Zusammenarbeit im Team und Effizienz war ihm nun mal wichtiger. Schuldig hatte es wie alles mit einem Schulterzucken abgetan, doch er musste zugeben, dass es ihn verletzt hatte. Und es schmerzte immer noch… Crawford begann erneut zu sprechen. „Das Target von Weiss wird übermorgen am Bestimmungsort sein. Alleine. Sag das Balinese. Sie sollen um 23.54 an Ort und Stelle sein.“ Dann setzte er seine Arbeit fort, ohne Schuldig noch einmal anzusehen. „War das alles?“ „Ja.“ /War ja klar!/ Schuldigs Mundwinkel zogen sich nach unten. Er drehte sich wortlos um und verließ das Büro. Die Tür fiel eine Spur zu laut ins Schloss. Crawford sah auf. Er runzelte leicht die Stirn, dann arbeitete er weiter. Schuldig ging in sein Zimmer und legte sich ins Bett. Er war deprimiert und erschöpft. Telepathie konnte ganz schön schlauchen… und Crawford schaffte es immer noch, wenn wahrscheinlich auch ungewollt, ihn zu verletzen. Doch es gab noch einen weiteren Punkt, der ihn beunruhigte: die Anziehungskraft, die Balinese auf ihn ausübte. Er seufzte und rollte sich zusammen. Schlafen! Über Crawford und Kudou würde er sich morgen Gedanken machen… *** Omi hatte endlich den Stützpunkt von Sakamotos Organisation herausbekommen. Nun mussten sie nur noch den geeigneten Moment erwischen, wenn dieser mal alleine dort anzutreffen war. Doch sie bekamen keine Hinweise, wann das der Fall sein würde. Die Stimmung im Koneko wurde zusehends gespannter, bis Omi kaum noch sein Zimmer verließ und fast pausenlos im Internet recherchierte, Ken mehr auf dem Fussballplatz bei seiner Kindermannschaft als im Laden war und Aya nur noch mit düsterer Miene umherlief. Yohji seilte sich ab so oft es ging. An einem regnerischen Novembertag saß er in einem Café, das er in letzter Zeit häufiger aufgesucht hatte. Er war gerade bei seinem zweiten Cappucchino, als er die inzwischen vertraute Präsenz Schuldigs in seinem Kopf bemerkte. //Raus aus meinem Hirn, Bastard!// Er schaffte es, seiner mentalen Stimme ein Maximum an Genervtheit zu verleihen. Er hatte Erfolg. Die Präsenz verschwand, dafür setzte sich Schuldig ungefragt an seinen Tisch. „Warum so unfreundlich, Yohji-kun?“ Dieser starrte Schuldig unwirsch an. „Kannst du mich nicht endlich in Ruhe lassen? Wieso verfolgst du mich permanent und gehst mir auf den Geist? Willst du mich mürbe machen, damit du mich irgendwann leichter erwischst?“ „Ich mach dich also nervös? Gut!“ Schuldig lehnte sich in seinem Stuhl zurück als die Kellnerin kam und ihn nach seinen Wünschen fragte. Er lächelte sie strahlend an und bestellte einen Kaffee. Sie strahlte zurück und entschwand mit verzücktem Gesichtsausdruck. Yohji starrte. Ihn hatte das Mädchen lange nicht so bewundernd angesehen… Aber wenn man ehrlich war – Schuldig sah wirklich ausgesprochen gut aus. //Wenn ich eine Frau wäre, könnte ich glatt solche Kulleraugen wie die Kellnerin bekommen…// ärgerlich schüttelte Yohji den Kopf und griff nach seiner Tasse. /Danke für die Blumen!/ Schuldig grinste ihn an. Er grinste noch mehr als sich ein Ausdruck von Verlegenheit auf Yohjis Gesicht zeigte. „Ich sagte…“ Schuldig schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. „Genug gespielt. Ich bin hier um dir eine Information zu geben. Euer Target ist heute abend um exakt 23.54 vor seiner Halle. Allein.“ „Target? Ich weiß nicht, wovon …“ Schuldig lachte humorlos. /Ach Kudou, lass es doch einfach. Vergebene Mühe! Ich an eurer Stelle wäre heute jedenfalls um spätestens 23.54 da!/ Yohji sah ihn verächtlich an. „Ja klar. Und um exakt 23.55 sind wir tot, weil ihr uns da auflauert.“ Schuldig schnitt eine Grimasse. „Warum sollten wir? Viel zu aufwendig. Übrigens, Crawford hat mir die Information gegeben. Er hat es vorausgesehen, und ich sollte euch Bescheid geben.“ „Und was bringt euch zu dieser selbstlosen Tat?“ Yohjis Stimme triefte vor Spott. Schwarz –half- Weiss nicht. Nie! Der Kaffee kam. Schuldig bezahlte gleich bei der Kellnerin, sah ihr tief in die Augen und bescherte ihr wahrscheinlich ein paar Voraussetzungen für feuchte Träume in der Nacht, denn sie entschwebte mit einem verklärten Gesichtsausdruck. Schuldig nahm einen Schluck und nickte zufrieden. Dann seufzte er ungeduldig. „Crawford hat auch Interesse daran, dass dieser Kerl eliminiert wird, und wenn das andere für uns machen und wir trotzdem kassieren, umso besser…“ Er sah Yohji an. „Ich sehe ein, dass du mir nicht glauben willst, aber ihr könnt euch ja absichern. Kommt halt zu viert, wenn du meinst, Fujimiya und du reichen nicht!“ Yohji zuckte zusammen. Wieso wusste dieser Bastard so genau Bescheid? /Weil ich deine Gedanken kenne und unser Braddie-Baby eben ein Precog ist, Liebchen./ Yohji sah ihn irritiert an. Was hieß das letze Wort? Er konnte keine deutschen Vokabeln. Sicher irgendein Schimpfwort… Schuldig hatte seinen Kaffee ausgetrunken und stand auf. „Also, du weißt Bescheid. Sieh zu, dass ihr Erfolg habt, -Weiss-.“ „Ruhe! Musst du das hier rumposaunen?“ Es folgte ein mentales Grinsen und Schuldig schlenderte zur Tür. /Sie haben es alle vergessen, falls sie es gehört haben. See ya./ Schuldig stand schon in der Tür, als Yohji ihn noch einmal in seinem Kopf hörte. /Kauf dir mal ein Wörterbuch, Liebchen…/ Dann war er weg. *** Sakamoto parkte seinen Ferrari vor einer unscheinbaren Lagerhalle in einem Gewerbegebiet. Hier war die Zentrale seiner Organisation, die im großen Stil Pornofilme, vor allem mit Minderjährigen, die dies allerdings nicht freiwillig taten, herstellte. Es war kurz vor Mitternacht, und er wollte noch e-mails abrufen und den Fortschritt der letzten ‚Produktion’ checken. Er schloss den Wagen ab und war im Begriff, das Tor der Halle aufzuschließen, als er hörte, wie er leise mit seinem Namen angesprochen wurde. Erschrocken fuhr er herum. Der Chef des Kinderporno-Rings starrte geschockt auf Aya, der wie ein Racheengel mit gezogenem Katana vor ihm stand. „Was wollen Sie … was soll das? Wollen Sie Geld? Ich gebe Ihnen soviel sie wollen…“ er griff in seine Jackentasche, zog aber statt der Brieftasche eine Pistole hervor. Bevor er sie jedoch auf Aya richten konnte riss er die freie Hand zu seinem Hals hoch, um welchen sich gerade Yohjis Draht unbarmherzig zusammenzog. Die Pistole fiel klappernd zu Boden. Der Gangster riss die Augen weit auf. Das letzte, was er in seinem Leben sah war Aya, der mit unbewegter Miene beobachtete, wie Sakamoto sein Leben aushauchte. Yohji sah ebenfalls Aya an. //So eiskalt…// Nicht, dass er den Kerl bemitleiden würde. Dieses Schwein hatte den Tod mehr als verdient. Doch ihn erschreckte Ayas Gesicht. So ohne jede Regung… //Ist er überhaupt noch fähig, etwas zu fühlen?// Der Verbrecher erschlaffte. Yohji wartete noch ein paar Sekunden, dann ließ er den toten Körper auf den Asphalt fallen. Eine Bewegung in den Schatten hinter Aya ließ ihn die Augen zusammenkneifen. Schuldig stand hinter einem Container und sah zu ihm hinüber. /Sieh zu dass ihr verschwindet, bevor die Polizei kommt, oder habt ihr Lust denen das zu erklären?/ Yohji warf noch einen Blick auf die Leiche des Kinderhändlers. Mission erfüllt. Also weg hier. „Abyssinian!“ rief er halblaut, doch dieser saß bereits im Wagen und startete den Motor. Eilig lief Yohji hinüber und warf sich auf den Beifahrersitz, während der Wagen bereits losrollte. „Was war das eben mit Schwarz?“ Aya kam ohne Umschweife zur Sache. Yohji sah unbehaglich vor sich hin. Hätte Schuldig nicht wegbleiben können? „Hatten wohl den gleichen Auftrag…“ Er warf einen Seitenblick auf Aya, doch dieser sah auf die Straße und schwieg. Bevor Schuldig schattengleich in einer Häusernische verschwand, schickte er noch einen Gedanken an Yohji. /Wir sehen uns, mein Schöner!/ Yohji seufzte innerlich. Genau das befürchtete er auch… *** Schuldig überlegte, irgendwo etwas zu trinken, beschloss dann aber, doch nach Hause zu gehen. Er gestand sich nicht wirklich ein, dass er keine Lust hatte noch wegzugehen, weil wohl nicht die Aussicht bestand, Kudou zu treffen. Doch irgendwo in seinem Hinterkopf rumorte es. Yohji begann mehr und mehr in seinen Gedanken herumzugeistern. Schuldig schüttelte den Kopf. Damit würde er auch fertig werden. So wie mit allem, was ihn bisher emotional getroffen hatte. Er war inzwischen ein Meister darin, Enttäuschungen wegzustecken. /Wegstecken?/ spottete seine innere Stimme. /Wenn Brad dich böse anschaut, krümmst du dich innerlich wie ein getretener Wurm…/ Ärgerlich über seine deprimierte Stimmung machte er sich auf den Heimweg. Er wollte nur noch ins Bett und schlafen. –Wenn- er mal schlafen konnte waren wenigstens die Grübeleien und auch die ständig auf ihn einströmenden Gedankenfetzen anderer ausgeschaltet. Niemand machte sich einen Begriff davon wie viel Kraft es ihn kostete, diese dauernden fremden Einflüsse auszublenden. Er dachte an die kurze Zeit, die er mit Brad zusammen gewesen war. Wenn er bei ihm gewesen war, war er so auf ihn fixiert, dass es einfach gewesen war, andere zu blocken. Auch heute noch war das so. Doch jetzt… war es nur noch ein rein ‚berufliches’ Zusammensein. Schuldig seufzte. Vorbei. Egal. Er legte sich auf sein Bett und starrte an die Decke. Mit Balinese war es ganz ähnlich. Er fesselte seine Aufmerksamkeit auf die gleich Art wie Brad damals. /Du verliebst dich…/ die leise Stimme wollte nicht aufhören ihn zu nerven. Als er dann doch noch einschlief, träumte er auch prompt von dem blonden Playboy. *** Zuhause angekommen verschwand Aya ohne weitere Worte in seinem Zimmer. Yohji setzte sich mit einem Bourbon vor den Fernseher und dachte nach. Schuldigs Verhalten war ihm unheimlich. Was bezweckte der Telepath mit seinen ständigen Annäherungen? Yohji wusste, dass vor Schuldig praktisch keiner seiner Gedanken verborgen blieb. Bisher war das von geringer Bedeutung gewesen, denn Schuldig konnte die Gedanken –aller- Leute lesen. Aber nun, da sich sein Interesse so auf Yohji focussierte, war die Lage etwas anders… Yohji seufzte. Was seinen Anführer betraf… Aya benahm sich ihm gegenüber wie ein Eisklotz. Plötzlich stieg Ärger in Yohji auf. „Was habe ich ihm denn schon getan? Dieser kleine dumme Kuss damals? Er hat ihn doch erwidert! Also was …“ Ihm wurde schmerzhaft bewusst, dass dieser Kuss alles andere gewesen war als klein und dumm. Dass er vielmehr der Grund war, warum Yohjis Gedanken unablässig um Aya kreisten. Er hatte in ihm etwas wachgemacht, was vielleicht schon länger darauf gewartet hatte, ans Licht zu kommen… All die vielen Liebschaften mit zahllosen Frauen… waren sie eine Suche gewesen? Eine Suche auf dem falschen Weg? Yohji schüttelte den Kopf. Er war doch nicht schwul!? Aber Aya besaß eine magische Anziehungskraft auf ihn. Eine kleine, hämische Stimme in ihm meinte, dass auch Schuldig eine gewisse Faszination ausübte… Unwirsch schob er den Gedanken beseite und hoffte, dass dieser nicht schon wieder in seinen Gedanken herumspionierte. Er leerte sein Glas und trug es in die Küche. Einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, es ungespült stehen zu lassen. Vielleicht würde Aya dann mit ihm sprechen, und wenn es nur ein Anranzer war… Über sich selbst den Kopf schüttelnd säuberte er das Glas und stellte es in den Schrank. –Das- hatte er ja nun wohl kaum nötig, um Aufmerksamkeit zu betteln… Die nächsten Tage verliefen in dumpfem Einerlei. Mitte November hatte Ken sich eine Grippe eingefangen und musste das Bett hüten, so dass Yohji öfter in den ‚Genuss’ kam, mit Aya im Laden zu arbeiten. Er versuchte so oft es ging rauszukommen, doch die Bestellungen für die Adventszeit liefen auf Hochtouren und sie waren fast pausenlos damit beschäftigt, Gestecke und Kränze herzustellen, manchmal bis in den Abend hinein. So auch heute. Sie standen wieder einmal zu dritt am Bindetisch und arbeiteten in drückendem Schweigen, als Omi plötzlich seinen Adventskranz auf den Tisch fallen ließ und von einem zum anderen sah. „Könnt ihr euch nicht endlich wieder vertragen? Ich kann so nicht arbeiten!“ Aya sah starr auf sein Gesteck und arbeitete schweigend weiter. Yohji steckte noch eine Kerze fest und ließ dann die Hände sinken. Er sah zu Aya hinüber. „An mir soll es nicht liegen. Ich bin mir keiner Schuld bewusst“ sagte er mehr zu Aya als zu Omi. Er sah zufrieden, wie Aya mit der Arbeit innehielt und die Lippen zusammenpresste. Es gab also noch eine menschliche Regung in ihm! Omi verließ den Laden Richtung Küche. „Ich mache mal Ken einen Tee!“ Sollten sie es endlich klären… ihm wäre es mehr als nur recht! Aya hatte die Arbeit wieder aufgenommen. Yohji wartete, doch Aya schwieg beharrlich. „Willst du mir nicht endlich sagen, was du auf einmal gegen mich hast?“ Yohji beschloss, es im Guten zu versuchen, obgleich er einen heftigen Ärger über seinen sturen Teamkameraden aufsteigen spürte. Wieder ließ dieser die Arbeit an seinem Gesteck ruhen. Einen langen Moment schwieg Aya. Yohji setzte schon zu einer weiteren Frage an, als er doch noch eine Antwort bekam. „Findest du nicht, dass du dich ein wenig wichtig nimmst? Was sollte ich gegen dich haben? Ich habe gar nichts gegen dich, Kudou. Ich habe nur keine Lust mich mit dir zu unterhalten!“ kam es kühl zurück. Dann arbeitete Aya ohne merkliche Regung weiter an seinem Gesteck. Yohji schluckte einmal und stellte seinen fertigen Kranz in das Schauregal. Er wusch sich langsam und gründlich die Hände, und trocknete sie gewissenhaft ab. Dann nahm er die Schürze ab und hängte sie sorgsam an ihren Haken. In ihm tobte ein Chaos aus Schmerz, Demütigung und Zorn, das er mit diesen übertrieben sorgfältig ausgeführten Tätigkeiten zu dämmen versuchte. So war das also. Er hatte plötzlich ein Bild vor sich, wie er als kleiner hechelnder Hund um Ayas Knie scharwenzelte. –So- sah Aya ihn also. Als nervtötendes Ärgernis, das sich zu wichtig nahm… Wortlos nahm er seine Jacke und ging Richtung Ausgang. Falls er darauf gewartet hatte, dass Aya ihn aufhielt, hatte er sich getäuscht. Yohji stapfte wütend durch die dunklen Straßen. Es hatte heftig zu regnen begonnen, passend zu seiner Stimmung. Sein Weg führte ihn zu seinem Stammcafé. Er brauchte jetzt eine Auszeit vom Koneko. „Am liebsten für immer“ grollte er vor sich hin. Völlig durchgeweicht erreichte er das Café und trank einen Cappuccino, froh, ein wenig erwärmt zu werden. Er fror äußerlich von der Nässe, aber innerlich noch mehr. Ayas Art konnte einem die Seele zu Eis erstarren lassen. Frustriert, dass er unablässig an ihn denken musste, bestellte er eine sich zweite Tasse. Am gegenüberliegenden Tisch saß ein Liebespaar. Der Mann saß mit dem Gesicht zu ihm und lächelte sein Gegenüber zärtlich an. Die Frau, schlank und groß mit langem Haar, das sie zu einem Zopf gebunden trug, beugte sich über den Tisch und küsste ihren Partner intensiv. In Yohjis Bauch zog es schmerzhaft. /Warum sind anscheinend alle anderen glücklich und zufrieden?/ haderte er mit sich. Die Kellnerin brachte das Getränk und Yohji zahlte gleich. Er hatte keine Lust, noch allzu lange hierzubleiben. Auch das Paar gegenüber zahlte. Yohji setzte gerade zum Trinken an, als die beiden aufstanden, um das Café zu verlassen. Yohji verschluckte sich. Hustend sah er den beiden Männern nach, die engumschlungen zur Tür hinausgingen. Er stellte die Tasse ab und stützte den Kopf in die Hand. Mit der anderen fummelte er eine Zigarette aus der Schachtel. Die letzte. Na wunderbar! Rauchend und grübelnd starrte er lange aus dem Fenster und fand die ganze Welt einfach nur ungerecht. Er beschloss auszutrinken und zu gehen, aber der Cappucchino war mittlerweile kalt. Lustlos rührte Yohji in der Tasse herum. Die Zigaretten waren ihm ausgegangen, und er hatte nicht genug Geld dabei um neue zu ziehen. Wollte es nicht endlich aufhören zu regnen? Missmutig starrte er unter der Markise hervor auf den nassen Asphalt. Es war eigentlich zu früh um zurückzugehen. Omi sah ihn schon seit Tagen neugierig an und tauschte vielsagende Blicke mit Ken. Yohji wusste schon nicht mehr, was er schlimmer fand, in eisigem Schweigen neben Aya zu arbeiten, oder Omis halb neugierige, halb mitleidige Blicke zu ertragen. Manchmal war er nahe daran, einen Blumentopf gegen die Wand zu werfen und seinen Frust herauszuschreien, doch er schaffte es jedesmal, die Beherrschung zu wahren. Er wollte sich keine Blöße geben, vor allem nicht wenn Aya in der Nähe war. Immer wieder –er- … //Ran, Aya, verdammt Fujimiya, ich krieg dich nicht aus dem Kopf!// /Hallo Kudou, na, wie immer mit den Gedanken bei unserem Rotschopf?/ Yohji verdrehte genervt die Augen. Aus den Augenwinkeln sah er Schuldig näherkommen, dessen Stimme mit dem typischen leicht spöttisch klingenden Unterton in seinem Kopf erklang. //Raus aus meinem Kopf, Schwarz!// grollte er mental, doch Schuldig setzte sich ungerührt neben ihn und hielt ihm ein Päckchen Zigaretten unter die Nase. „Na, diesmal?“ Yohji kämpfte einen Augenblick mit sich, dann griff er seufzend zu. „Domo.“ Schuldig warf das Päckchen auf den Tisch, suchte nach Feuer und enthielt sich bemerkenswerterweise einer Äußerung. Schließlich zog Yohji seine Streichhölzer hervor. „Na, immer noch kein Feuerzeug gekauft?“ Schuldig grinste nur. Sie rauchten eine Weile schweigend. Schließlich ‚hörte’ Yohji Schuldig in seinem Kopf. /Warum ich dir immer wieder über den Weg laufe willst du also wissen…/ Yohji sah ihn verärgert an. „Ich sagte doch…“ „Ja, ja, raus aus meinem Kopf, Schuldig, ich weiß, ich weiß!“ Schuldig drückte ungeduldig seine Zigarette aus. /Ich werde es dir sagen: Du gefällst mir. Ich… ja, man könnte sagen, ich bin sogar ziemlich scharf auf dich!/ Yohji fiel fast die Zigarette aus der Hand. „Das ist nicht witzig, Schuldig!“ Er stand auf. /Warum läufst du denn immer vor mir weg? Angst?/ Yohji schnaubte. „Angst! Ich finde deine Witze geschmacklos und du nervst mich!“ Er war im Begriff zu gehen, doch plötzlich hielt er abrupt an. Eine Welle von heftigem Verlangen durchdrang ihn, so dass er leise aufkeuchte. Schnell setzte er sich wieder hin. /Das ist kein Witz, mein Schönster/ schnurrte es in Yohjis Kopf und der sah Schuldig wütend ins Gesicht. //Hör sofort damit auf!// /Ich habe schon damit aufgehört, sonst würdest du dich jetzt stöhnend auf dem Boden wälzen!/ Schuldig grinste boshaft. Yohji sah ihn drohend an, blieb aber lieber sitzen, falls Schuldig noch so eine Attacke plante. /Keine Sorge, das war nur eine einmalige kostenlose Probe…/ Schuldig grinste frech. /Wenn du mehr willst … werde ich es wissen!/ //Darauf kannst du lange warten, Schuldig.// /Wie du meinst, Liebchen./ Da war wieder diese deutsche Vokabel. Yohji sah Schuldig genervt an. „Liebschen? Was soll das heißen, Liebschen?“ Schuldig erhob sich. /Ich hab doch gesagt, kauf dir ein Wörterbuch…/ leise kichernd ließ er Yohji einfach sitzen und schlenderte aus dem Café. //Hey, du hast deine Zigaretten vergessen…// /Behalt sie… als Liebesgabe!/ Noch ein mentales Kichern, und Schuldig war gegangen. Yohji wartete einen Moment bis er hoffte, dass Schuldig tatsächlich fort war, und verließ das Café und seinen kalten Cappucchino. Auf dem Heimweg kam er an einem Konbini vorbei und betrat diesen, einem Impuls folgend. Die freundliche Bedienung fragte nach seinen Wünschen. „Ähm, haben sie ein deutsch-japanisches Wörterbuch?“ Sie nickte und reichte ihm zwei verschiedene Ausführungen. Er blätterte in beiden herum und fand schnell die Worte ‚Liebchen’ und ‚Schöner’ bzw. ‚Schönster’. Die Übersetzung trug nicht gerade zu seinem Wohlbefinden bei. Er wollte sich gerade für die kleinere und preiswertere Ausgabe entscheiden, als er ein leises Lachen hörte und herumfuhr. Schuldig, der natürlich in der Nähe geblieben war, trat vom Zeitschriftenregal an den Verkaufstresen. „Und ich hätte gerne eine Packung Zigaretten!“ Er nannte die Marke und grinste Yohji breit an. „Jaja, Bildung kann nie schaden, nicht wahr?“ Yohji warf das Wörterbuch auf den Tresen und ging zum Ausgang. /Hey, Liebchen… willst du es nicht kaufen?/ //Hab nicht genug Geld dabei// grollte es mental, bevor sich die Tür hinter Yohji schloss. Schuldig grinste. „Ich nehme das Buch auch noch!“ Er bezahlte und verließ ebenfalls den Laden. *** Als Yohji nach Hause kam war alles ruhig. Ach, richtig, Ken hatte ja Omi heute morgen zu einem Kinobesuch eingeladen, Aya war auf seinem Zimmer, Yohji hatte das Licht oben brennen sehen. Sicher las er eines seiner kostbaren Bücher. Yohji schnitt eine Grimasse und ging in die Küche um sich ein Sandwich zu machen. Sah nach einem Fernseh-Abend aus… Das Sandwich in der einen Hand, ein Glas Milch in der anderen, ging er ins Wohnzimmer an den Videoschrank. Er ließ seinen Blick über die Videokassetten schweifen. Nichts was ihn reizen konnte… Er setzte sich aufs Sofa und schaltete den Fernseher ein. Lustlos zappte er sich durch die Programme, während er sein Sandwich kaute. Als er aufgegessen hatte und auch das Glas leer war, stellte er das Geschirr in die Spüle und ging die Treppe hoch, um ein Bad zu nehmen. Während er das Badewasser einlaufen ließ holte er den Discman aus seinem Zimmer. Er legte ihn auf dem Hocker neben der Wanne ab und zog sich aus. Dann ließ er sich mit einem wohligen Seufzer in das heiße Wasser gleiten und setzte die Kopfhörer auf. Mit geschlossenen Augen genoss er das warme Bad und die ruhige Jazzmusik, die er ausgewählt hatte. Doch die Ruhe war nur von kurzer Dauer. Ungewollt und dennoch mit großer Intensität fiel ihm das Gefühl wieder ein, dass Schuldig ihm heute in dem Café übermittelt hatte. Sein Körper reagierte augenblicklich darauf, was ihn ziemlich irritierte. Dann kam ihm wiederum Aya in den Sinn, und die Reaktion wurde noch wesentlich stärker. Noch am überlegen, was er davon halten sollte, spürte er einen kühlen Luftzug. Als er die Augen öffnete sah er Aya, der wie vom Donner gerührt in der Tür stand und dessen Wangen im Begriff waren, eine tiefrote Farbe anzunehmen. Yohji sah an sich herab und errötete ebenfalls heftig. Er musste Aya einen Anblick bieten… dummerweise steigerte die Tatsache, dass Aya ihn –so- sah seine Erregung noch einmal beträchtlich. Er schaltete den Discman aus und sah Aya an, dann zu Boden. „Aya, ich…“ Dieser starrte angestrengt die gegenüberliegende Wand an. „Das nächste mal wasch gefälligst dein dreckiges Geschirr ab, Kudou!“ brachte er mühsam hervor. Yohjis Blick ruckte zu ihm. //WAS redet der da?// Er musste fast grinsen. Dessen hätte es diesmal nicht bedurft, Ayas Aufmerksamkeit zu erregen. Er unterdrückte das Grinsen und blieb so cool wie möglich. „Ich bin gleich fertig, dann kannst du…“ setzte er an. „Davon bin ich überzeugt!“ fauchte Aya und drehte sich auf dem Absatz um, die Tür heftig hinter sich ins Schloss ziehend. Frustriert starrte Yohji die geschlossene Tür an. Wunderbar! Er schaffte es mit schlafwandlerischer Sicherheit, sich immer wieder vor Aya zum Affen zu machen. Resigniert schloss er wieder die Augen. Geschirr!! Pffft. Ayas Blick hatte Bände gesprochen! Warum hatte er auch nicht abgeschlossen? Sicher hatte Aya nicht geahnt, dass er hier in der Wanne lag. Aber dennoch… warum nur behandelte dieser ihn in letzter Zeit immer so abfällig? Plötzlich packte ihn die Wut. Er riss sich den Kopfhörer von den Ohren und verließ die Wanne, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass er das Badezimmer halb überschwemmte. Er schwang sich ein Handtuch um die Hüften und stürmte hinaus. Eine nasse Fußspur hinterlassend lief er in Richtung Ayas Zimmer. Ohne anzuklopfen trat er ein und blieb ruckartig stehen. Was er hatte sagen wollen blieb ihm im Halse stecken. Aya lag ohne einen Fetzen am Leib auf seinem Bett und streichelte sich selbst! Es dauerte nur eine Sekunde, bis dieser Yohji wahrnahm. Dann riss er die Bettdecke über sich. „Raus hier!“ Yohjis Augen wurden schmal. //Oh nein, mein Lieber… du hättest ja abschließen können!// Er drückte die Tür zu und drehte den Schlüssel herum. Langsam, Schritt für Schritt näherte er sich dem Bett. Ayas Augen weiteten sich. Seine Hand tastete nach dem Katana, das an seinen Nachttisch gelehnt war, dann ließ er sie in einer resignierenden Geste auf das Laken sinken und schloss die Augen. Yohji krabbelte katzengleich unter die Decke. Er legte sich dicht neben ihn und sah ihn an, den Kopf auf eine Hand gestützt. Aya behielt die Augen geschlossen und rührte sich nicht, nur sein heftiges Atmen verriet, dass er nicht so ruhig war, wie es aussah. Sein rubinrotes Haar war wirr auf dem Kopfkissen verwuschelt und seine sonst so blasse Haut leicht gerötet. Für Yohji sah er aus wie die Versuchung selbst. Er legte sacht seine Hand auf Ayas Wange und drehte dessen Gesicht zu sich. „Aya...“ Er bekam keine Antwort, Ayas Augen blieben geschlossen. Langsam beugte Yohji sich zu ihm und legte behutsam seine Lippen auf Ayas. Nichts. Aber er wurde auch nicht zurückgestoßen. Gut. Er löste sich von Aya und hauchte: „Ran!“ Diesmal bekam er eine Reaktion. Aya riss die Amethyst-Augen auf und starrte ihn an. Yohji konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Wenn Aya mich nicht akzeptieren kann, vielleicht kann es ja Ran…“ flüsterte er und legte erneut seine Lippen auf Ayas. Vorsichtig ließ er seine Zunge über Ayas Unterlippe streicheln. Er wurde von einer enthusiastischen Antwort überrascht. Aya riss ihn förmlich an sich und vergrub seine Hände in Yohjis Haaren, während seine Zunge wild Einlass forderte. Mit einem glücklichen Seufzen erwiderte Yohji den Kuss leidenschaftlich. Erst akuter Sauerstoffmangel brachte sie dazu, voneinander abzulassen. Keuchend sahen sie sich in die Augen. Yohji konnte nicht glauben, was er in Ayas Gesicht las. Pures Verlangen – nach ihm? Als er Ayas Hände auf seiner Haut spürte, wusste er, dass er gemeint war… und ließ sich mitziehen in einen Strudel aus Leidenschaft und Ekstase. „Ran... ich… warte schon so lange darauf…“ „Shshh…“ -- Yohji erwachte mit einem glücklichen Lächeln und öffnete die Augen einen Spalt. Dann machte er sie ganz auf. Er war ja in Ayas Zimmer, in Ayas Bett! Allerdings war er allein. Er sah auf den Wecker, der auf dem Nachttisch stand. Es war doch noch so früh? Noch nicht mal Zeit, den Laden zu öffnen… Sicher schliefen Ken und Omi noch. Ihm fiel ein, dass seine Zimmertür offen stand und er das Badewasser nicht abgelassen hatte. Im Bad musste noch Chaos herrschen, und die nassen Fußspuren auf dem Flur… Omi würde sicher zwei und zwei zusammengezählt haben. Doch das war ihm egal. Er schloss die Augen und lächelte. Ran… Es war unglaublich gewesen. Ran war unglaublich gewesen. Leidenschaftlich, ruppig, zärtlich, fordernd, nachgiebig, besitzergreifend, willig, ungeduldig, liebevoll… ihm gingen die Worte aus, als er sich die vergangene Nacht in Erinnerung rief. Er erhob sich mit leisem Bedauern. Warum war denn Ran schon aufgestanden? Er schloss sorgfältig die Tür und tappte ins Bad. Alles war makellos aufgeräumt. Er lächelte. Ran.. Nein, das war Aya! Er duschte rasch und ging in sein Zimmer um sich anzuziehen. Er wollte so bald wie möglich seinen Geliebten in die Arme schließen. Geliebter… das Wort ließ auf dem Weg hinunter erneut ein Lächeln über sein Gesicht huschen. In der Küche war Licht. Mit pochendem Herzen lief Yohji darauf zu. Aya stand mit dem Rücken zu ihm am Herd und war gerade damit fertig Kaffee zu kochen. Als er sich umdrehte, um die volle Kanne auf dem Tisch abzustellen gewahrte er Yohji, der mit strahlenden Augen in der Tür stand. „Guten Morgen.“ Yohji stutzte. Diese kühle, beherrschte Stimme… derselbe Aya wie immer. Wo war Ran, der Ran von gestern nacht? Er ging zu ihm und stellte sich hinter ihn. Aya rührte sich nicht, und Yohji war etwas irritiert, legte aber dennoch die Arme um ihn. „Guten Morgen, Koi“ flüsterte er ihm ins Ohr. Aya versteifte sich. „Lass das.“ Yohji ließ langsam die Arme sinken. „Was hast du?“ „Nichts.“ „Na, dann ist es ja gut.“ Wieder wollte er ihn umarmen, doch Aya wich ihm aus. „Ich sagte lass das.“ „Aber Ran…“ Zwei Amethyste schossen Blitze. „Der Name ist Aya!“ zischte er ihn an. Yohji begriff. „Ran,.. Aya, ich verstehe wenn du jetzt etwas verlegen bist, ich bin auch noch ganz verwirrt…“ „Ich bin weder verlegen noch verwirrt, Yohji. Es gibt weder einen Grund für das eine, noch für das andere.“ Aya sah ihn distanziert an. „Und was ist mit gestern?“ Yohji begann sich zu ärgern. Was sollte das jetzt wieder? „Gestern? Nichts ist damit. Du hattest was du wolltest, sei doch zufrieden. Eine weitere Trophäe in deiner Sammlung. Und jetzt lass mich bitte in Ruhe frühstücken.“ Aya goss sich Kaffee ein und griff nach der Zeitung. Ohne Yohji weiter zu beachten begann er zu lesen. Ein weiteres Mal von Aya zurückgewiesen zu werden war nach dem gestrigen Erlebnis mehr, als Yohji ertragen konnte. Er riss Aya die Tasse aus der Hand und schleuderte sie quer durch die Küche, wo sie an einem Schrank zerbarst und ihre ganze Füllung Kaffee durch die Küche verteilte. „So ist das also, Ran Fujimiya. Ich bin nur ein Trophäensammler, ja? Und was bist dann du? Ein verdammter Pokal?“ keuchte er wutentbrannt. Aya starrte ihn durchdringend an. „An deiner Stelle würde ich die Sauerei ganz schnell beseitigen, Kudou.“ „Sonst? Durchbohrst du mich mit deinem Katana? Ganz toll, Fujimiya. Du bist echt eine Respektsperson!“ Er drehte sich um und stürmte aus der Küche. „Fuck you, -Ran-!!“ Aya sah ihm mit einem undefinierbaren Blick nach und begann, das Chaos zu beseitigen. Yohji war sauer. Hasste ihn vielleicht sogar. Es war besser so. War es doch… *** Yohji hatte den ganzen Tag im Bett gelegen und meistens geschlafen. Das war kaum verwunderlich, da sie in der Nacht besseres zu tun gehabt hatten, als zu schlafen… auch wenn er jetzt lieber nicht mehr daran denken wollte. Er wachte erst am frühen Abend auf und beschloss, mal wieder in eine Bar zu gehen und einige – oder eher viele - Gläser harten Alkohols zu konsumieren. Er wusste dass Aya das hasste, doch er nahm sich trotzdem – oder gerade deswegen – vor, sich vollaufen zu lassen. Er war bereits bei seinem dritten Glas Bourbon als ein schwarzhaariges, recht hübsches Mädchen sich an den Tresen setzte und eine Cola bestellte. Als ihr Blick auf Yohji fiel, lächelte sie ihn schüchtern an. Yohji lächelte automatisch mit seinem besten Verführer-Blick zurück. Dies wäre eine leichte Eroberung, erkannte er, doch er war unschlüssig. Das gestern mit Aya erlebte hallte noch in ihm nach, ebenso wie der Frust vom Morgen. Während er noch überlegte, ob er mit dem Mädchen weiterflirten sollte, zahlte sie plötzlich eilig und verließ die Bar. Verdattert sah er ihr nach. Was war denn mit der los? /Ihr ist eingefallen, dass sie noch was Wichtiges zu erledigen hat!/ //Schuldig! Verdammt, lass mich doch endlich in Ruhe!// /Du wolltest sie nicht. Nicht wirklich./ Schuldig setzte sich auf den Platz, den das Mädchen freigemacht hatte und bestellte Whisky on ice. Yohji antwortete nicht. „Sei mal nicht so griesgrämig. Ich hab dir auch was mitgebracht, Schatz.“ Er grinste und legte das kleine Wörterbuch auf den Tisch. Yohji starrte es an und musste wider Willen ebenfalls grinsen. Trotzdem grollte er Schuldig noch etwas wegen des Mädchens. Oder eher wegen der Einmischung. //Darf ich vielleicht noch selber entscheiden was ich will und was nicht?// Yohji wusste, dass diese Frage überflüssig war. Außerdem hatte Schuldig recht. Er hatte sie gar nicht gewollt. Wieder dachte er an die vergangene Nacht. /Hat er dich also an sich drangelassen./ Nichts in Schuldigs Miene verriet, was er davon hielt. Yohjis Gesicht verschloss sich und er schwieg stur. Schuldig nippte an seinem Whisky und sah Yohji über den Rand des Glases an. „Du siehst aber nicht gerade glücklich aus.“ //Du weißt doch sowieso immer alles also hör auf herumzuspielen.// Yohji war der intensiven Präsenz in seinem Kopf jetzt wirklich überdrüssig. Schuldig zog sich zurück. „Ok. Ich lasse es.“ Überrascht hob Yohji den Kopf. Schuldig nahm Rücksicht? Doch sofort relativierte dieser seine Äußerung. /Ich lasse es, deine Gedanken zu lesen, meinte ich./ Yohji seufzte und leerte sein Glas. Das war Schuldig! /Übrigens, ich wünschte wirklich, ich wäre an Fujimiyas Stelle gewesen …/ Yohji verstand sofort, was sein Gegenüber sagen wollte und stellte sein Glas ruckartig ab. Seine Wangen hatten sich tiefrot gefärbt. „Du… Sag nicht, du hast… warst… bei - mir!“ /Das nicht!/ Schuldig grinste wie die Katze, die den Kanarienvogel gefressen hat. „Aber…“ /Ich war bei -ihm-/ jetzt grinste Schuldig über das ganze Gesicht, und es war nicht wirklich nett, dieses Grinsen, fand Yohji. Er winkte dem Ober. „Noch einen Bourbon bitte!“ Den brauchte er jetzt. „Mir noch einen Whisky“ /Die Runde geht auf mich, denke ich…/ „Nein. Danke, ich kann meinen Drink selber zahlen.“ „Ach nun sei nicht so. Du kannst ruhig wenigstens –ein- Angebot von mir annehmen!“ „Nein –danke-!“ Ein gewisser Trotz regte sich in Yohji. Er hatte keine Lust mehr, von Schuldig ausgelacht und verspottet zu werden. Er hatte keine Lust mehr, Aya hinterherzuhängen und vor allem hatte er keine Lust, sich so zu verändern, dass es Aya vielleicht doch irgendwann mal gefiel… Er leerte sein Glas erneut und winkte dem Keeper. „Noch so eine Runde“ er deutete auf die beiden leeren Gläser. /Wie komme ich zu der Ehre?/ Schuldig sah überrascht aus. Las er ihn wirklich nicht? Das konnte man ja ausprobieren. Der Bourbon, den er bereits intus hatte, ließ Yohji abenteuerlustig werden. Er sah Schuldig herausfordernd in die Augen. //Ich fülle dich ab und leg dich flach?// grinste er. Schuldig sah ihn seltsam an. /Ich wäre vorsichtig mit meinen Versprechen… vielleicht musst du sie ja halten?/ Eine wohldosierte mentale Streicheleinheit streifte Yohjis Geist und ließ ihn erschaudern. Doch er zwang sich zu einem Grinsen. „Trinken wir erstmal.“ Sie wechselten sich ab mit dem Kaufen von Drinks, und nach einiger Zeit waren beide gut angegangen, Yohji allerdings etwas mehr. Sie unterhielten sich intensiv, rauchten zusammen Schuldigs Zigaretten auf und hatten irgendwann richtig Spaß. Fast hätte Yohji vergessen, wer sein Gegenüber eigentlich war, mehr als nur ein gutaussehender Kerl, mit dem er ein paar Drinks nahm, nämlich sein Feind! Er wurde nachlässig… Leise wankend erhob er sich von seinem Hocker. „Muss mal aufs Klo.“ -- Er stand vor dem Spiegel und starrte sich selbst vorwurfsvoll an. //Was wird das Kudou? Er fängt an, dich zu faszinieren. Er ist dein –Gegner-. Mindestens das.// Irgendwie schien seine Vernunft auszusetzen. Er seufzte, beugte sich über das Waschbecken und benetzte sein Gesicht mit kaltem Wasser, als er von hinten umarmt wurde. /Keine Angst, ich bin es./ „Genau das ist das Problem!“ brummelte Yohji und richtete sich auf. Schuldig grinste ihn über seine Schulter hinweg im Spiegel an. Was sollte denn das jetzt werden? Yohjis Abwehrmechanismen waren etwas schläfrig, also stand er einfach da und wartete, dass Schuldig ihn wieder losließ. Doch der dachte nicht daran. Im Gegenteil, er legte seinen Kopf an Yohjis Rücken. „Fühlst dich gut an…“ murmelte er und zog Yohji enger an sich. Dem wurde schlagartig ziemlich warm. „Schuldig, lass mich los!“ Sofort war er frei und Schuldig wich etwas zurück. Yohji drehte sich zu dem Schwarz-Mitglied um. „Wir sollten nicht vergessen, wer wir sind, meinst du nicht?“ „Was ist mit deinem Versprechen?“ Yohji sah ihn ratlos an. „Versprechen? Welches…“ Er zog scharf die Luft ein, als Schuldig ihm vermittelte, die Einhaltung -welches- Versprechens ihm vorschwebte. „Das war nur…“ Schuldig näherte sich ihm. Yohji wich zurück. „Was? Ein Scherz? Ich mag solche Scherze nicht!“ Ein schwer deutbarer Ausdruck war in Schuldigs Augen. Er kam noch einen Schritt näher. Yohji wich weiter zurück. „Schuldig! Wir befinden uns auf einer Toilette! Das ist -“ /Unwürdig. Ok. Wo gehen wir hin?/ Schuldig war jetzt sehr nahe. Yohji konnte nicht weiter nach hinten ausweichen, weil er den Waschtisch bereits berührte. Er starrte in Schuldigs Augen. Grün – mit goldenen Flecken, die zu tanzen schienen. Schöne Augen… ein sinnlicher Mund lächelte herausfordernd. „Und jetzt?“ flüsterte Schuldig und näherte sich ihm noch ein wenig mehr. Offensichtlich genoss er die Situation, Yohjis Unsicherheit… und das aufkeimende Interesse, seinen Wunsch, Schuldig tatsächlich –hier- zu küssen. Yohji gab auf. Was sollte es auch? Schuldig –war- attraktiv, er zog ihn magnetisch an, und er –wollte- Yohji und zeigte es auch. „Küss mich.“ Leidenschaft. Begehren. Brennendes Verlangen. Yohji keuchte und riss sich von Schuldig los. „Was machst du!?“ Er bebte von den Empfindungen, die ihn gerade überschwemmt hatten. Schuldig lächelte abbittend. „Sorry. Der Alkohol… ich kann es nicht mehr ganz so gut dosieren, fürchte ich.“ „Das war – echt?“ „Ich sagte doch, ich bin scharf auf dich. So fühlt sich das halt an…“ man merkte, dass Schuldig ebenfalls nicht mehr nüchtern war. Er redete frei heraus, ohne Grinsen, ohne den üblichen spöttischen Unterton. Yohji schloss die Augen. Wenn das … wenn das beim Sex auch so… /Es ist so, verlass dich drauf!/ Schuldig zuckte die Schultern. „Lass uns abhauen. Ich hab genug von dem Laden hier!“ Er verließ die Toilette und Yohji folgte ihm leicht verunsichert. Wollte er mit Schuldig mitgehen? Und wenn ja – was wollte er wirklich von ihm? Schuldig hatte den Ober davon überzeugt, dass nichts mehr zu bezahlen war. Nun standen sie vor der Bar. Es war fast Mitternacht und empfindlich kalt. Yohji zog seinen Trench um sich und fröstelte. „Und?“ Schuldig sah ihn an und Yohji wusste, dass er ihn nicht allein gehen lassen würde. „Wohin?“ fragte er rau. Sein Herz begann etwas schneller zu schlagen, als er an die Gefühle dachte, die ihn gerade auf der Toilette durchrast hatten. „Hotel?“ Yohji nickte auf die knappe Frage nur. In dieser Gegend waren einige Love-Hotels, und bald hatten sie eines gefunden, das keine schäbige Absteige war, in dem aber trotzdem auch männliche Paare geduldet waren. Schuldig buchte das Zimmer für die ganze Nacht, und als Yohji das wissende Grinsen des Portiers sah wäre er am liebsten umgekehrt. Das war nun doch etwas peinlich… Nichtsdestotrotz folgte er Schuldig, der mit dem Schlüssel bereits oben war und das Zimmer auch schon gefunden hatte. Kaum hatte dieser die Tür abgeschlossen drehte er sich zu Yohji um, der unschlüssig mitten im Zimmer stand. „Kalte Füße?“ Goldgrüne Augen fixierten ihn. „Wir können auch einfach pennen. Genug Alkohol habe ich intus, um auch trotz deiner Anwesenheit“ er lächelte ironisch „schlafen zu können. Aber wie dem auch sei…“ er begann sich ohne weitere Umstände auszuziehen. Yohji sah gebannt zu, wie er sich Stück für Stück seiner Kleidung entledigte, bis er in schwarzseidenen Boxershorts Richtung Badezimmer verschwand. Schnell zog sich auch Yohji aus, löschte das Licht und kroch unter die mit Satin bezogene Decke des breiten Bettes. Es gab nur ein Deckbett in Überbreite, wie er unbehaglich feststellte. Schuldig kam aus dem Bad zurück. „Huh? So dunkel hier…“ er tappte zum Bett und knipste eines der kleinen Lämpchen auf dem Nachttisch an. Yohji lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken. Schuldig ließ seinen Blick über dessen Gesicht und das Stückchen freien Oberkörper wandern, das nicht von der Decke versteckt wurde, betrachtete die blonden Haare, die immer noch zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren. /Du gefällst mir gut… viel zu gut./ Leicht lächelnd krabbelte er unter die große Decke und machte die kleine Lampe wieder aus. Dann lag er ruhig da und konzentrierte sich. Träge, alkoholvernebelte Gedanken streiften ihn, kurz vor dem Wegdriften in tiefere Schlafregionen. Er ‚sah’ Aya, spürte einen stechenden Schmerz und verzog das Gesicht. Immer wieder dieser Fujimiya! Die gestrige Nacht durchwebte Yohjis Erinnerungen. Schnell blockte Schuldig ab. –Das- brauchte er jetzt nicht! Einen Moment später dann … ein schwacher Nachklang der Szene in der Bar, ein Hauch von Lust und Laster, sein eigenes Gesicht, wie er Yohji im Spiegel angrinste – seh’ ich in seinen Augen so aus? – dann – nichts mehr. Yohji war eingeschlafen und träumte im Moment nicht. Seufzend drehte Schuldig sich auf die Seite. Na toll! Dieses Zimmer war schweineteuer, und sie -schliefen- hier! Plötzlich musste er lächeln. /Was immer dein Wunsch ist, Baby!/ dachte er, bevor er ebenfalls einschlummerte. -- Yohji wachte in der Morgendämmerung auf und suchte die Leuchtziffern seines Weckers. Keine Leuchtziffern. Wo war dieses blöde Ding denn? Dann fiel ihm ein, wo er war, und vor allem, mit wem er hier war und er erschrak. Er hätte schon tot sein können! Wie konnte er so leichtsinnig sein sich mit einem Schwarz-Mitglied in dasselbe Bett zu legen? Und zu –schlafen-?? /Das gleiche gilt für mich, Weiss!/ Yohji fuhr hoch. „Schuldig! Wie lange bist du schon wach?“ „Seit du mich mit deinem unsinnigen, viel zu spät kommenden Erschrecken wachgerüttelt hast!“ Yohji wollte das Bett verlassen, als er am Arm festgehalten wurde. /Stop, mein Lieber. Da wäre noch ein Versprechen einzulösen!/ Yohji verzog den Mund. „Ich war betrunken! Das zählt nicht!“ Schuldig ließ seinen Arm los. „Wie du meinst.“ Yohji blieb sitzen und überlegte, wieso ihn das jetzt enttäuschte, als Schuldig leise auflachte. /Weil du daran denkst, was du in dieser Toilette empfunden hast! – Brauchst deswegen nicht gleich rot zu werden, Baby!/ Yohji verwünschte gerade inbrünstig diesen Telepathen und seine unverblümte Art, als er spürte, wie das Band aus seinen Haaren entfernt wurde und die weichen, welligen Strähnen locker auf seine Schultern fielen. „Schon besser“ murmelte Schuldig und zog ihn hinunter zu sich, um ihn erwartungsvoll anzusehen. Im Dämmerlicht konnte Yohji Schuldigs Augenfarbe nicht erkennen, doch er erinnerte sich noch gut an die tanzenden goldenen Punkte und an das sinnliche Lächeln, das ihn am Vorabend so angemacht hatte – und das gerade wieder um Schuldigs Lippen spielte. Ohne nachzudenken beugte er den Kopf hinunter und küsste dieses Lächeln. Schuldigs Augen weiteten sich überrascht, etwa eine Zehntelsekunde zögerte er, dann schlang er die Arme um Yohji und zog ihn vollends auf sich. Ihr Kuss, begleitet von einem Feuerwerk von Emotionen, schien ewig zu dauern. Schuldig stellte eine Verbindung zwischen ihnen her und nahm jedes Gefühl Yohjis auf, ebenso wie er jede seiner Empfindungen an ihn weitergab. Als sie sich endlich freigaben, keuchend, jeder den rasenden Herzschlag des anderen fühlend, war es keine Frage mehr, wie das hier enden würde. „Nun, Yohji… was ist mit deinem Versprechen?“ „Was soll schon damit sein? Ich werde es halten!“ „Gut Baby….“ … … … „Ooh Baby…..“ „Schu… – Schuuuu…..!“ *** Im Koneko saßen die übrigen Weiss-Mitglieder beim Frühstück. Omi und Ken unterhielten sich, Aya starrte auf sein Müsli und schwieg. Yohji war nachts nicht nach Hause gekommen. /Kudou!/ knirschte er innerlich mit den Zähnen. Sicherlich war er wieder mit irgendeinem Mädchen nach Hause gegangen. Mr. Unersättlich hatte sich recht schnell von seiner Enttäuschung erholt, wie es schien. Aya fühlte sich in seiner Entscheidung bestätigt, Yohjis Annäherungsversuch am gestrigen Morgen abgewiesen zu haben. Yohji meinte es nicht ernst. Nichts. Nie. Trotzdem tat es höllisch weh, recht zu haben. *** Yohji erwachte ein zweites Mal an diesem Morgen. Schuldig und er waren einigermaßen erschöpft nochmal eingeschlafen, und jetzt lag dieser mit dem Kopf auf seiner Brust und seine feuerroten Haare kitzelten Yohjis Kinn. Es verlangte ihn, sanft darüber zu streicheln. Er hatte sich lange nicht so wohl gefühlt. Das Erlebnis, beim Sex gedanklich mit dem anderen verbunden zu sein hatte in bis ins Innerste bewegt. Es war einfach fantastisch gewesen. Die Erinnerung daran zeigte auch bald eine entsprechende Wirkung und unwillkürlich begann er, zärtlich Schuldigs Rücken zu streicheln. Der regte sich und hob verschlafen die Augenlider ein wenig an. /Hmmm… zweite Runde, Baby?/ //Nichts dagegen… Schu…// *** Als Schuldig an diesem Tag nach Hause kam, war die Tür zu Crawfords Büro geschlossen. Er ging rasch daran vorbei, denn er hatte keine Lust, seinem Leader jetzt gegenüber zu treten, und sich den schönen Morgen verderben zu lassen. Doch er hatte kein Glück. „Schuldig.“ Crawfords Stimme hielt ihn auf, als er gerade in sein Zimmer betreten hatte. „WAS?“ unwirsch drehte sich Schuldig zu ihm um. Eine Welle von Unmut schwappte zu ihm herüber, bevor Crawford sich abschirmen konnte. Schuldig setzte seinen Weg fort. „Was ist nun mit Balinese?“ Schuldig gab keine Antwort, kam dann, nur mit einem Handtuch bekleidet, wieder aus seinem Zimmer und grinste hinterhältig. „Alles bestens, Braddie-Baby.“ Dieser sah den halbnackten Telepathen von oben bis unten an und schluckte. „Du weißt genau, was ich meine. Wie sind die Aussichten, dass sie ab und an kooperieren, beziehungsweise, gibt es schon Anzeichen für eine engere Beziehung zwischen Abyssinian und Balinese?“ Crawfords Stimme klang kühl und beherrscht wie immer, doch seine Augen funkelten. „Ach Braddie, ich muss sagen, dass mich das im Moment eher weniger interessiert… ich muss jetzt Duschen!“ Damit verschwand Schuldig im Badezimmer. Crawford starrte die geschlossene Badezimmertür an. WAS lief da zwischen Balinese und Schuldig? /Nichts, was dich etwas angehen würde, Bradley/ erklang es belustigt in seinem Kopf. Kopfschüttelnd ging er darauf in sein Büro zurück. /Das werden wir noch sehen, Schuldig./ Schuldig ließ das heiße Wasser auf sich herabregnen und dachte über sich und Yohji nach. Der blonde Playboy übte eine große Faszination auf ihn aus, vor allem seine liebevolle Art hatte es dem Telepathen angetan. Er musste feststellen, dass der reine sportliche Ehrgeiz, ein Weiss-Mitglied ins Bett zu bekommen, ganz zu schweigen von dem ‚Auftrag’, der dahinter steckte, einer tiefen Sympathie gewichen war. Und doch… sobald Crawford in der Nähe war, konzentrierten sich Schuldigs Gefühle nur noch auf ihn. Er sagte sich wieder und wieder, wie zwecklos diese Gefühle seinem Leader gegenüber waren, wie wenig Interesse Crawford an ihm hatte, doch es gelang ihm einfach nicht, sie abzustellen. Auch Yohji konnte ihm dabei nicht helfen. *** Die nächsten eineinhalb Wochen war Yohji in jeder freien Minute mit Schuldig unterwegs. Es war fast unheimlich. Sie hatten Spaß und ließen ihre zweite Identität als Berufskiller und auch die Rivalität ihrer Teams vollkommen außen vor, als ob sie nicht existent wäre. Sie besuchten Kinos, Fussballspiele, Kneipen und verstanden sich immer besser. Sie gingen auch noch einmal in dieses Hotel, und beim Abschied nahm Yohji Schuldig spontan in den Arm und drückte ihn an sich. Dieser sah ihn befremdet an. „Was war das jetzt?“ Yohji zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Ich… glaube ich mag dich.“ Schuldig grinste nur, doch seine Wangen waren leicht rot geworden. //Hmmm, könnte ich glatt zurückgeben, das Kompliment// Er konnte es Yohji aus irgendeinem Grund nicht sagen, weder laut, noch gedanklich … „Nanu, Schuldig, gar kein dummer Spruch?“ neckte Yohji ihn. Statt einer Antwort zog dieser ihn an sich und küsste ihn leidenschaftlich. „Antwort genug, Liebling? Yohji nickte. Das war Schuldig! Auf dem Heimweg dachte er über seine momentane Lage nach. Schuldig wurde mehr und mehr Mittelpunkt seines Lebens – sofern er nicht im Koneko war. Denn immer, wenn er in Ayas Nähe war, verblasste die Erinnerung an Schuldig schnell, trotzdem sie wirklich viel Spaß und fantastischen Sex miteinander hatten. Also – liebte er ihn nicht… nicht so, wie er Aya liebte, trotz aller Hoffnungslosigkeit. Yohji seufzte. Was für eine vertrackte, bescheuerte Situation das doch war… „Ich wüsste zu gerne, wie Schuldig das empfindet…“ murmelte er vor sich hin. *** Es war ihr drittes Treffen in dem Love-Hotel. Der Portier kannte sie inzwischen und grinste nicht mehr, wenn sie hereinkamen. Yohji war froh darüber. Kaum im Zimmer, waren sie praktisch übereinander hergefallen, kaum dass sie sich Zeit nahmen, sich vollständig auszuziehen. Der Sex war wie die vorigen Male überwältigend gewesen und Yohji lag völlig ausgelaugt auf dem Bett. Schuldig saß rauchend auf der Bettkannte und starrte vor sich hin. Yohji, träge und zufrieden, spielte müßig mit Schuldigs langen Haaren. //Hast du was, Koi?// „Nenn mich nicht Koi, wenn du es nicht so meinst!“ Das klang bitter, fand Yohji. Er richtete sich auf und wollte Schuldig an sich ziehen, doch dieser wehrte ihn ab. „Schu…“ Mit einer heftigen Geste drückte dieser seine Zigarette im Ascher aus und stand auf. „Ich geh Duschen!“ Yohji blieb mit einem schlechten Gefühl auf dem Bett liegen. Schuldig ließ sich Zeit im Bad. Viel Zeit. Sehr viel Zeit. Irgendwann wurde es Yohji zu bunt und er folgte ihm. Schuldig saß mit einem Handtuch um die Hüften auf dem Rand der Badewanne und starrte wieder mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck vor sich hin. „Schuldig…“ Dieser gab keine Antwort. Impulsiv ging Yohji zu ihm und zog ihn hoch, in seine Arme. Zuerst versteifte Schuldig sich, dann gab er nach und lehnte seinen Kopf an Yohjis Halsbeuge. „Schu-schu…“ Yohji hauchte einen Kuss auf seine Haare. Flammendrot, doch anders als Ayas… Er spürte einen Ruck durch Schuldig gehen und verwünschte seine Gedanken. „Es ist das falsche Rot, ne Baby?“ Schuldig hatte es laut ausgesprochen. In Yohjis Magen bildete sich ein Klumpen. „Schu…“ „Lass es sein, Baby, ich weiß doch Bescheid. Zweite Wahl…“ „Das stimmt doch nicht, Schuldig. Und das weißt du!“ Yohji hatte ein schlechtes Gewissen. In gewisser Weise hatte Schuldig Recht. Wenn Aya ihn nicht abgewiesen hätte, wäre er heute nicht hier. Heute nicht und die Male davor nicht. Aber dennoch… dennoch… Schuldig war ihm wichtig. „Du bist mir wichtig!“ „Oh, danke.“ Aufmerksam sah Yohji ihn an. „Schuldig - liebst du mich?“ /NEIN!/ Die Antwort kam mental. Unerwartet, scharf wie ein Peitschenschlag. Yohji zuckte zusammen. /Fang nicht an, solche Fragen zu stellen, Yohji-kun, sonst war das heute unser letztes Treffen./ Langsam nickte Yohji. „In Ordnung.“ Er gab Schuldig frei und verließ das Bad um sich anzuziehen. Halb hoffte er, dass dieser ihn zurückrufen würde, aber er tat es nicht. Schließlich war Yohji fertig angezogen und ging zum Badezimmer zurück. Schuldig saß, immer noch im Handtuch, wieder an derselben Stelle wie zuvor. „Ich geh dann mal…“ Schuldig nickte. Yohji wartete noch einen Moment, dann drehte er sich um. //Es tut mir weh, verdammt, wieso tut mir das so weh?// Er machte einen Schritt auf die Zimmertür zu, als ein leiser, erstickter Laut ihn stoppte. Er fuhr herum und sah Schuldig, wie er die Faust auf seinen Mund presste. Er hatte die Augen zugekniffen, sein Körper bebte von unterdrücktem Schluchzen. Mit zwei großen Schritten war er bei ihm und zog ihn zärtlich in seine Arme. „Shhh, shhh, Koi, es ist ja gut, ich bin ja da…“ „Ni…hichts i..hist gu..hu..hut…“ Yohji war schockiert. Schuldig weinte? Schu? Weinte? Er hielt ihn in den Armen und streichelte ihn sanft, bis das Schluchzen leiser wurde, und das Zittern nachließ. „Was ist denn los… Schu-schu? Bitte, rede mit mir…“ er versuchte Zärtlichkeit und Liebe und Trost in seine Stimme und die Berührungen seiner Hände zu legen. /Schon gut Baby, es geht schon wieder…/ Schuldigs mentale Stimme klang merkwürdig sanft, irgendwie… klein. Dann, ohne Einleitung begann Schuldig zu sprechen. „Ich… hab mal ein bisschen in Abyssinians Gefühlsleben… naja, geforscht. Hat mich interessiert… und – “ er sah Yohji an. „- Aya liebt dich. Er verzehrt sich förmlich nach dir. Er will es nur nicht zugeben.“ Yohji hielt den Atem an. „Warum nicht?“ wollte er wissen. Schuldig zuckte die Achseln. „Wollte ich gar nicht wissen …“ Yohji fasste nach seiner Hand. „Und das…“ /macht dich das so traurig?/ Schuldig sah ihn nicht an. „Nein. Oder, ja, indirekt.“ Yohji sah ratlos aus. „Versteh ich nicht.“ Schuldig holte tief Luft. „Ich…“ Dann schüttelte er den Kopf. „Ach, sieh selbst.“ Er öffnete einen Link und ließ Yohji in sein Innerstes sehen. Yohji fuhr zusammen. Er sah – und empfand, Schuldigs ‚Affäre’ mit Bradley Crawford. Er keuchte, soviel Leidenschaft und intensive Emotionen drangen auf ihn ein. LIEBE!... Er sah Schuldig an. Schuldig hatte Crawford leidenschaftlich geliebt! Dann „Schu… es … tut mir l..“ Schuldig schüttelte den Kopf. /Das muss es nicht. Es ist einfach so, dass ich auch gerne so lieben und geliebt werden würde, wie Fujimiya…“/ Vorsichtig fragte Yohji „Von…mir?“ Wieder ein Kopfschütteln, und Yohji zog ihn enger an sich /Sorry…/ Schuldig zeigte ihm auch noch den Rest. VERZWEIFLUNG. Schuldig … liebte Crawford. Immer noch. Mit großer Intensität. Yohji streichelte ihn weiter. Crawford. Eiskalter, gefühlloser Bastard. Schuldig hatte es nicht verwunden. Yohji seufzte. „Ich würde dir gerne helfen.“ /Hast du schon./ „Hm?“ Schuldig machte sich von ihm los. „Zuhören. Trösten. Verstehen…“ er lachte kurz auf, aber es war kein fröhliches Lachen. /Ich glaube fast selbst nicht, dass ich dir das alles anvertraue./ Yohji ergriff seine Hand und nickte. „Versteh ich. Aber es macht mich irgendwie froh. – Schu…“ Doch dieser hatte sich wieder gefangen und versuchte jetzt, seine übliche Coolness wiederzugewinnen. „Lass es für heute gut sein, Baby!“ ein Abglanz des frechen Schu-Grinsens, der Yohji seltsam ins Herz schnitt. Er gab Schuldig frei und dieser zog sich rasch an. In einer merkwürdigen Stimmung verließen sie das Hotel. Obwohl sie sonst nie Arm in Arm durch die Öffentlichkeit gingen, hätte Yohji Schuldig am liebsten den Arm um die Schultern gelegt. Aber ein Stück durch den Park konnten sie doch zusammen gehen… Schuldig willigte stillschweigend ein und sie gingen ohne zu reden nebeneinander her. Am See sah Yohji sich kurz um und zog Schuldig dann an sich. Er drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und sah ihn fragend an. /Alles im grünen Bereich, Baby!/ //Beweis es mir. Öffne einen Link.// /Vergiss es, Liebchen./ Schuldig drehte sich um und ging. Im Weggehen winkte er noch kurz mit der Hand. Yohji sah ihm mit gemischten Gefühlen nach. Dann ging er zum Ausgang, der Richtung Koneko lag. Ein Porsche, der mit durchdrehenden Rädern losschoss erregte seine Aufmerksamkeit. Aya?! Er schüttelte den Kopf. Verfolgungswahn war keine gute Eigenschaft für einen Assassinen … Bis zum Abend half er Ken im Laden, da Omi für eine Schularbeit lernen musste und Aya irgendwo unterwegs war. Ein ungutes Gefühl beschlich Yohji. Aya war unterwegs gewesen … wo? Nach zwei Stunden kam Ayas Porsche vorgefahren. Der Weiss-Leader schloss sein Auto ab und betrat den Laden. „Ken, ich bin oben, falls was ist.“ Yohji ignorierte er vollständig. Dieser zerquetschte eine teure Orchidee als er wütend die Fäuste ballte. Dieser Mistkerl … Gleichzeitig schmerzte sein Herz wie verrückt. Aya… Er erinnerte sich an Schuldigs Stimme. ‚Aya liebt dich, er will es nur nicht zugeben…’ „Ken, kann ich Schluss machen?“ „Klar, Yohji-kun, mir reichts auch, ich räume schnell alleine auf.“ „Danke, Ken-Ken.“ Yohji puffte seinen Teamkollegen freundschaftlich in die Seite und ging die Treppe hoch. Seine Gedanken kreisten um Aya. Er wollte endlich Klarheit. Er würde zu ihm gehen und mit ihm reden. Doch das erwies sich als ziemlich schwierig… Yohji stand schon einige Minuten mit vor Aufregung feuchten Händen vor Ayas Tür, ehe er sich traute zu klopfen. „Ja!“ Er trat in das Zimmer und fand Aya beim Abstauben seines Bücherregals. „Aya, ich wollte… ich muss dir was sagen.“ Der Angesprochene fuhr ungerührt fort, seine Bücher abzustauben. Wie sollte er es ihm sagen? Am besten geradeheraus … „Aya… Ich…“ Yohji zögerte. //*Ich liebe dich!* Das hast du doch schon tausendmal irgendwelchen Tussis ins Ohr geflüstert, warum kannst du es jetzt nicht aussprechen, wo es mal die Wahrheit ist?// „Hast du was mit Schuldig?“ Eine einfache Frage, sachlich gestellt. Yohji zuckte trotzdem heftig zusammen. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. Wieso wusste Aya davon? Wie hatte er…?? Die Antwort folgte sofort. „Ich habe euch gesehen. Im Park…“ Verdammt. Der Porsche war also doch Ayas gewesen. Jetzt konnte es nur noch schlimmer werden… „Lass mich doch erklären!“ „Hast du oder hast du nicht?“ Aya klang ruhig, fast unbeteiligt, und aus irgend einem Grund brachte das Yohji auf die Palme. Er stieß entnervt die Luft aus. „Ja. Ja, es stimmt, ich habe mit Schuldig…“ weiter kam er nicht, weil sich Aya auf ihn stürzte und ihm die Kehle zudrückte. Seine Augen waren zwei schmale Schlitze. Sein Gesicht, normalerweise von fast unnatürlicher Blässe, brannte vor Zorn in einem flammenden Rot, das in krassem Misston zu seiner Haarfarbe stand. Der schreckliche orangefarbene Sweater den er trug vervollständigte die Kakophonie der Rottöne. //Das falsche Rot, das falsche Rot..// hämmerte es in Yohjis Kopf, während ihm langsam die Luft knapp wurde. „Aya… Aya.. bitte!...“ krächzte er und dieser lockerte den eisernen Griff um seinen Hals, ließ ihn jedoch nicht los. „Du hast dich tatsächlich von einem Schwarz-Mitglied flachlegen lassen… du mieser… ich sollte dich auf der Stelle exekutieren. Das ist Verrat!“ Aya stieß ihn grob von sich, ergriff sein Katana und zog es aus der Scheide. Yohji riss die Augen auf. „Aya! Bist du wahnsinnig geworden? Es ist.. es war doch nur… ich wollte Schu doch nur… wir sind…“ Scheisse, wie sollte er Aya bloß erklären, dass er ihn zwar liebte, aber trotzdem mit Schuldig schlief? „Schu??“ Die Spitze des Katana war jetzt auf Yohjis Herz gerichtet. „Aya, lass uns doch reden…“ „RAUS HIER!“ Etwas in Yohji sagte ihm, dass es besser war, dieser Aufforderung zu folgen. Das hieß aber nicht, dass ihm das gefiel. Er verließ Ayas Zimmer und knallte die Tür mit solcher Gewalt ins Schloss, dass die Wand zitterte. Omi kam aus seinem Zimmer gestürzt. „Yohji! Was ist denn los?“ „Nichts ist los. Gar nichts!“ Yohji ging an ihm vorbei in sein Zimmer und schloss die Tür zweimal ab. Dann stand er bewegungslos mitten im Raum und starrte vor sich hin. Der Schock ließ nach und er begann zu zittern. Seine Knie wurden weich und er schaffte gerade noch die paar Schritte zum Bett, bevor sie nachgaben und er darauf niederfiel. Er vergrub sein Gesicht im Kissen und krampfte die Hände in die Bettdecke. Ein würgendes Schluchzen wollte seine Kehle hinaufkriechen, und nach kurzem Kampf gab er auf und ließ seinem Schmerz und der Enttäuschung freien Lauf. Er weinte eine lange Zeit, doch schließlich ließ das Schluchzen nach. //Ausgeträumt. Es war wohl wirklich das falsche Rot, was ich mir ausgesucht hatte…// dachte er schließlich, ehe er, erschöpft von der Angst, der Trauer und den Tränen einschlief. *** Mit einer müden Geste lehnte Aya sein Schwert an die Wand. Er fühlte sich schrecklich. Die Wut war einer dumpfen Traurigkeit gewichen. Es war alles so austauschbar für Yohji. Wenn er Lust auf Frauen hatte, nahm er sich eine. Er hatte Lust auf Aya gehabt, und siehe da, er hatte ihn bekommen, und wenn er ihn nicht bekam, bekam er mit Sicherheit jemand anderen… wie Schuldig zum Beispiel… ‚Schu’! Er lachte bitter auf. Dass Yohji ständig Frauen eroberte, hatte Aya verkraftet, so war er halt, ein Playboy. Es hatte ihn darin bestärkt, ihn abzuweisen. Yohji liebte Frauen. Punkt. Die Nacht mit ihm war ein Ausrutscher, und Yohji würde weiterhin Frauen verführen. Alles klar. Doch jetzt war das anders. Yohji traf sich mit Schuldig. Schlief mit ihm. Dieser Kuss auf die Stirn im Park zeugte von Vertrautheit... viel mehr als ein wildes Herumknutschen dies getan hätte. Es hatte unglaublich geschmerzt, das zu sehen. Dass Schuldig ihr Gegner war, war zwar ein wunderbares Argument gegen Yohji, für Aya jedoch war es im Grunde vollkommen gleichgültig. Das einzige was zählte, war – Schuldig war ein Mann… Das hieß doch… vielleicht wäre es ja doch… Wütend schüttelte Aya den Kopf. Yohji liebte ihn nicht. Yohji liebte nur das Abenteuer und die Abwechslung… so war es doch… er hatte sich richtig entschieden. Doch eine nagende Ungewissheit blieb. *** Yohji war froh, den Tag nach Ayas Wutanfall ohne größere Konfrontation überstanden zu haben. So langsam schlauchte ihn die nervliche Anspannung ziemlich. Doch außer der normalen Arbeit im Laden war nichts gewesen. Aya ging ihm offensichtlich aus dem Weg… Am Abend schlug Omi ihm vor, mit ihm und Ken eine Runde Karten zu spielen. Eigentlich hatte er auch Aya gefragt, doch dieser hatte rundweg abgelehnt. So war sein Plan, eine etwas lockerere Atmosphäre zu schaffen, fehlgeschlagen. Yohji stimmte sofort zu, denn er erkannte Omis gute Absicht und war gerührt über seinen Versuch, die Stimmung wieder zu verbessern. So saßen sie dann zu dritt um den Tisch in der Küche herum und spielten bis weit nach Mitternacht. Yohji vergaß eine zeitlang seine Misere und war fast wieder der alte, wie sie ihn von vor der ganzen Aya-Schuldig Geschichte kannten. Als Ken zu gähnen anfing gab ihm Omi einen Tritt unter dem Tisch, doch Yohji grinste. „Ist o.k. Jungs, lasst uns aufhören, ich bin auch müde. Ich rauch’ noch eine und gehe dann schlafen.“ Omi und Ken standen auf. „Gute Nacht Yohji.“ „Nacht Omi.“ Ken legte ihm die Hand auf die Schulter. „Alles klar?“ „Sicher, Ken. Gute Nacht.“ Nachdem die beiden nach oben verschwunden waren, ging Yohji ins Wohnzimmer und nahm sich noch einen Drink. Mit dem Glas und seiner Zigarette setzte er sich auf das Sofa. Sein Blick fiel auf etwas Orangefarbenes, Weiches. Er zog es zu sich heran. Ayas Pullover… Aya ließ mal etwas herumliegen? Lächelnd nahm er ihn auf und schnupperte daran. Das Kleidungsstück duftete schwach nach Ayas Duschgel und diesem ganz besonderen Aya-Geruch, der ihm schon bei dieser Mission mit dem ‚zufälligen’ Kuss, und viel mehr noch bei ihrer gemeinsamen Nacht, aufgefallen war, und der ihn seither in seinen Träumen verfolgte. Er legte sich auf das Sofa und bettete seinen Kopf auf dem Pulli. Verträumt schloss er die Augen. Leider hatte er vergessen, dass er die Zigarette noch im Mundwinkel hatte. Ein versengter Geruch überdeckte Ayas Duft und er riss erschrocken die Augen auf und fuhr hoch. Mitten auf dem Pullover prangte ein Loch, das an den Rändern leicht glomm. Er pustete hastig, doch dies verfehlte den Zweck vollkommen, denn die Luftzufuhr ließ das Loch schneller wachsen, da die Glut dadurch intensiver wurde und sich weiter in das Material hineinfraß. Yohji sprang auf und rannte mit dem Teil in die Küche, wo er ihn in die Spüle warf und das Wasser aufdrehte. Als die Glut endlich erloschen war, hatte das Loch Handtellergröße erreicht. Der Pullover war nicht mehr zu retten. „Wunderbar, prima, bestellt schon mal einen Sarg“ murmelte Yohji vor sich hin, als er niedergeschlagen die Treppe hochlief. Den Pullover hatte er gleich in den Müll geworfen. Aya würde ihn dort sehen, doch es war ihm egal. Er war nicht feige. Und um den Pullover war es im Grunde nicht schade. Er würde ihm das Teil auch ersetzen. Nur nicht in dieser grauenvollen Farbe… *** Zum Frühstück am nächsten Morgen saßen ausnahmsweise mal alle Mitglieder von Weiss um den Küchentisch herum. Aya hatte sich hinter seiner Zeitung vergraben, Ken und Omi unterhielten sich und Yohji saß stumm dabei und starrte auf die Rückseite der Zeitung. Er hatte keinen Hunger und zog eine Zigarette hervor. Als er das Streichholz aufflammen ließ, erklang Ayas Stimme hinter der Zeitung. „Muss das jetzt sein?“ Yohji löschte das Zündholz wieder und stand auf. Omi wollte ihn zurückhalten, doch er schüttelte den Kopf. „Lass mal, Omittchi, ich bin hier offensichtlich nicht erwünscht.“ Damit wollte er die Küche verlassen. Dann fiel ihm der Pullover ein. „Aya, den Pullover ersetze ich dir, es… tut mir leid, war ein Versehen.“ Er bekam keine Antwort. Schulterzuckend drehte er sich endgültig um. Dann eben nicht… *** Omi und Aya arbeiteten zusammen im Gewächshaus. Aya bewässerte die Pflanzen, Omi entfernte verwelkte Blätter und Blüten und Ken bastelte an der Heizung herum. Es war nicht warm genug für die Pflanzen. Yohji war weggegangen. Omi fühlte sich unbehaglich. Er wollte gerne mit Aya reden, wusste aber nicht, wie er anfangen sollte. Er warf eine Handvoll abgezupfte Blätter in einen Eimer und wischte sich die Hände an der Schürze ab. „Aya…“ „Hm?“ „Was hast du auf einmal gegen Yohji?“ Er sah seinen Leader bittend an. Hoffentlich bekam er mal eine Antwort, mit der er etwas anfangen konnte. Yohji wich ja auch immer aus… „Nichts. Fang du nicht auch noch damit an.“ „Aber..“ „Omi!“ „Verdammt, Aya! Ihr beide benehmt euch doch nicht normal! Die Stimmung hier ist vollkommen daneben, und man hat das Gefühl, ihr geht euch jeden Moment an die Kehle! Ich halte das nicht länger aus! Ihr seid – ja, wie eine Familie für mich! Und bald ist Weihnachten! Ich verstehe das nicht! …“ er verstummte, als er sah, wie sich Ayas Hand um die Gießkanne krampfte. „Du verstehst das wirklich nicht, Omittchi.“ Ayas Stimme war nur ein Flüstern. „-Liebst- du Yohji?“ Omi wagte einen Vorstoß. „Das ist nicht der Punkt. Das ist… es macht keinen Unterschied, ob ich ihn liebe. Nicht für ihn.“ „Aya, warum redest du nicht mit ihm? Woher willst du das wissen?“ „Weil ich es weiß.“ Aya fuhr mit der Arbeit fort. Offensichtlich war er nicht bereit, noch weiter mit Omi zu reden. Dieser brachte den Abfall weg und lief dann zu Ken. „Ken, wusstest du, dass Aya und Yohji…“ „Das ist doch offensichtlich. Aber wir sollten uns da nicht einmischen.“ „Aber…“ „Es hat keinen Zweck, Omi. Das müssen die beiden alleine auf die Reihe bekommen.“ „Vielleicht hast du Recht.“ *** Am Abend desselben Tages. Yohji saß in seinem Sessel und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er war mit Schuldig wieder in diesem Hotel gewesen. Immer noch konnte er dessen Geruch auf seiner Haut wahrnehmen, hörte dessen heisere Stimme in seinem Ohr und die leidenschaftliche ‚andere’ Stimme in seinem Kopf… immer wenn er mit ihm zusammen war, konnte er Aya vergessen. Doch dann – das Gespräch. Yohji hatte Schuldig am Tag zuvor ein Feuerzeug gekauft. Kaum waren sie, erschöpft vom Liebesspiel, zurück in die Kissen gesunken, hatte er es hervorgeholt und Schuldig mit einem verlegenen Lächeln hingehalten. „Hier, etwas früh für ein Weihnachtsgeschenk, aber ich hoffe es gefällt dir.“ Schuldig hatte ihn groß angesehen, das Feuerzeug aber angenommen. Er zog eine Zigarette aus der Packung und reichte sie Yohji. Er selbst nahm keine. Während er ihm Feuer gab, sagte er unvermittelt „Lass es uns beenden, Baby.“ Yohji starrte Schuldig an. „Was?!“ „Schluss machen. Finito. Es bringt nichts mehr… nicht wirklich. Du willst doch eigentlich Aya, immer noch nur Aya, oder?“ Ein beißendes schlechtes Gewissen überfiel Yohji, und er suchte krampfhaft nach Worten, wollte versuchen, Schuldig zu erklären, was er fühlte, warum er dieses doppelte Spiel spielte… /Das weiß ich doch alles längst, Baby. Ich kenne dich besser als du selbst, glaube mir. Und ich -weiß- dass du irgenwie an mir hängst, aber Aya liebst du. Mit all deiner Seele, deinem Herzen… aus uns wird nie etwas, auch wenn ich es mir vielleicht anfangs gewünscht habe…/ Yohji starrte Schuldig wieder fassungslos an. Der lag mittlerweile auf dem Bauch, das Gesicht im Kissen vergraben. /Ja, du hast richtig gehört…, ich konnte es nur nicht aussprechen. Ich versuche mal, dir die Situation klarzumachen, in der wir sind, soweit ich es sehe. Es war so, ich war in dich verliebt, irgendwie. Ich hatte die Illusion, es könnte klappen mit uns. Aber ich … / //Dir geht es genauso wie mir. Du liebst Crawford – immer noch. Mindestens so sehr, wie ich … Aya liebe. Das ist dir jetzt bewusst geworden.// Yohji sah auf einmal klar. Sie hielten sich aneinander fest, weil diejenigen, die sie wirklich liebten, diese Liebe nicht erwiderten. Oder in Ayas Fall, es nicht zuließen. /Strike, Baby. Traurig, aber wahr./ „Ich möchte nicht Schluss machen.“ Yohji hatte es ganz ruhig gesagt. Schuldigs Kopf kam hoch und er sah ihm in die Augen. „Aber ich.“ „Sicher?“ „Ganz sicher. Sex mit dir zu haben ist eine feine Sache, aber auf Dauer reicht mir das nicht. Lass es uns beenden, bevor es zur Routine wird und wir uns derartig auf den Geist gehen, dass wir es im Frust enden lassen. So haben wir wenigstens noch ein paar nette Erinnerungen.“ Yohji sah dass es ihm ernst war. „Wie du willst Schu… ich kann dich nicht zwingen.“ „Wieder Strike, Liebchen…“ Schuldig sah, dass Yohji das Gesicht verzog und grinste. /-Das- wirst du sicher nicht vermissen, richtig?/ //Richtig.// Sie hatten sich in der Hotelhalle getrennt. Keine Abschiedsszene, kein Kuss, nichts. Auf dem Heimweg hatte Yohji das Gefühl gehabt, ein großes Loch in der Brust zu haben, durch das eiskalt der Wind pfiff. *** Crawford wartete auf Schuldigs Rückkehr. Er hatte heute ‚gesehen’ was bei dem Treffen zwischen ihm und Balinese ablaufen würde, und irgendwie ahnte er, dass es nicht das erste Mal sein würde. Er hatte vor, Schuldig zur Rede zu stellen. Das war nicht der Plan gewesen. Balinese und Abyssinian würden zusammenkommen. Schuldig hatte da nicht dazwischenzupfuschen. Das würde er ihm in aller Deutlichkeit klarmachen. Wie kam Schuldig dazu, Crawfords Pläne zu durchkreuzen? Das war nicht effektiv. Er hatte allen Grund verärgert zu sein und würde Schuldig zurechtweisen. Nur ein Umstand störte ihn massiv. Warum… warum schmerzte die Erinnerung an diese Vision so? Schuldig in Balineses Armen. Crawford presste die Finger an die Schläfen. /Es ist nur weil er nicht tut, was er soll/ versuchte er sich einzureden. Doch der Schmerz war da. Und Crawford konnte nicht umhin es zu akzeptieren. Er –war eifersüchtig-. Er konnte es fast nicht ertragen was er da gesehen hatte. Aber – nein! Er wollte Schuldig nicht. Nicht mehr. Und Schuldig wollte ihn nicht. Als er das Verhältnis beendet hatte, hatte Schuldig nichts als Gleichgültigkeit an den Tag gelegt, und auch später war nie wieder etwas von ihm gekommen. Wenn er Crawford gewollt hätte – das Wort –Liebe- klammerte dieser mal ganz bewusst aus seinem Denken aus – dann hätte er doch irgend etwas getan... oder? Vielleicht hatte er aber damals auch falsch gelegen. Er hatte inzwischen mehr als einmal festgestellt, dass es nicht so einfach war, Schuldig zu manipulieren. Mit ihm Schluss zu machen war auch eine Art Test gewesen. Würde er zu ihm kommen? Ihn versuchen zurückzugewinnen? Doch nichts dergleichen geschah. Schuldig hatte mit den Schultern gezuckt und war gegangen. Crawford hatte sich eingestehen müssen, dass er ein Eigentor geschossen hatte. Das hatte irgendwie geschmerzt, doch die ihm eigene Rationalität hatte die Oberhand gewonnen und er war zur Tagesordnung übergegangen. Er konnte es verdrängen. Bis heute. Er stand auf und öffnete die Tür seines Büros, um sie nur leicht anzulehnen. So würde er es mitbekommen, wenn Schuldig vorbeiging. Wann kam Schuldig denn endlich nach Hause? *** Yohji hatte die Absicht kurz etwas zu essen und sich dann in sein Zimmer zu verkrümeln. In der Küche saß jedoch Ken und wartete auf ihn. Er kam sofort zur Sache. „Yohji, willst du nicht mal mit mir reden?“ Yohji dachte einen Augenblick nach und beschloss, dass er wirklich jemanden gebrauchen konnte, der ihm zuhörte. Er setzte sich zu Ken an den Tisch. „Irgendwie schon…“ „Was ist das mit dir und Aya denn nun?“ „Wenn ich das mal wüsste.“ „Du hast neulich in seinem Zimmer geschlafen.“ „Ich habe auch –mit- ihm geschlafen, Ken.“ „Das dachte ich mir schon. Aber…“ „Er hat mich abserviert. Am nächsten Morgen tat er so, als ob es für ihn nichts weiter war als ein one-night-stand, er hat gesagt, er sei doch nur eine weitere Trophäe in meiner Sammlung.“ Ken sah Yohji mitleidig an. „Das ist hart.“ „Es stimmt doch. Ich … habe es ja bisher nicht anders gemacht…“ „Aber bei Aya ist es was anderes, habe ich Recht? Du liebst Aya doch.“ Yohji nickte. „Und trotzdem habe ich auch mit Schuldig was gehabt.“ Ken starrte ihn an. „Mit Schuldig? Von Schwarz?“ „Hmm. Und Aya hat uns neulich gesehen. Danach hätte er mich fast mit seinem Katana abgeschlachtet… hat was von Verrat gesagt.“ Ken dachte fieberhaft nach. Yohji und Schuldig… „Hast du Schuldig, ich meine…“ „Ken. Es hatte nichts mit Schwarz oder Weiss zu tun. Er – wir…, - es war rein gefühlsmäßig.“ „Woher willst du das wissen? Crawford ist ein manipulativer Mistkerl. Er hat immer einen Beweggrund für das, was er tut. Und Schuldig ist –Schwarz-!“ „Schon… ich kann es nicht erklären. Wir haben uns gegenseitig vielleicht etwas Trost oder Halt gegeben, ein bisschen verliebt waren wir wohl auch… wie dem auch sei, Schuldig hat es beendet. Es ist vorbei.“ Ken sah Yohji misstrauisch an. „-Er- hat es beendet?“ „Yep.“ „Na hoffentlich hat er dich nicht irgendwie ausgenutzt…“ „Wenn hier jemand wen ausgenutzt hat, dann ich.“ Das klang bitter. Ken legte Yohji die Hand auf den Arm. „Soll ich mal mit Aya…“ „Auf keinen Fall!“ „Dann rede du mit ihm! Es ist unerträglich hier im Koneko, seit das mit euch läuft!“ „Es läuft doch nichts, Ken!“ Müde winkte Yohji ab und stand auf. Der Appetit war ihm vergangen, er wollte nur noch in sein Bett. „Ich werde Aya nicht mehr hinterherrennen, und mich vor ihm zum Affen machen. Mir reicht es. Schluss aus.“ *** Als die Eingangstür zufiel sprang Crawford fast aus seinem Sessel. Sofort riss er sich zusammen. Nur nicht die Beherrschung verlieren… er zwang sich dazu, sich wieder vor seinen Computer zu setzen. Als er hörte, dass jemand vor seinem Zimmer war rief er halblaut „Schuldig?“ Die Tür wurde aufgeschoben und der Angesprochene sah ins Zimmer. „Was?“ Seine Stimmung war etwas gedrückt, er hatte keine Lust zum Reden oder was auch immer Crawford von ihm wollen mochte. Dieser starrte auf den Bildschirm. „Komm herein und schließ die Tür.“ „Ich habe keine Lust, Crawford. Das hat doch sicher Zeit bis…“ „Ich sagte, komm rein.“ Was war denn mit dem los? Schuldig tastete nach Crawfords Geist und zuckte vor dem Zorn zurück, der ihm entgegenschlug bevor Crawford sich abschirmte. Er verdrehte die Augen und betrat das Zimmer, die Tür nachlässig hinter sich zuschiebend. „Schließ die Tür richtig.“ Schuldig wurde unwirsch. Er trat dagegen und sie schnappte vernehmlich ins Schloss. Dann warf er sich in einen Sessel. Als er Crawfords Gesichtsausdruck sah, rutschte er jedoch bis an die Kante vor und setzte sich gerade hin. „Crawford, was ist denn los? Mach nicht so einen Auf…“ „Wer hat gesagt, dass du mit Balinese in die Kiste steigen sollst?“ Crawford schaffte es irgendwie, seine Stimme kühl und unbeteiligt klingen zu lassen. Schuldig stützte das Kinn auf die Faust und sah ihn nachdenklich an. Störte ihn das? Eine leise Hoffnung meldete sich. „Eifersüchtig, Braddie?“ „Es ist mir grundsätzlich egal, mit dem du dich vergnügst, Schuldig, sofern es nicht meine Pläne durchkreuzt. Und Balinese ist in diesem Fall wohl –nicht- der geeignetste, um eine Bettgeschichte anzufangen. Du hattest klare Vorgaben!“ Schuldig starrte auf den Boden. Vorgaben. Sicher. Brad und eifersüchtig. Lächerlich! Er sah auf. Brad sah ihn distanziert an und spielte mit seinem Kugelschreiber. Ganz Vorgesetzter, cool und unnahbar. „Ja, schon gut. Es war nur … es ist vorbei.“ Doch Crawford war nicht gewillt, es so auf sich beruhen zu lassen. Er hakte nach. „So. Na wenigstens etwas. Und? Hast du –irgend etwas- erreicht, außer ihn ins Bett zu bekommen?“ Schuldig wurde sauer. Sollte Crawford seinen Mist doch selber machen! „Keine Ahnung. Das werden wir sehen. Und jetzt geh ich schlafen, ich bin völlig alle.“ Er ging hinaus und schaffte es, die Tür des Büros leise hinter sich zu schließen. „Das glaube ich dir unbesehen!“ murmelte Crawford vor sich hin, während er die Tür anstarrte. /Es ist vorbei…/ Crawford biss die Zähne zusammen. Was hieß das jetzt? Schuldig würde nicht weitermachen? Oder nicht mehr mit Balinese ins Bett steigen? Es nervte ihn, dass er sich nicht von seinen Gefühlen frei machen konnte. Er konnte nicht ständig mit Schuldig streiten. Das war zu – belastend für die Arbeit. Kopfschüttelnd schaltete er den Computer aus. Er würde sich ebenfalls ins Bett legen. Schlafen. Schuldig vergessen. Aber wie konnte er ihn vergessen, wenn sein Herz beim Gedanken an ihn schneller schlug, wenn sein Magen sich zusammenzog bei der Vorstellung, was Balinese und er heute nachmittag gemacht hatten… „Es ist zu spät. Er wird nichts mehr von dir wollen. Das ist vorbei…“ Und es war besser so. War es das? *** Yohji, doch etwas aufgewühlt durch das Gespräch mit Ken, konnte nicht einschlafen. Er stand wieder auf und suchte eine CD heraus. Währenddessen ging Ken zu Aya in den Laden. „Aya, können wir mal reden?“ Dieser sah ihn misstrauisch an. „Reden? Worüber?“ „Yohji…“ „Da gibt es nichts zu reden.“ Ken ballte die Fäuste. „Mann, Aya! Siehst du denn nicht, dass es ihm mies geht? Die Stimmung hier wird immer schlechter, auch Omi leidet schon darunter! Sieh zu, dass du das langsam auf die Reihe kriegst! Was ist, wenn wir eine Mission bekommen? So kann doch keiner arbeiten!“ Aya kochte. Wieso versuchte jeder auf ihn einzureden, was –er- auf die Reihe kriegen sollte. Dabei hatte –er- doch gar nichts gemacht! „Der einzige der hier alles durcheinanderbringt ist ja wohl Kudou!“ sagte er kalt. Wie kam Ken dazu, so zu tun als ob das alles nun seine Schuld wäre. „Aber wenn es dich beruhigt, ich –werde- es auf die Reihe kriegen. Jetzt sofort!“ Er band die Schürze ab und warf sie auf den Tisch. Dann stieg er die Treppe hoch. Vor Yohjis Tür lauschte er einen Augenblick. Alles war ruhig. Aya holte tief Luft und klopfte. „Ja?“ Yohji saß in seinem Sessel und war gerade im Begriff gewesen, die Kopfhörer aufzusetzen, als es klopfte. Als Aya plötzlich vor ihm stand schluckte er. „Aya…“ „Wir müssen reden.“ Yohjis Herz begann schneller zu schlagen. Aya wollte reden! Konnte es sein… doch seine Hoffnung wurde gleich zunichte gemacht. „Lass es mich kurz machen. Ich bin dafür, alle persönlichen Streitereien beizulegen. Es behindert die Arbeit und gefährdet das Team. Weiterhin möchte ich dich bitten, alle weiteren Annäherungsversuche, falls du solche vorhast, zu unterlassen. Ich -weiß- dass du nicht wirklich etwas für mich empfindest, also kannst du dir die Mühe sparen. Ich…“ In Yohji stieg wieder einmal eine ohnmächtige Wut auf. Er erhob sich mit blitzenden Augen. „Ich fühle nichts für dich? Woher willst du das wissen? Mir geht es schon seit Wochen total schlecht, und ich denke pausenlos über dich nach. Ich träume sogar von dir! Und warum? Weil ich nichts für dich empfinde? Du bist derjenige, der mich immer wieder hat abblitzen lassen. Nach unserer einen, zugegeben sehr schönen Nacht hast du mich nicht mehr mit dem Arsch angesehen! Ich wollte…“ „DU! Du hattest doch nichts besseres zu tun, als dich bei der erstbesten Gelegenheit von Schuldig flachlegen zu lassen! Und das
-nicht- vor ‚unserer’ Nacht, wenn ich dich erinnern darf! Langsam erwiderte Yohji „Schu.. – Schuldig liebt mich. Oder hat es zumindest annähernd getan.“ Die Erinnerung an ihr letztes Gespräch stieg ungewollt und schmerzhaft in ihm auf. „Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, was ich empfinden sollte. Du warst so… kalt und abweisend, und er zeigte mir immer wieder, dass er mich wollte. Es stimmt. Ich war unfair. Ihm gegenüber. Ich wollte dich und habe mit ihm geschlafen… Ich habe ihn ausgenutzt, könnte man sagen. Aber es ist vorbei. Er hat es beendet.“ Ayas Stimme triefte vor Sarkasmus. „Armer Schuldig, nicht wahr? Obwohl er ein Telepath ist, wusste er nicht, dass du es nicht ernst meinst? Er tut mir echt leid. Für mich sieht es eher danach aus, dass er es sehr wohl wusste. Und es trotzdem mitgemacht hat. Er wollte es genauso wie du! Hast du eigentlich zwischendurch auch mal an meine Gefühle gedacht?“ Yohji ballte die Fäuste. „Gefühle! Woher sollte ich was von deinen Gefühlen wissen? Hast du mir jemals auch nur den kleinsten Hinweis gegeben? Hast du mir je gesagt, was du für mich empfindest? Dass du überhaupt Gefühle -hast-?“ „Ich war mit dir im Bett, schon vergessen?“ Man sah Aya an, was ihn dieser Satz kostete. „Ach ja. Das war also ein Beweis für deine Liebe, ja? Sex kann man aus so vielen Gründen, mit so vielen Leuten haben …“ Yohji stockte. Ayas Gesicht zeigte einen derartig hasserfüllten Ausdruck, dass er sich innerlich selbst eine verpasste. //Idiot! Natürlich war es für ihn ein Beweis seiner Liebe!// Schnell lenkte er ein. //Und wieder vergeigt… ich Idiot…// *** Es war der Tag vor dem ersten Advent. Noch dreieinhalb Wochen bis Weihnachten. Immer noch herrschte eine unterkühlte Stimmung im Koneko, obwohl Omi und Ken sich redlich bemühten, wenigstens etwas die Atmosphäre zu erhellen, indem Omi das Haus schmückte und Ken sogar Plätzchen für alle backte. Yohji ging Aya vollständig aus dem Weg und war, außer wenn Dienst hatte, kaum zu Hause und Aya zog sich in seiner Freizeit in sein Zimmer zurück und redete noch weniger als sonst. Auch heute war Yohji wieder ausgegangen. Ken und Omi saßen beim Tee in der Küche und unterhielten sich über belanglose Dinge, als Omi plötzlich mit der flachen Hand auf den Tisch haute. „Verdammt, es ist unerträglich hier, oder, Ken?“ Dieser nickte düster. „Man traut sich kaum noch, einen der beiden anzusprechen. Scheiss-Stimmung, und das so kurz vor Weihnachten.“ „Lass uns wenigstens über die Geschenke nachdenken. Vielleicht kriegen sie sich ja noch ein, bevor sie uns das ganze Weihnachtsfest versauen…“ In Omi blitzte eine Idee auf. „Ich rede noch mal mit Aya!“ „Bist du verrückt, Omi? Er wird dich rausschmeißen, wenn nicht schlimmeres!“ „Ach was, Aya mag mich!“ Damit verließ Omi zielstrebig die Küche, um in Ayas Zimmer zu gehen. „Wenn du meinst…“ Ken goss sich Tee nach. „Ruf mich, wenn er dir an die Gurgel geht.“ Yohjis Schilderung seiner handgreiflichen Auseinandersetzung mit Aya ging ihm im Kopf herum. Omi lachte nur und lief die Treppe hoch. „Halt!“ Omi blieb mitten auf der Treppe stehen. Manx stand im Laden, eine Videokassette in der Hand. Ken stöhnte innerlich. Schon wieder eine Mission! „Ich hole Aya, Yohji ist nicht da.“ Omi lief weiter nach oben. Musste er –seine- ‚Mission’ eben verschieben… -- Takehiko Hayashi ist ein Immobilienhai der Vorstadtwohngebiete aufkauft und modernisiert, um sie teuer zu verkaufen. Die dort lebenden Mieter werden unter Androhung und auch Anwendung von Gewalt aus ihren Wohnungen vertrieben. Seine Killer schreckten auch nicht davor zurück, einen ganzen Wohnblock auszurotten. Er und seine Killerbande müssen eliminiert werden. Weiße Jäger… -- Der Schirm wurde dunkel. „Dies ist eine Mission für euch alle vier. Es ist besonders gefährlich, da wir die Information haben, dass Schwarz Hayashi beschützt. Und seine Killer sind ebenso gut wie ihr, möchte ich sagen… ah, Balinese. Gut dass du kommst. Die neue Mission…“ „Habs mitbekommen. Ich mach da nicht mit.“ Damit ging Yohji zur Treppe. „Kudou!“ Ayas Stimme klang schneidend. Yohji beachtete ihn nicht. Omi lief ihm nach. „Yohji…“ „Ich sagte ich mache nicht mit!“ Kurz darauf fiel seine Zimmertür ins Schloss. Manx sah Aya und die beiden anderen kühl an. „Ich schlage vor, ihr bringt ihn zur Vernunft, sonst…“ Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Jeder der drei wusste, was dieses ‚sonst’ bedeutete. Ungehorsam bedeutete Tod. Yoji saß in schwarzer Stimmung in seinem dunklen Zimmer. Er hatte heute den Fehler begangen, in denselben Club zu gehen, in dem sein ‚Verhältnis’ mit Schuldig seinen Anfang genommen hatte. Sie hatten sich eine Woche nicht gesehen, und Yohji konnte nicht anders. Schuldig fehlte ihm. Und tatsächlich war Schuldig dort gewesen. Yohji gestand sich ein, dass er genau das gehofft hatte, doch Schuldig schien darüber nicht sehr froh gewesen zu sein. Es hatte sich im nachhinein zwar sogar als nützlich erwiesen, denn er hatte einen wichtigen Tipp von ihm bekommen. Trotzdem fühlte Yohji sich schrecklich. Sie hatten anfangs mehr oder weniger Smalltalk betrieben, aber Schuldig ohne seine üblichen Anspielungen und Neckereien. Sie wurden beide immer verkrampfter und je länger es dauerte, desto mieser wurde Yohjis Stimmung. Irgendwann hatte es ihm gereicht und er hatte Schuldigs Hand genommen. „Schu… lass dieses unverbindliche Geschwätz. Das bist nicht du…” //verdammt wir waren miteinander im Bett! Tu doch nicht so, als ob nichts gewesen wäre!// Schuldig hatte ihm die Hand entzogen und war aufgestanden. /Ich hasse Aufgewärmtes, Yohji./ Sein Gesicht war wie aus Stein. Yohji ahnte, dass das nur eiserne Selbstbeherrschung war, doch er ließ es auf sich beruhen. Schuldig hatte ihm dann noch kurz einen Hinweis zu eben der anstehenden Mission gegeben und war gegangen. Yohji hatte vergeblich auf sein übliches mentales ‚cya baby’ gewartet. Niedergeschlagen hatte er sich also auch auf den Heimweg gemacht. Er seufzte tief. Dann konzentrierte er sein Denken auf die Mission. Schwarz war in dieser Mission ihr Gegner und Schuldig hatte dringend davon abgeraten, dass Weiss den Auftrag ausführte. Crawford hatte je einen Verletzten bzw. Toten bei jedem von ihnen vorausgesehen. Schuldig bei Schwarz. Und derjenige den es bei Weiss traf war – er. Wie sollte er das Aya erklären? Lass uns nicht hingehen, sonst bringt Schwarz mich um, und wir Schuldig, er hat mich gewarnt? Er lachte bitter auf. Er konnte sich vorstellen, wie Aya reagieren würde. Er wusste, er würde mitmachen müssen. Kritiker würde nicht zimperlich mit ihm umspringen, falls er den Gehorsam verweigerte. In zwei Tagen… *** Am nächsten Tag meldete Yohji sich krank und blieb im Bett liegen. Er verweigerte das Essen und reagierte nicht auf Omis Klopfen und Rufen. Die Tür blieb verschlossen. Als ihm Omis Sorge anfing ein schlechtes Gewissen zu bereiten, setzte er Kopfhörer auf und drehte die Musik fast unerträglich laut. So lag er mit dem Schicksal hadernd auf dem Bett und verfluchte den Tag, an dem er zu Weiss gekommen war. Als zweites verfluchte er seine Liebe zu Aya, und als Drittes schließlich, dass er Schuldig nicht einfach vergessen konnte. Wenn es auch zwischen ihnen vorbei war, er wusste, er würde Schuldig nichts tun können… er machte sich Sorgen um ihn, und er glaubte, dass es umgekehrt genauso war. In einem leichten, von Hard-Rock-Rhythmen durchdröhnten Schlummer träumte er einen Traum voller Blut und schreckte schließlich schweißgebadet hoch. Die CD war zu Ende und er legte benommen den Kopfhörer beiseite. /Keine Angst Baby, es wird schon nichts passieren. Wenn ihr euch zurückhaltet …/ Noch ein mentales Streicheln, und die Präsenz war weg. „Schu?“ Nur ein Flüstern. Es kam keine Antwort. Hatte er sich das nur eingebildet? Doch es war vollkommen illusorisch anzunehmen, sie würden das Unternehmen abblasen. Aya würde die Mission auf jeden Fall durchführen. Er legte sich wieder hin und fiel trotz seiner Sorgen bald wieder in einen unruhigen Schlaf. Den folgenden Tag verbrachte Yohji abermals in seinem Zimmer. Er ging nicht in den Laden, ging aber auch nicht aus. Schuldig wollte er nicht wieder treffen, also wozu ausgehen? Mittags kam Omi um ihn zum Essen zu überreden. Yohji schüttelte nur den Kopf. „Omi, ich werde heute abend vielleicht sterben. War trotz allem eine schöne Zeit mit euch… denke ich.“ „Jeder von uns kann heute abend sterben, Yohji! – Wie immer.“ Yohji gab ihm darauf keine Antwort. Omi verließ verwirrt das Zimmer und ging zu Ken, um ihm von Yohjis Äußerung zu erzählen. Der sah ihn alarmiert an und ging seinerseits zu Aya. Dieser schnaubte nur verächtlich. „Ein Trick von diesem Schwarz-Telepathen um uns von unserer Mission abzuhalten.“ Ken sagte darauf nichts mehr. *** Vier schattenhafte Gestalten näherten sich dem Hayashi-Anwesen. Es war geplant, ihn im Schlaf zu eliminieren und seine Auftragsmörder in den folgenden Tagen nach und nach aufzuspüren. Die Auslöschung des Kopfes der Organisation hatte Vorrang. Die beiden Wachtposten und das Schloss waren keine Hürde für Omis Giftpfeile und Kens geschickte Finger, und sie drangen lautlos in die Villa des Immobilienhändlers ein. Ken und Omi hielten im Erdgeschoss Wache, während Aya und Yohji leise die Treppe hinaufschlichen. Yohji postierte sich hinter dem Bettkopf Hayashis, während Aya sich bereitmachte, ihn mit dem Katana zu durchbohren. Plötzlich ertönte ein hohes, dünnes Kichern. Es war ein leises, doch nervenzerfetzendes Geräusch. Yohji und Aya wussten sofort, zu wem es gehörte. Es war Farfarellos Kichern. Farfarellos Jagdlaut. Er war kurz davor, jemanden zu töten. Etwas blitzte auf und verfehlte Aya um Haaresbreite, da er dank seiner ausgezeichneten Reflexe ausgewichen war. Ein Knurren ertönte und Farfarello machte sich bereit, ein zweites Wurfmesser zu schleudern, als Hayashi aus dem Schlaf hochfuhr und erschrocken aufschrie. Yohji spannte seinen Draht und wollte ihn eben um Hayashis Hals zuziehen, als eine ruhige, kühle Stimme ertönte. „Das würde ich lieber lassen, Weiss!“ Es war Bradley Crawford, der die entsicherte Pistole auf Yohji richtete und Farfarello mit einer Handbewegung stoppte. „Verschwindet und lasst ihn in Ruhe, dann bin ich bereit, diese Sache hier auf sich beruhen zu lassen!“ Er wandte kurz den Kopf. „Schuldig, Nagi, kümmert euch um die beiden unten!“ Doch Omi und Ken hatten Hayashi schreien gehört und standen nun ebenfalls in dessen Schlafzimmer. Die Szene die sich ihnen bot war unwirklich. Hayashi der, Yohjis Draht noch locker um den Hals gelegt, mit schreckgeweiteten Augen und aufgerissenem Mund starr im Bett saß, Crawford, die Waffe auf Yohji gerichtet, Farfarello, bereit, ein weiteres Messer gegen Aya einzusetzen, Nagi und Schuldig, die abwartend am Fenster standen. Yohji zog plötzlich blitzschnell den Draht um Hayashis Hals zusammen und ließ sich zur Seite fallen. Crawford sah Hayashis Augen hervorquellen und wusste sofort was los war. Er setzte zum Schuss auf Yohji an und Aya hob sein Schwert. Plötzlich stieß Farfarello wieder dieses irre Kichern aus und warf sein Messer. Aya wollte es mit dem Schwert beiseite schlagen, doch es blieb in seinem Arm stecken. Mit erhobenem Katana und einem Wutschrei stürzte er sich auf Farfarello. Crawford schwenkte die Waffe herum und zielte auf Aya. Yohji starrte ihn an. War doch Aya das Todesopfer bei Weiss? In Sekundenbruchteilen realisierte er, dass Crawford tatsächlich schießen wollte, und er warf sich vorwärts und auf Crawford, um ihm die Waffe zu entreißen. In diesem Moment drückte Crawford ab. Yohji spürte einen dumpfen Schlag in der Brust und verlor augenblicklich die Kraft in den Beinen. Er knickte ein und knallte, das Gesicht voran, auf den Boden. Das nächste was er wahrnahm war Schuldigs Stimme in seinem Kopf. /YOHJI… / Er hob mühsam den Kopf und sah wie dieser auf ihn zusprang, und aus dem Augenwinkel, wie Omi seine Armbrust hob. „O.. mi….. - nicht….!“ Doch dieser hatte bereits ausgelöst. Schuldig zog einen Pfeil aus seiner Magengegend und schüttelte fassungslos den Kopf. Dann brach er ohne einen Laut zusammen. Yohji schloss die Augen. Er hatte starke Schmerzen und fühlte, wie das Blut aus seiner Wunde pulste und er benommen wurde. Verzweifelt versuchte er, Schuldig mental zu erreichen. //Schu… Schu…?// Dünn und irgendwie –schwindend- ertönte die Stimme des Schwarz-Killers in seinem Kopf. /Du hast Aya … das Leben gerettet. Nun … sieh zu… dass … du auch lebst. Machs gut, … Baby … nicht traurig sein/ Dann wurde es still in seinem Kopf. Still und leer. //Schu?..SCHU!!!// Verzweiflung wallte in ihm auf, und er wollte schreien, doch schließlich machte sich der Blutverlust bemerkbar. Yohji verlor das Bewusstsein. Crawford hielt immer noch die Waffe auf Aya gerichtet. Er sah auf die Leiche Hayashis, dann sah er sich im Zimmer um. Er steckte die Waffe ein. „Wir können uns jetzt hier gegenseitig umbringen, oder aber uns um unsere Verletzten kümmern. Das letztere halte ich für effektiver!“ Er beugte sich zu Schuldig herunter und hob ihn mit Leichtigkeit hoch. Er winkte Farfarello und Nagi, ihm zu folgen, ging an Ken und Omi vorbei und verließ das Zimmer. Omi eilte zu Yohji hinüber und fühlte seinen Puls. „Er lebt noch!“ Er beugte sich zu Yohji hinunter, doch Aya schob ihn wortlos beiseite und hob Yohji, etwas weniger leicht als Crawford Schuldig aufgehoben hatte, auf seine Arme. Sie verließen die Villa etwas langsamer, doch ebenso lautlos wie sie gekommen waren. *** Crawford hatte Schuldig behutsam auf den Rücksitz gelegt. Dann zog er ein Etui aus der Jackentasche und entnahm ihm eine Spritze und eine Ampulle. Er brach die Spitze ab und zog das Serum auf. Während er Schu die Injektion verabreichte betete er innerlich, dass es wirklich noch früh genug war. Farfarello saß mit ausdrucksloser Miene auf dem Beifahrersitz, während Nagi auf dem Rücksitz neben Schuldig saß und Crawford besorgt zusah. „Was ist das?“ „Gegengift“ lautete die knappe Antwort. Crawford ärgerte sich, dass er es nicht vor den Weiss Leuten schon angewendet hatte, doch er hatte das Bedürfnis gehabt, Schuldig so schnell wie möglich dort wegzubringen… „Schuldig muss trotzdem ins Krankenhaus.“ Er stieg aus und setzte sich hinter das Steuer, um dann den Wagen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die nächtlichen Straßen zu lenken. „Hey, Crawford, es bringt nichts, wenn wir alle an einem Laternenmast enden!“ murrte Nagi, der auf dem Rücksitz alle Hände voll zu tun hatte, Schuldig am herunterrutschen zu hindern. Crawford befand dies keiner Antwort für würdig, nur Farfarello lachte leise. Crawford hatte vor Schuldig im gleichen Krankenhaus unterzubringen, in das auch Yohji kommen würde. Er sah dies voraus, da es jedoch das am schnellsten zu erreichende war, nahm er diesen Umstand in Kauf. Er stellte den Wagen hinter das Haus und wies Nagi an, einen Pfleger mit fahrbarer Trage zu holen. Dann fesselte er Farfarello sicherheitshalber mit Handschellen an das Lenkrad. Der Gedanke an die vielen Skalpelle und anderen scharfen und spitzen Instrumente in einem Krankenhaus ließ ihn diese Vorsichtsmaßnahme für sinnvoll erachten. Farfarello ließ es wortlos geschehen. Nagi kam mit zwei Pflegern zurück, die Schuldig auf die Trage legten und sofort in ein Behandlungszimmer fuhren. In diesem Moment sah Nagi die Weiss-Leute vorfahren und zischte Crawford eine Warnung zu. „Bleib mit Farfarello hier, bis ich zurück bin!“ wies dieser ihn an und lief den Pflegern rasch nach. Nagi warf sich auf den Fahrersitz. „Das könnte dir so passen! Wie lange soll ich denn warten? Ich will ins Bett!“ Er öffnete Farfarellos Handschellen mit seinen Kräften und startete den Wagen auf die gleiche Weise. Dann fuhr er mit seinem Teamkollegen nach Hause. Der Arzt in der Notaufnahme hatte Schuldig untersucht und sich von Crawford das Gift und Gegengift nennen lassen. „Das war schnelle Hilfe, Mr. ?“ Er bekam natürlich keine Antwort. „Darf man fragen…“ „Man darf nicht.“ Crawfords Tonfall und Gesichtsausdruck ließen den Mann verstummen. „Der Patient muss zur Beobachtung hierbleiben, es kann immer noch ein Kreislaufkollaps eintreten. Ich habe ihm eine Beruhigungsspritze gegeben, also wird er mindestens bis morgen schlafen. Sollte eine Krise eintreten, werden wir Sie benachrichti… „Ich bleibe hier.“ Crawford ließ keinen Zweifel daran, dass er keinen Widerspruch dulden würde. Der Arzt zuckte die Schultern. „Wie sie meinen.“ „Ich bin gleich zurück.“ Crawford ging um Nagi zu sagen, dass er nach Hause fahren sollte, doch das Auto war bereits fort. „Hm. Ich hatte ihm doch befohlen, zu warten…“ doch er beschloss, Nagi diese Eigenmächtigkeit nicht nachzutragen. Der Arzt führte Crawford zu Schuldigs Zimmer und ließ ihn allein. Dieser setzte sich ans Bett. Schuldigs Gesicht sah aus, als ob er nur kurz eingeschlafen wäre, doch die Apparate und Schläuche erzählten eine andere Geschichte. Sein Herzschlag wurde überwacht und eine Infusion hing über dem Bett. Sicher ein Herz-Kreislauf-Stärkungsmittel. Crawford sah ihn lange an. Er hatte doch gewusst was passieren würde. Warum hatte er dann die Mission nicht abgeblasen? Er schüttelte den Kopf. Weil es nicht möglich war… wirklich nicht? Er konnte nur hoffen, dass er damit nicht den größten Fehler seines Lebens gemacht hatte. Doch eigentlich hatte er den ja schon damals gemacht… damals, als er die Beziehung mit Schuldig beendet hatte… Er stützte den Kopf in beide Hände und bereitete sich auf eine lange Nachtwache vor. *** Sie hatten Yohji auf die Ladefläche des Blumenlieferwagens gelegt und ins Krankenhaus gefahren. In der Notaufnahme blieb Aya bei ihm, und erzählte etwas von einem Überfall. Ken hatte Omi nach Hause gebracht, der arme Kerl war im Auto schluchzend zusammengebrochen und hatte sich zunächst geweigert, mit ihm mitzufahren. Doch sie hatten ihn mit sanfter Gewalt im Auto gehalten. Ken hatte Aya gefragt, ob lieber er bei Yohji bleiben sollte, doch Aya hatte nur stumm den Kopf geschüttelt. Man hatte in einer Not-Operation das Projektil aus Yohjis Brustmuskel entfernt. Die Wunde hatte stark geblutet, was zu der Hoffnung Anlass gab, dass sie sich nicht entzünden würde. Nach der Operation kam ein Arzt zu Aya. „Das war Glück! Ein wenig höher hätte die Kugel eines der großen Gefäße unter dem Schlüsselbein zerfetzt, und dann hätte ihr Freund noch eine Minute zu leben gehabt… ein wenig tiefer, und er hätte sie ins Herz bekommen, dann wäre er sofort tot gewesen.“ Aya schluckte. „Kann ich… zu ihm?“ Der Arzt sah ihn nachdenklich an. „Er liegt noch unter Narkose. Er wird nichts davon mitbekommen, dass Sie da sind.“ „Das ist mir egal…“ flüsterte Aya. Der Arzt nickte. „Das dachte ich mir. Sie sind sein Partner, ne? Ich meine… Sie lieben ihn, oder?“ „Wieso fragen Sie mich das?“ Aya sah ihn verstört an. „Diesen Blick, den Sie gerade drauf haben, sehe ich nur bei: Eltern, Ehefrauen, Ehemännern, und eben – Geliebten. Glauben Sie mir. Nach so vielen Jahren Dienst in der Notaufnahme sehen Sie sowas auf Anhieb.“ Er nickte Aya freundlich zu. „Es wird ein wenig dauern, aber er wird wieder gesund!“ „Wie… lang-?“ Ayas Stimme brach. Was der Arzt gerade gesagt hatte, stürzte seine Gefühle ins Chaos. Die sorgfältig errichtete Mauer zerbröckelte. Einfacher und doch so präzise hätte man es nicht ausdrücken können. ‚Sie lieben ihn, oder?’ „Wenn alles gut verläuft kann er in zwei bis zweieinhalb Wochen entlassen werden“ sagte der Arzt und führte Aya zur Intensivstation. Yohji lag in einem Einzelzimmer, an Apparaten und Schläuchen und mit einem Herzmonitor am Bett. Aya zuckte zusammen. Der Anblick erinnerte ihn schmerzhaft an Aya-chan. Der Arzt verließ leise das Zimmer und Aya zog sich einen Stuhl an das Bett. Yohji schlief noch einen tiefen Narkoseschlaf. Seine Brust zierte ein breiter Verband, seine Haare hatte eine Krankenschwester aus der Stirn gestrichen und mit einem Band zusammengefasst. Er war sehr blass und hatte blaue Schatten unter den Augen. Aya starrte lange auf Yohjis Gesicht, das ohne die gewohnte weiche Umrahmung von blonden, welligen Haaren seltsam lang und streng aussah. Am liebsten hätte er ihm die Haare wieder um das Gesicht gewuschelt. „Yohji“ murmelte er. Er widerstand dem Verlangen, sich zu ihm zu beugen und ihn in die Arme zu nehmen. Er wusste, wenn er jetzt seine Gefühle zulassen würde, wäre er nie mehr in der Lage, Yohji abzuweisen. Der Arzt hatte recht. Er liebte Yohji. Er wollte dass er gesund wurde. Aber in einem lag der Arzt falsch. Aya wollte nicht mit Yohji zusammen sein. Yohji war ein Frauentyp. Schon immer gewesen. Zahllose Techtelmechtel und gebrochene Mädchenherzen lagen hinter ihm Weg. Warum sollte das anders werden, nur weil er, Aya ihn liebte? Er hatte einen Fehler gemacht, als er sich diese leidenschaftliche Nacht mit Yohji gestattete. Er wollte nicht, dass sein Herz sich in die lange Reihe einfügte und – er wollte Yohji nicht hassen… Der Spruch mit der Trophäe in der Sammlung hatte ziemlich exakt ausgesagt, wie er empfand. Dass Yohji noch zweimal einen Versuch gestartet hatte, Aya zu überzeugen, schob dieser einfach beiseite. Das konnte auch verletzte Eitelkeit gewesen sein, oder Ehrgeiz... /Yohji hat mir das Leben gerettet/ Aya stöhnte, als ihn dieser Gedanke durchzuckte. Er wäre fast für ihn –gestorben-. Weil er nicht auf die Warnung gehört hatte? Ruckartig stand er auf. Schuldgefühle, hoffnungslose Liebe, Angst und Trauer vermengten sich zu einem gefährlichen, explosiven Gemisch. Er musste hier raus, bevor er einen Wutanfall bekommen würde. Er strich Yohji über die Stirn und bemerkte unwillig, dass seine Hand stark zitterte. „Ich liebe dich.“ Es war fast unhörbar, als er es flüsterte. Dann verließ er ohne zurückzublicken das Zimmer. *** Kurz vor dem Morgengrauen schreckte Crawford hoch. Er war auf dem Stuhl eingeschlafen und völlig verspannt und ausgekühlt. Er warf einen Blick auf Schuldig, der ruhig dalag. Zu ruhig… hastig beugte er sich über ihn, dann lehnte er sich aufatmend zurück. Alles in Ordnung, er schlief. Leise stand er auf und nahm seinen Mantel. Nach einem letzten Blick verließ er das Zimmer und die Station, unter dem mitleidigen Blick der Nachtschwester. /Sicher ein naher Verwandter, er sieht so besorgt aus.../ dachte diese und ging, um nach dem Patienten zu sehen. *** Yohji wachte erst am frühen Nachmittag auf und wunderte sich zunächst, warum er sich so schlecht fühlte. Er sah an die fremde Zimmerdecke um und fragte sich, mit wem er bloß mitgegangen war… dann fiel ihm die vorherige Nacht wieder ein. Er tastete nach seiner Brust und fühlte den Verband. Keine Schmerzen… logisch, wahrscheinlich hatten sie ihn mit einem Mittel dagegen vollgepumpt. //Muss knapp gewesen sein, diesmal…// dachte er, halb belustigt. Mitten in diesen Gedanken schoss plötzlich das Bild, wie Schuldig zusammengebrochen war. Und die Erinnerung an das, was er ihm übermittelt hatte, bevor es in Yohjis Kopf so schrecklich still und leer geworden war… Nein! Schuldig war nicht tot! Yohji ballte die Fäuste. Das konnte doch nicht sein! Sicher, er war von einem von Omis Pfeilen getroffen worden, aber es bestand immer noch die Möglichkeit, dass es nur Betäubungsmittel gewesen war… oder… etwa nicht? /Aya lebt, sie zu, dass du auch lebst… nicht traurig sein../ verdammt, sein Wörterbuch lag zu Hause im Nachtkasten. Warum sollte er es auch auf einer Mission dabei haben? /sie zu, dass du auch lebst…/ Yohji merkte erst an dem salzigen Geschmack auf seinen Lippen, dass er weinte. Als er sich dessen bewusst wurde, lachte er bitter auf. Um ihn würde sicherlich niemand weinen … am wenigsten Aya. Wo war denn irgendeiner von seinen Teamkameraden? Ein leises Klopfen riss ihn aus seinem Selbstmitleid. Gespannt blickte er zur Tür. Sie öffnete sich ein Stück und Kens schaute in das Zimmer. „Ah, du bist wach, ich hole den Arzt…“ „Warte, Ken.“ Der blieb stehen. „Aber…“ „Wer hat mich hier eingeliefert, du?“ „Nein – Aya… aber…“ „Und wo ist Aya?“ Betreten sah Ken auf den Boden. „Im Koneko… er konnte nicht, weil er … war beschäftigt, und ich habe frei“ schloss er etwas lahm. Yohji nickte. „Schon klar.“ „Yohji…“ „Es ist o.k., die Pflicht geht vor.“ Yohji konnte nicht ganz verhindern, dass seine Stimme ätzend klang. „Es gab sicher massenhaft Blumensträuße zu binden.“ „Yohji, es…“ „Was ist mit Schuldig? Weißt du was?“ Ken sah ihn unbehaglich an. Diese Frage hatte er befürchtet. „Yohji… ich fürchte.., ich meine, Omi hat doch Gift… Yohji…“ Die Endgültigkeit dieser Aussage gab Yohjis Selbstbeherrschung den Rest. Er gab einen erstickten Laut von sich und schlug die Hände vors Gesicht. Tränen strömten über seine Wangen. „Lass… mich.. bitte…“ ‚allein’ wollte er noch sagen, doch Ken war schon bei ihm und hatte ihn im Arm. „Yohji!“ sagte er sanft, „es tut mir leid. Du hattest ja nicht mitmachen wollen, wusstest du…“ Yohji nickte. „Auch das von dir?“ Wieder ein Nicken. „Das ist…“ Yohji schüttelte den Kopf. „Lass gut sein Ken. Es ist nicht mehr zu ändern. Ich habe nur eine Bitte: In meinem Zimmer im Nachtkasten ist ein kleines Wörterbuch. Bring mir das bitte das nächste Mal mit… und jetzt… bitte lass mich allein, ja?“ Ken nickte und stand auf. In diesem Moment öffnete sich die Tür und der Arzt kam herein. „Meine Schicht ist vorbei, da wollte ich doch noch einmal nach meinem Patienten sehen“ er lächelte. Ken verabschiedete sich und verließ das Zimmer. Auf dem Heimweg beschloss er, Aya dazu zu überreden, am Nachmittag zu Yohji ins Krankenhaus zu gehen. Das Wörterbuch würde er ihm allerdings lieber nicht mitgeben… *** Brad Crawford parkte gerade sein Auto vor dem Krankenhaus, als Ken dieses verließ. Perfektes Timing. Wie immer. Er nickte zufrieden. Sobald das Blumenauto weggefahren war, stieg er aus und ging hinein. Bewundernde Blicke folgten dem schwarzhaarigen Mann, der sich mit lässiger Eleganz durch die Halle bewegte. Er beachtete sie nicht. Eitelkeit zählte nicht zu seinen schlechten Eigenschaften. Zu uneffektiv. Schuldig war da schon eher ein Kandidat… fast hätte Crawford gelächelt. Doch dann beschlich ihn ein mulmiges Gefühl. Schon gestern hatte er sich nicht wohl gefühlt, als er an Schuldigs Bett gesessen hatte, und heute… würde dieser wahrscheinlich wach sein. Er erreichte die Intensivstation und bekam einen Schock. Das Bett, in dem er Schuldig heute morgen zurückgelassen hatte, war leer. Verd… wieso hatte er das nicht gesehen? War Schuldig etwa… Eine Schwester kam auf ihn zu. „Sie wollen zu dem Patienten mit der Vergiftung? Er liegt auf der Wachstation, er ist soweit stabil. Bitte folgen Sie mir.“ Erleichtert tat Crawford wie ihm geheißen. Die Schwester führte ihn zu einem Zimmer und entfernte sich mit einem Lächeln. Crawford zögerte einen langen Moment, dann klopfte er. Es kam keine Antwort. Er öffnete die Tür und sah in das Zimmer. Schuldig lag auf der Seite und wandte ihm den Rücken zu. „Was ist denn nun schon wieder! Ich möchte bitte endlich in Ruhe gelassen werden…“ Dann fuhr er herum. „Brad… uff…“ er fasste sich an den Kopf. „Nicht gut für den Kreislauf, das!“ murmelte er verdrossen. Crawford musste nun doch leicht grinsen, unterdrückte es jedoch eisern. Das war Schuldig! Typisch für ihn, dass er unleidlich wurde, wenn es ihm schlecht ging. Das kannte er zur Genüge von dessen diversen verkaterten Sonntagen … Er riss sich zusammen und setzte sich auf den Stuhl, der am Bett stand. „Hallo!“ „Hallo.“ Ein Blick aus smaragdgrünen Augen. Brad sah Schuldig aufmerksam an. Sie wirkten müde und traurig, diese Augen. Keine goldenen Funken … er erinnerte sich daran, wie Schuldig ihn immer mutwillig angefunkelt hatte, wenn er ihn anmachen wollte. Crawford hatte den Sex mit Schuldig immer sehr genossen, konnte es ihm gegenüber aber nie eingestehen, also tat er immer so, als ob Schu ihn erst überreden müsste. Und es war ihm noch jedesmal gelungen… „… man ja wohl als totalen Reinfall bezeichnen, was, Braddie-Baby?“ Erschrocken sah dieser Schuldig an. Was dachte er hier eigentlich? Und was zum Kuckuck hatte Schuldig da gerade gesagt? Reinfall. Ja, das war es gewesen. Und es war zum Teufel noch mal seine Schuld! „Es tut mir leid, Schu..ldig“ beeilte er sich, den Namen vollständig auszusprechen. Schuldig hatte es wohl nicht bemerkt, denn er verzog nur das Gesicht. „Leid – pah. Ich habs ja überlebt, und Yo..“ er stockte. War er noch normal, vor Brad diesen Namen nennen zu wollen? Er wusste das Yohji auch hier in diesem Krankenhaus lag, und dass er halbwegs ausser Gefahr war. Es tat ihm leid, dass dieser so um ihn trauerte, aber er wollte ihn im Moment nicht sehen. Es war… er wusste eigentlich selber nicht, was es war. Sicher, irgendwie musste Yohji erfahren, dass er noch lebte. Nur nicht jetzt von ihm. Crawford sah ihn an. „Balinese ist hier. Es geht ihm den Umständen entsprechend, und er wird wieder gesund. Ebenso wie du!“ Schuldig nickte. „Ich weiß.“ Brad lächelte knapp. „Natürlich. Es… -ich- freue mich, dass du es überlebt hast, Schuldig.“ „Klar, ein Telepath ist sehr effizient im Team, nicht wahr?“ grinste Schuldig. Crawford presste die Lippen zusammen. „So ist es.“ Schuldig würde ihm –nicht- verzeihen, dass er die Beziehung beendet hatte. Warum sollte er auch? Beziehungsweise, seitdem er Yohji regelmäßig getroffen hatte, und Crawford -wusste- schließlich was bei diesen Treffen zwischen den beiden gewesen war, hatte Schuldig seine Gesellschaft noch offensichtlicher gemieden als gleich nach ihrer Trennung. Er stand auf. „Ich muss gehen. Morgen komme ich wieder vorbei.“ „Brauchst du nicht. Ich komme schon klar.“ Schuldig schloss die Augen. Crawford stand schon fast im Flur, als er antwortete. „Sicher. Bis morgen.“ Er schloss leise die Tür und ging zu seinem Auto. Auf der Heimfahrt schüttelte er über sich selbst den Kopf. Schuldig hatte ihn doch quasi ausgeladen! Er wollte doch gar nicht, dass er wiederkam. Wieso um alles in der Welt hatte er dann ‚bis morgen’ gesagt? //Weil du es so willst.// Crawford atmete tief ein. So war es. Weil er es wollte. *** Ken betrat den Laden in der Hoffnung, Aya alleine zu erwischen. Doch er fand nur Omi vor, der mit trauriger Miene an der Kasse saß. „Wo ist Aya?“ „Keine Ahnung, er fuhr vorhin weg, ohne mir zu sagen, wohin.“ Ken ging zu Omi und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Nimms leicht, Omittchi, das wird schon wieder.“ Dieser sah ihn deprimiert an. „Meinst du wirklich?“ Ken nickte, obwohl ihm selber nicht ganz wohl war. Aya konnte schrecklich stur sein, und Yohji war enttäuscht und verletzt. Es sah nicht gut aus… Dann begann der Ansturm der Kundschaft, die wie meistens aus vielen jungen Mädchen bestand. „Wo ist Yohji?“ fragten viele, manche verschämt und schüchtern, andere offen und schelmisch. Ken murmelte etwas von ‚verhindert’ und ‚nicht da’, was von den Mädchen lautstark bedauert wurde. Als der Laden wieder leer war, ließ er sich auf einen Stuhl fallen. „Yohjis Fanclub ist echt anstrengend!“ stöhnte er. „Ein Grund mehr, zu hoffen, dass er bald wieder da ist!“ meinte Omi. „Nicht wahr, Aya?“ Dieser hatte gerade den Laden betreten und den letzten Satz von Ken noch gehört. „Ich hoffe, er ist bald wieder gesund“ sagte er kurz und ging die Treppe hoch. „Yo, Aya, deine Anteilnahme ist wirklich überwältigend!“ rief Ken ihm erbost nach. Oben knallte eine Tür. Omi und Ken sahen sich an, und Omi zuckte die Schultern. „Soviel zu ‚das wird schon wieder.’ Ken nickte düster. Da kamen schwere Zeiten auf sie beide zu… und in drei Wochen war Weihnachten… tolle Aussichten. Die Nachmittagsschicht im Laden teilte sich Ken mit Omi, da Aya anscheinend nicht die Absicht hatte, aus seinem Zimmer zu kommen. So langsam ging Ken dessen Getue auf die Nerven. Er benahm sich wie eine beleidigte, sitzengelassene Braut. *** Schuldig lag seit dem Frühstück in seinem Bett und wartete. /Bis morgen… er hat ‚bis morgen’ gesagt./ Seit er wachgeworden war, lag er da und starrte die Tür an. /Und wenn er nun nicht kommt? Er hat sicher wieder irgendwas extrem wichtiges zu tun… / ein Seufzer. Dann: /er wollte gestern fast einmal ‚Schu’ sagen…/ Es klopfte. Schnell schloss Schuldig die Augen. Die Tür öffnete sich und eine Schwester huschte mit Wäsche herein. Schuldig war frustiert. Aus Rache vermittelte er ihr, dass sie sofort und unbedingt dringendst die Toilette aufsuchen musste, worauf die Schwester eiligst die Wäsche auf den nächstbesten Stuhl knallte und zur Tür stürzte, wo sie fast Brad Crawford über den Haufen rannte, der gerade eintrat und ihm auch noch heftig auf den Fuß trat. „Hoppla.“ meinte dieser nur missvergügt und rieb sich den schmerzenden Fuß. Die Schwester, immer noch mit dem Gefühl, jetzt aber wirklich -sofort- zur Toilette zu müssen, eilte mit einer gehauchten Entschuldigung von dannen. Schuldig kicherte. „Immer funktioniert deine seherische Gabe aber auch nicht, Braddie!“ Crawford freute sich fast, dass Schuldig wieder anfing, ihn zu veralbern. Ein Abglanz des Grinsens, dass ihn sonst immer so auf die Palme brachte, huschte gerade über das Gesicht des Telepathen. Doch genauso schnell war es wieder weg. Sicherlich wegen… Balinese. Und er hatte ihn niedergeschossen. Crawford schluckte und riss sich zusammen. „Wie geht es dir?“ „Furchtbar. Ich will raus hier.“ „Keine Chance. Du musst noch hierbleiben, bis du wieder richtig fit bist.“ Er stellte eine Tasche auf den Boden. „Wäsche, Zeitschriften, CD-Player und CDs“ zählte er knapp auf. „Reicht für mehrere Tage, und solange bleibst du noch hier!“ Er ließ sich auf den Stuhl sinken. Das konnte heiter werden. Schuldig wurde ungeduldig. Ungeduld war quasi sein zweiter Name… ‚Ja, klar, halbkrank bin ich unnütz. Darum soll ich hierbleiben.“ Crawford schloss genervt die Augen. Am liebsten hätte er Schuldig durchgeschüttelt und ihn angefaucht /Nein du Idiot, weil ich mir Sorgen mache./ Eine Vision kam ihm in den Sinn, die ihn ziemlich runtergezogen hatte. Schuldig saß an Balineses Bett und hielt diesen eng an sich gedrückt. Dies würde an Schuldigs Entlassungstag stattfinden. Die Situation war eindeutig gewesen… An Schuldigs Gesicht sah er, dass sein Mienenspiel wohl seine Gedanken widerspiegelte. Peinlich berührt stand Crawford auf. „Also, halt weiter die Ohren steif. Ich werde wieder los….“ Er hatte schon die Türklinke in der Hand, als Schuldig ihn aufhielt. „Bitte, Brad…“ Er ließ die Türklinke los und drehte sich um. „Brauchst du noch etwas?“ //Dich.// Schuldig konnte den Gedanken gerade noch vor Crawford abschirmen. „Wie lange muss ich noch hierbleiben? Diese ganzen Kranken und Sterbenden hier… ihre Gedanken machen mich fertig.“ Crawford kam zurück und setzte sich wieder auf den Stuhl neben dem Bett. /Und dass Balinese fast nebenan liegt und du nicht hinkannst./ Crawford konnte sich nicht gegen diesen bitteren Gedanken wehren. „Zwei Tage, etwa. Kann ich dir noch irgendwas anderes bringen, zur Ablenkung… oder…“ Schuldig schaute von ihm weg. //Du weißt es doch, Crawford. Tu nicht so…“// Immer wollte dieser so schnell wie möglich wieder weg. Immer nur das Notwendigste… Schuldig brachte es nicht über sich, Crawfords Gedanken zu lesen. Zu sehen, dass dieser im Geiste schon wieder bei seiner Arbeit war… Crawford sah ihn unsicher an. Schuldig wirkte so anders als am Tag zuvor. Als wollte er… wollte… dass er dablieb? Crawford stützte sich mit den Händen auf dem Bett ab und sah auf Schuldigs Hinterkopf, die langen, seidigen, jetzt leicht verstrubbelten Haare... Am liebsten würde er ihn streicheln… doch das war vorbei. Er hatte Schuldig damals zu sehr verletzt. Und – er fürchtete auch seinen Spott, wenn er jetzt anfing, Gefühle zu zeigen. Ein verächtliches Geräusch entfloh ihm. Er, Brad Crawford, fürchtete jemanden! Auf das Geräusch hin drehte Schuldig sich wieder zu ihm. „Ich nerve dich stimmts? Geh, du hast sicher zu arbeiten, und ich muss schlafen!“ er bemühte sich, es nicht allzu bitter klingen zu lassen, doch er war den Tränen nahe und er hasste sich für diese Schwäche. Crawford sollte auf keinen Fall sehen, dass er weinte. Niemals! Crawford schüttelte den Kopf. „Du nervst mich nicht, Schuldig. Aber in einem hast du Recht, du brauchst Ruhe. Ich komme morgen wieder. Nagi hat Schule, und … naja, wir lassen Farfarello lieber aus einem Krankenhaus heraus, nicht war?“ Schuldig grinste. Die Vorstellung, was der Ire in einer Klinik anstellen konnte, amüsierte ihn irgendwie. Dann wurde sein Blick wieder düster. Crawford sah es. Er bezog es auf Schuldigs Sorge um Yohji und sagte schnell: „Balinese wird wieder gesund, er ist eine Pferdenatur.“ //Das ist zwar schön, aber im Moment nicht mein eigentliches Problem.// Schuldig nickte. „Gut…“ „Schuldig, es tut mir wirklich leid, dass das passiert ist. Ich hätte…“ „Vergiss es. Wir leben ja noch.“ Crawford verzog das Gesicht. Schuldig hatte den Satz leichthin gesprochen, ohne zu ahnen, was er in Crawford auslöste. Frustriert stand dieser auf. Eifersucht wallte in ihm auf. –Wir- leben noch. Das bezog Yohji auf eine Art und Weise ein, die ihm weh tat. /Das wars dann, Brad Crawford. Du liebst ihn, aber er will nichts mehr von dir, und du bist alleine daran schuld./ Er starrte auf den Boden, deshalb entging ihm der ungläubige Blick Schuldigs, der Crawfords Gesichtsausdruck gesehen hatte und nun doch seine Gedanken las. „Brad.“ „Hm?“ „Schon wieder weglaufen?“ „Ich laufe nicht ….“ /Bleib bitte hier./ Brad setzte sich zögernd, diesmal auf das Bett. Er beugte sich zu Schuldig herab und sah ihm in die Augen. „Ich bin -wirklich- froh, dass du noch lebst, Schuldig.“ „Ich liebe dich auch noch, Brad.“ Darauf fiel Crawford keine adäquate Erwiderung ein, also beugte er sich weiter hinunter und küsste ihn. /Schu… / /Ich weiß./ *** Ken stand unschlüssig in Yohjis Zimmer, das Wörterbuch in seiner Hand. Deutsch-japanisch… eigentlich wollte er Aya überreden, zu Yohji ins Krankenhaus zu gehen. Yohji hatte ihn aber um das Buch gebeten, und Aya konnte er es auf keinen Fall mitgeben. Er beschloss, dass es wichtiger war, dass Aya Yohji besuchte und steckte das Büchlein in seine Tasche. Dann ging er an Ayas Tür klopfen. „Ja.“ Ken trat ein. Aya war dabei, sein Schwert zu polieren und sah nicht auf. „Was ist, Ken?“ „Ich wollte in die Klinik fahren.“ „Tu das. Schönen Gruß.“ „Aya…“ „Was ist denn?“ Aya hielt nun doch inne. Ken sah ihn bittend an. „Komm doch mit!“ „Ich habe keine Zeit. Ich habe gleich Dienst im Laden.“ „Dann fahr du, ich vertrete dich.“ „Ken… ich…“ „Du willst nicht, richtig?“ Aya schüttelte den Kopf und sah auf sein Schwert. „Es… ist besser so.“ Ken gab es auf. Was sollte er auch noch sagen? Er verließ Ayas Zimmer ohne weitere Worte und fuhr ins Krankenhaus. Auf dem Weg zu Yohjis Zimmer überlegte er krampfhaft was er zu ihm sagen sollte, doch es erwies sich als unnötig. „Hast du das Wörterbuch?“ war die Begrüßung, als er das Zimmer betrat. Wortlos reichte er es Yohji hin. Der blätterte hastig vor und zurück, er brauchte eine ganze Weile, bis er gefunden hatte, was er suchte. –Das- also hatte Schuldig zu ihm gesagt, ‚nicht traurig sein’… Er –war- aber traurig. Schuldig war ihm nicht egal. Er liebte ihn nicht so wie Aya, aber er mochte ihn sehr. Und nun… ihm kamen die Tränen. Sie mit dem Ärmel wegwischend fragte er sich, seit wann er so nah am Wasser gebaut war. Sicher die Medikamente… Ken sah ihn mitleidig an. Er wusste nicht, was Yohji nachgeschaut hatte, aber es war ihm nahe gegangen. „Yohji…“ Dieser schniefte und schüttelte den Kopf. „Lass gut sein, Ken, es geht schon wieder.“ Ken ließ es dabei. Anschließend unterhielten sie sich noch über Belanglosigkeiten, bis Ken sich schließlich verabschiedete und ging. Er bestellte noch den Gruß von Aya, dann war er weg. Yohji lag auf dem Rücken und starrte die Decke an. „Schönen Gruß! Vielen Dank auch!“ Ein verächtliches Lächeln kräuselte seine Lippen. Er hatte nichts gesagt, aber eigentlich hatte er gehofft, dass Aya heute mitkommen würde. Er musste zugeben, er war enttäuscht. Er sagte sich, dass das dumm war, dass er zuviel erwartete, aber er konnte nicht anders. Es tat so verdammt weh… *** Schuldig zog sich an und packte seine Sachen zusammen. Er wurde heute entlassen. Es ging ihm wieder gut, seine Werte waren alle in Ordnung. Brad würde mittags kommen und ihn abholen. Jetzt war es 11 Uhr vormittags. Genug Zeit um Yohji einen Besuch abzustatten. Er ging langsam über die Flure, bis er Yohjis Zimmer gefunden hatte. Zu fragen brauchte er dafür niemanden. Er trat ohne anzuklopfen ein. Yohji lag mit geschlossen Augen da. Schuldig testete kurz. Nein, er schlief nicht. Leise ging er zum Bett und setzte sich daneben auf einen Stuhl. /Krieg jetzt keinen Schreck, Baby, ich bin es…/ unwillkürlich musste er lächeln, als er an die Situation dachte, in der er diesen Satz zum ersten mal zu Yohji gesagt hatte. Yohji riss die Augen auf. „Sch… Schuldig?“ Er griff nach ihm, wollte ihn fühlen, wissen, dass das kein Traum war, aus dem er nachher grausam herausgerissen werden würde. „Ja. Wie geht’s dir?“ Schuldig wusste nicht, was er sonst sagen sollte. Es kam ja selten vor, aber ihm fehlten die Worte, als er Yohjis ungläubige Freude sah. „Mir? Ganz gut, aber.. warum.. wie..“ Schnell, um Zeit zu sparen telepatisch, übermittelte ihm Schuldig die Sachlage. Yohji ließ den Kopf zurückfallen. „Was für ein Glück“ murmelte er. Schuldig nickte und strich ihm über den Arm. „Wir hatten beide Glück, Baby.“ Yohji schloss die Augen wieder und nickte ebenfalls. „Hmm. Ich weiß nur nicht, ob ich darüber wirklich glücklich bin…“ Schuldig brauchte nicht viel Zeit um in Erfahrung zu bringen, dass Aya nicht zu ihm ins Krankenhaus kam, und dass Yohji darüber ziemlich deprimiert war. „Willst du reden?“ Yohji schüttelte den Kopf. „Was solls, ist vorbei, das ganze. Ich… hab genug davon. Ich werde darüber hinwegkommen…“ Ohne Vorwarnung schluchzte er plötzlich auf. Erschrocken nahm ihn Schuldig in den Arm. „Nimms mir nicht übel, Schu, die setzen mich hier unter Drogen, ich heule irgendwie dauernd…“ schniefte er. Ein kurzer Blick in seine Gedanken, und Schuldig wusste, dass er log. Er konnte Yohjis Liebe zu Aya fast –sehen-. Sicher, die Schmerzmittel mochten die Selbstbeherrschung etwas aufweichen, aber… „Shshh…“ er zog Yohji fest an sich. /Wenn Brad das sehen würde…/ Er grinste. Es war eine verfängliche Situation, aber er war sich seiner Sache sicher. Er und Yohji waren … es war eine Notgemeinschaft gewesen, sie hatten sich gegenseitig geholfen, aber es war vorbei. Sie beide wussten, dass sie keine gemeinsame Zukunft hatten. Aber deswegen konnte er doch einen Freund trösten? „Er kommt nicht her. Und das macht dich fertig.“ Schuldig sprach aus, was er in Yohjis Gedanken gesehen hatte. Dieser nickte nur und schlug die Augen nieder. /Es ist beschämend, wie ich ihm nachhänge…/ „Blödsinn. Er sollte sich schämen, so wie er dich behandelt. Aber wenn er es nicht bald kapiert, vergiss ihn. Dann hat er es nicht besser verdient, Baby. Dann hat er –dich- nicht verdient!“ Yohji hatte sich inzwischen wieder gefangen. Schuldig grinste und schickte nochmal schnell einen Eindruck ihres letzten Beisammenseins in dem Hotel. „Aya hat das doch auch schon kennen gelernt. Umso weniger verstehe ich ihn.“ Er freute sich, dass Yohji errötete. //Lass das. Raus aus meinem Kopf, Schu.// Doch er grinste schwach dabei. „Kein Problem.“ Wieder ein Flashback, diesmal von Schuldigs ‚Heulattacke’ im Hotel. Yohji nickte. „Quitt, stimmts?“ Schuldig nickte ebenfalls und gab ihn frei. „Ich muss los, Brad holt mich gleich ab.“ Yohji sah ihn prüfend an. Schuldigs Stimme hatte so merkwürdig geklungen. Doch dieser grinste schon wieder und ging zur Tür, nachdem er ihm noch einen Klaps auf den Rücken gegeben hatte. „Halt die Ohren steif. Cya Baby.“ Dann war er weg. Yohji legte sich wieder hin. /Danke, Schu. Für … alles./ *** Brad Crawford wartete bereits in Schuldigs Zimmer, als dieser zurückkam, um seine Sachen zu holen. „Hi, Brad.“ Dieser sah ihn kühl an. „Du warst bei Balinese?“ Es klang unbeteiligt. Schuldig nickte. „Ich musste noch was klären.“ Er sah Crawfords Blick und spürte deutlich die Eifersucht in diesem aufflammen. „Brad. Bitte.“ Dieser nickte. „Schon gut.“ /Es ist… nicht so einfach./ Schuldig nahm seine Tasche. „Das wird schon, Braddie.“ Er grinste. Schnell schickte er Brad eine kurze Vorstellung dessen, was er zu Hause mit ihm vorhatte. Dann wollte er das Zimmer verlassen, wurde jedoch hart am Arm gepackt und herumgerissen. Brad zog ihn an sich und küsste ihn hungrig. Schuldig ließ die Tasche fallen, schlang seine Arme um Crawford und erwiderte seinen Kuss ebenso feurig. Dieser fuhr mit seinen Händen in Schus lange Haare und stöhnte leise an seinen Lippen. /Schu… hmm../ /Lass uns doch erst mal nach Hause fahren, Brad… Brad!/ Widerstrebend ließ dieser ihn frei. Er strich sich durch die Haare und sah etwas verlegen drein. /Sorry…/ „DAS muss dir nun wirklich nicht leid tun, Braddie!“ Schuldig nahm abermals seine Tasche. Dann grinste er boshaft und schickte seine momentanen Empfindungen an Brad. „Schuldig!“ „Komm schon, bevor du nicht mehr laufen kannst, Brad.“ Was blieb diesem anderes übrig, als genau das zu tun… *** Yohji wurde drei Tage vor dem vierten Advent aus dem Krankenhaus entlassen. Ken und Omi kamen um ihn abzuholen. Nicht Aya. /Natürlich nicht Aya/ wie Yohji bitter feststellte. Auf der Heimfahrt erzählte Omi, wie er und Ken das Haus und den Laden geschmückt hatten und dass sie langsam die Geschenke besorgen mussten, Smalltalk, an dem Yohji nicht wirklich teilnahm. In seinem Magen war ein Knoten. Wie würde Aya ihm gegenübertreten? Nun, diese Frage würde bald beantwortet werden, denn der Wagen hielt bereits vor dem Laden. Yohji stieg aus und wartete, dass Ken ihm seine Tasche reichte, doch dieser trug sie bereits ins Haus und verschwand im oberen Geschoss. Omi murmelte etwas vom Gewächshaus gießen und ging um das Haus herum, so dass Yohji sich allein im Laden wiederfand. Aya stand am Bindetisch und vervollstädigte einen Strauß aus blutroten Rosen mit Schleierkraut und einer goldenen 10, offensichtlich ein Hochzeitstags-Geschenk. „Hallo…“ Aya sah auf. „Welcome back!“ „Danke.“ „Bist du wieder ok?“ Yohji nickte. „Kannst du arbeiten?“ Wieder nickte Yohji. Ein Kloß saß in seiner Kehle. //Idiot, was hast du denn erwartet? Dass er dir um den Hals fällt?// „Gut. Könntest du morgen noch ein paar Gestecke ausfahren?“ Das war wie ein Faustschlag in den Magen. Mühsam brachte Yohji ein „In Ordnung“ hervor und rannte, soweit rennen möglich war, fast die Treppe hinauf. Ken, der ihm entgegenkam sah ihn groß an. „Was ist los?“ Ohne Antwort verschwand Yohji in seinem Zimmer und man hörte wie abgeschlossen wurde. Kens Ausdruck verfinsterte sich. Er stapfte die Treppe hinunter und ging in den Laden. Aya stand am Bindetisch und presste mit geschlossenen Augen Daumen und Zeigefinger auf die Nasenwurzel, während er sich mit der anderen Hand auf dem Tisch abstützte. Er sah ziemlich fertig aus, fand Ken. Doch Yohji hatte schlimmer ausgesehen... Entschlossen baute er sich vor Aya auf. „Jetzt hör endlich auf Yohji dauernd vor den Kopf zu stoßen. Wie kannst du so grausam sein? Ich finde…“ er verstummte. Aya sah ihn mit einem so gequälten Ausdruck in den Augen an, dass er sich den Rest des Satzes ersparte. „Es ist besser so, Ken. Er – er soll sich besser nicht … Ich… kann nicht…“ Impulsiv legte Ken ihm die Hand auf den Arm. Aya zuckte, wich aber nicht zurück. „Aya… Yohji hat auf dich gewartet in der Klinik. Jedesmal, wenn einer von uns kam, sah er uns so erwartungsvoll entgegen, und jedesmal wurde er enttäuscht. Warum? Du liebst ihn, er liebt dich. Das ist offensichtlich. Warum lässt du es denn nicht endlich zu? Was ist so schlimm daran?“ „Schlimm… nichts ist daran schlimm. Ich bin nur der Falsche. Und die Betonung liegt auf ‚der’ Falsche. Er verrennt sich in etwas, Ken. Yohji ist ein Playboy, ein Frauenheld. Ich bin nur ein Experiment, eine Laune. Mal was anderes…“ Yohjis Äußerung fiel ihm ein, wieder einmal. ‚Sex kann man mit jedem und aus so vielen Gründen haben…’ Es tat immer noch weh. Ken schüttelte den Kopf. Da lag also der Hund begraben – Aya hatte Angst. Er wunderte sich dass Aya so offen zu ihm war, aber wahrscheinlich wurde es selbst ihm langsam zu viel, um es alleine zu bewältigen. Jeder brauchte irgendwann einen anderen Menschen zum Reden. „Hast du ihm das auch schon mal so gesagt? Oder hast du immer nur auf ihm rumgehackt? Nur für eine Laune ist Yohji aber ganz schön am Leiden! Gib ihm eine Chance sich dazu zu äußern, sonst bleibt das, was du denkst ein Vorurteil. Und ein ziemlich mieses dazu! Oder noch besser: Spring über deinen Schatten! Eine Garantie auf lebenslange Liebe, oder immerwährendes Glück, gibt es nie!“ Ein Schatten flog über Kens Gesicht. Er musste an Yuriko denken. Aya sah ihn perplex an. Es hörte sich logisch an, was Ken sagte. Woher nahm er diese Lebenserfahrung? Dann fiel ihm Yuriko ein, und er gab Ken innerlich Recht. Eine Garantie gab es niemals, was für Gründe auch dazu führen mochten, aber ihm fehlte trotzdem der Mut, einfach zu Yohji zu gehen. „Ich denke darüber nach.“ Damit war das Gespräch beendet, erkannte Ken und ließ ihn in Ruhe. Später lag Aya grübelnd auf seinem Bett. Seine Gedanken kreisten unablässig um die Frage, ob er Yohji eine Chance geben sollte, oder nicht. Plötzlich spürte er einen fremden Einfluss in seinem Kopf und sprang auf. /Raus aus meinem Hirn, du Mistkerl!/ grollte er, ausser sich vor Wut. Schuldig schickte Belustigung. /Warum so aggressiv, Abyssinian?/ Aya atmete heftig. Er –hasste- diesen verdammten Telepathen aus tiefster Seele. Und die Tatsache, dass er.. dass Yohji… /Genau darum geht es, Kätzchen./ /Hör auf! Lass mich in …/ Anstatt weiter zu diskutieren sendete Schuldig kurzerhand die Erinnerung an die Empfindungen Yohjis bei ihrem Gespräch, die anschließende Tröstaktion wohlweislich auslassend. /Das war authentisch, Abyssinian, da würde ich an deiner Stelle mal drüber nachdenken…/ Dann war die Präsenz weg. Aya stand mit heftig klopfendem Herzen vor seinem Bett. In seinem Kopf rotierte es. Yohji… liebte ihn wirklich? *** Der vierte Advent kam und noch immer gingen sich Yohji und Aya aus dem Weg. Sie stritten nicht, aber sie redeten nur das notwendigste miteinander. Yohji verließ am Nachmittag das Koneko um der trüben Stimmung zu entfliehen. Vor allem Omi und Ken taten ihm leid. Sie hatte sich große Mühe gegeben um ein wenig vorweihnachtliche Stimmung zu verbreiten, aber Yohji und Aya waren jeder zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um das richtig zu würdigen. In seinem Stammcafé war nicht viel los. Die meisten Leute saßen wohl zu Hause und feierten Advent. Yohji war deprimiert. Er kam an Aya einfach nicht heran. Außerdem hatte er immer noch ein schlechtes Gewissen Schuldig gegenüber. Er hatte wirklich das Gefühl, ihn ausgenutzt zu haben. Auch wenn dieser die ganze Zeit genau im Bilde gewesen war, dass seine Gefühle nur Aya gehörten… /Ganz genau, Liebchen. Wir haben uns beide gegenseitig benutzt…/ Yohjis Kopf fuhr hoch. „Schu…“ Dieser deutete auf einen Stuhl. „Darf ich?“ Yohji nickte. Dann sah er Schuldig unbehaglich an. „Schu… ich weiß doch, was du empfunden hast, du hast es mir mehr als einmal gezeigt!“ Dieser grinste. „Meinst du nicht, dass ich das ein bisschen steuern kann, wie es bei dir ankommt?“ Yohji starrte ihn an. „Was?“ „Naja, ich gebe es zu. Ich war schon etwas verliebt… aber im Grunde stand ich doch die ganze Zeit immer noch auf Brad, wie du weißt – und es sieht so aus, als ob es wieder was werden könnte mit uns.“ Yohji fühlte sich erleichtert und traurig zugleich. /Er hat es nicht ehrlich gemeint – nichts von allem?/ Schuldig zog ein Päckchen Zigaretten hervor und zündete sich eine an. Er zog einmal daran, dann hielt er sie Yohji unter die Nase. Dieser griff unwillkürlich zu. Als er sie zwischen die Lippen steckte, fiel ihm ein Spruch von Schuldig ein, den dieser vor Wochen gebracht hatte: ‚Als wenn ich dich küssen würde, ne Schatzi?’ Er hörte ein mentales Kichern und wurde leicht rot. //Lass die Spielchen, ich denke das ist vorbei? – Schu…// /It was fun while it lasted, ne Baby?/ Yohji nickte. „Ich – mag dich, Schuldig. Wirklich.“ „Die –lass uns Freunde sein- Nummer ist eigentlich nicht mein Stil, Baby!“ Yohji horchte auf. Hatte das nicht doch etwas verletzt geklungen? „Schuldig… sei mal ernst bitte. Stimmt das mit dir und Crawford, oder willst du meine Gefühle schonen?“ Dieser sah ihn aus goldgrünen Augen spöttisch an. „Bin ich jemand, der auf die Gefühle anderer Rücksicht nimmt, Baby?“ /Auf meine schon. Die ganze Zeit…, erinnerst du dich?/ Ein feines Lächeln umspielte die sinnlichen Lippen des Telepathen. Er schirmte seine Gedanken ab. /Du ahnst ja gar nicht, wie sehr, Yohji…/ „Was tut man nicht alles, um jemanden ins Bett zu bekommen…“ Er löste den Block wieder und die kurze aber intensive Welle der Zuneigung, die Yohjis Bewusstsein erreichte, strafte seine harten Worte Lügen. Yohji sah ein, dass Schuldig nicht zugeben würde, von ihm verletzt worden zu sein. So kamen sie nicht weiter. „Schu, ich…“ Mit einer Hand nahm Schuldig ihm die Zigarette aus dem Mund und drückte sie aus, mit dem Zeigefinger der anderen brachte er Yohji zum Schweigen. „Ruhig, Baby. Du willst Absolution von mir, richtig? Du willst Aya, und gleichzeitig das Gefühl haben, keinen Schrotthaufen verletzter Gefühle zu hinterlassen. Aber so einfach ist das nicht. Alles hat seinen Preis. Wenn man zwischen zwei Sachen eine Entscheidung trifft, ist immer auch ein Verlust dabei. Eines der beiden Dinge verliert man dann auf jeden Fall, und … damit muss man leben, so oder so.“ Er lehnte sich zurück. „Aber keine Sorge. Ich kann damit leben. Sogar sehr gut. Ich habe mich mit Crawford zusammengerauft, und ich denke, es könnte dieses Mal klappen mit uns. Es ist zwar etwas schwieriger, ihn zum Sex herumzukriegen als bei dir…“ Schuldig grinste, als Yohji tatsächlich rot anlief. „Hey hey, ich will damit nicht sagen, dass du leicht zu haben bist, Baby…“ „Das sieht Aya aber ganz anders…“ stieß Yohji genervt hervor. Schuldig lachte auf. „Unser Rotschopf hat etwas seltsame Ansichten was das betrifft. Ich habe mich etwas schlau gemacht, musst du wissen…“ Yohji riss die Augen auf. „Schuldig! Wenn er das merkt, wird er denken, ich habe…“ „Hältst du mich für einen Anfänger? Ich könnte seine ganze Lebensgeschichte aus ihm herausbekommen, ohne dass er den leisesten Schimmer davon hätte!“ /Nicht dass es mich interessieren würde…/ Schuldig grinste, nahm eine neue Zigarette und bot Yohji eine zweite an. Dieser griff nervös zu. Schuldig bemerkte das leichte Zittern seiner Hände und schüttelte den Kopf. /Genug gelästert. Ich bin hier um dir etwas zu sagen, Baby. Sozusagen ein letzter Liebesdienst./ Er grinste vor sich hin. Yohjis Blick ruckte hoch. „Was?“ „Aya liebt dich wirklich. Und zwar mit einer Intensität, die mir Angst macht. Ich weiß nicht, ob ich so von jemandem geliebt werden wollte. Ich weiß jetzt auch, warum er sich so vehement dagegen wehrt. Du hast ihn sehr gekränkt indem du dich mit mir eingelassen hast. Und er hat Angst enttäuscht zu werden. Dass du nur mal ausprobieren willst, wie es mit einem Mann ist. Seine Würde ist ihm wichtig. Außerdem hat er Angst, dich dann zu hassen… dazu diese romantische Vorstellung, dass man nur eine Person gleichzeitig lieben kann. Nun ja, er kann wohl auch nicht anders… “ Schuldig grinste über Yohjis ungläubigen Blick. „Ja, glaub mir ruhig, er ist ein sehr romantischer Typ… du musst ihn nur noch überzeugen, dass du ihn – und NUR ihn – willst… und er gehört dir.“ Wieder ernst geworden stand er auf. „Du allerdings auch ihm… darüber solltest du dir im klaren sein.“ Er sah kurz zur Tür des Cafés und lächelte leicht. „Ich muss dann. Mach was draus, Baby! Fröhliche Weihnachten – und… schönes Leben!“ /Ach ja, und das mit der –lass uns Freunde sein- Nummer… bei dir mache ich mal eine Ausnahme./ Er ging mit dem typisch wiegenden Schu-Gang ohne sich noch einmal umzublicken fort. Yohji sah ihm nach und entdeckte an der Tür Crawford, der Schuldig mit einem nicht überaus vergnügten Gesichtsausdruck entgegensah. Etwas, was Schu zu ihm sagte (und mehr wahrscheinlich noch das unausgesprochene) ließ Crawfords Gesicht sich entspannen, bis dieser fast lächelte. //Dir auch ein schönes Leben, Schuschu.// /Zweifelst du daran, Baby?/ //Immer das letzte Wort.// /Hast du was anderes erwartet? Cya, Yohji…/ Ein letztes mentales Kichern, dann war die Präsenz Schuldigs aus seinem Kopf verschwunden. Mit einem merkwürdig leeren Gefühl zahlte Yohji seinen Kaffee und machte sich auf den Heimweg, irgendwo zwischen Melancholie und banger Erwartung schwankend. -- Als er das Koneko erreichte lief er im Laden als erstes Aya über den Weg. Schnell wollte er an ihm vorbei gehen, doch dieser hielt ihn auf. „Yohji.“ „Hm?“ „Ich.. ähm, kannst du mich heute im Laden vertreten? Ich muss, ich meine, ich möchte noch was besorgen. Danach nimm dir bis Heiligabend ruhig frei, falls du auch… irgendwas… erledigen musst oder so…“ er brach ab. „In Ordnung.“ Yohji griff nach seiner Schürze. Aya öffnete und schloss noch einmal den Mund, drehte sich um und ging. Ken grinste Yohji an. „Wow, drei ganze Sätze!“ Yohji sah angestrengt auf die Gießkanne, die er gerade befüllte. Sein Herz klopfte zum Zerspringen. Aya sprach ganz normal mit ihm! Omi freute sich diebisch. Um Yohji nicht in Verlegenheit zu bringen, ging er schnell zu seinen Pflanzen ins Gewächshaus. Sollte er sich erstmal wieder beruhigen. *** In den Tagen vor Heiligabend war der Laden ständig voll gewesen, aber es hatte wenigstens keine Mission gegeben, ein trügerischer Frieden für Schwarz und Weiss… Aya und Yohji waren sich neutral und höflich begegnet, es gab keinen Streit, aber auch keine besondere Herzlichkeit zwischen ihnen. Yohji hatte auf freie Tage verzichtet, da er sah, dass die anderen alle Hände voll zu tun hatten. Nur einmal war er weggegangen, wollte hinterher aber nicht verraten, was er gemacht hatte. Ayas Gesicht verfinsterte sich kurz, er sagte aber nichts. Am 23. Dezember feierten alle zusammen Kens Geburtstag. Zuerst saßen nur Ken, Omi und Yohji bei einer Flasche Champagner im Wohnzimmer, doch irgendwann gesellte sich Aya dazu und trank ein Glas mit. Er war schweigsam wie meist, aber Ken freute sich sehr und der Abend wurde ganz lustig. Ken bemerkte irgendwann die verstohlenen Blicke, die Yohji auf Aya warf, und richtete unauffällig seine Aufmerksamkeit auf Aya. Und richtig, immer wenn er sich unbeobachtet fühlte, blickte er ebenso verstohlen immer wieder zu Yohji. Ken grinste in sich hinein. Vielleicht wurde ja doch noch was draus… *** Der Weihnachtsabend war dann fast zu schnell gekommen. Sie hatten ein festliches Essen zubereitet, Ken und Aya hatten sich in der Küche selbst übertroffen, Omi hatte den Baum geschmückt und Yohji die Getränke besorgt. Jetzt warteten sie auf Aya, um sich dann gegenseitig die Geschenke zu überreichen‚ ’… so als ob wieder alles in Ordnung wäre…’ dachte Omi sehnsuchtsvoll, und hoffte, der Abend würde auch heute den Anschein von Harmonie haben. Er wünschte es sich so sehr... *** „Was schenken wir eigentlich Farfarello zu Weihnachten, Schuldig?“ „Einen Satz Steakmesser?“ „Das ist nicht witzig, Schu.“ Crawford seufzte. Schuldig war ein Chaot. Dass er mit ihm zusammen war, machte sein Leben nicht gerade einfacher. /Bereust du es, Braddie?/ Er wurde von hinten umschlungen und Schuldigs Zunge neckte sein Ohr. „Mhhh, vielleicht…“ er legte den Kopf in den Nacken und küsste Schuldigs Hals. „Dann werde ich dir zeigen, dass du dazu keinen Grund hast, Baby…“ Somit war das Thema Weihnachtsgeschenke erst mal wieder vom Tisch im Hause Schwarz… *** Ken freute sich riesig über das Jahresabo einer Fußballzeitschrift und mehrere CDs, die ihm seine Teamkollegen geschenkt hatten. Omi schwelgte in Computerspielen und Tonnen von Süßigkeiten, die ihm Yohji augenzwinkernd überreicht hatte. „Für die anderen ‚Süßigkeiten’ bist du noch zu jung, Omittchi.“ Lachend hatte Omi zugestimmt. Yohji bekam ein silbernes Feuerzeug, was ihn schmerzhaft an Schuldig und dessen Worte erinnerte, als sie ihr ‚Verhältnis’ beendet hatten, doch er dachte an Crawford und verdrängte den Gedanken schnell wieder. Omi und Ken hatten Yohji am Vortag gefragt, ob er etwas zu Ayas Geschenk, einem Buch das er sich schon lange wünschte, zugeben wollte, doch er hatte nur gemurmelt, er habe schon etwas und war Fragen danach ausgewichen. Omi war gespannt was es wohl war. Es lagen jetzt noch zwei Pakete unter dem Weihnachtsbaum, ein größeres, flaches und ein kleines. Omi ergriff das größere und las den Namen auf dem Anhänger. Er zögerte einen winzigen Moment, dann sprach er ihn aus. „Für Ran. von Yohji“ Aya versteifte sich und seine Augen wurden schmal. Trotzdem nahm er das Paket entgegen. Das kleinere aufnehmend, warf Omi einen Blick auf Yohji, der mit leicht geröteten Wangen auf seine Hände starrte. Omi las den Namen auf dem Schild vor. „Yohji“ Dieser reagierte nicht, also legte ihm Omi das Päckchen einfach auf den Schoß. Aya hatte sein Paket inzwischen geöffnet. Es enthielt eine Schachtel mit dem Aufdruck einer teuren Herrenboutique. Er öffnete den Deckel und blickte auf einen schwarzen Pullover aus –offensichtlich- feinstem Cashmere. Omi klappte die Kinnlade herunter, doch dann grinste er Yohji wissend an und stand auf. Er gab Ken einen Wink mit den Augen, ergriff seinen Ärmel und zog ihn Richtung Zimmertür. Er schob ihn auf den Flur, folgte ihm und zog die Tür leise zu. Weder Yohji noch Aya hatten bemerkt, dass sie nun alleine im Zimmer waren. Sie saßen sich gegenüber, Aya immer noch den Pullover in den Händen. Er starrte auf die schwarze, feine Wolle. Dieser Pullover musste sündhaft teuer gewesen sein. „Danke. Aber warum…“ „Wegen diesem orangefarbenen Ding, das ich versaut habe. Sah sowieso Scheiße aus, das Teil! Ich hasste ihn! Deine Haarfarbe beißt sich mit orange!“ „Hast du ihn mit Absicht…“ „Na, sagen wir, ich habe es nicht gerade verzweifelt verhindern wollen…“ Ayas Gesicht verdüsterte sich etwas, doch er sagte nur: „Pack dein Geschenk aus!“ Verdattert zog Yohji eine Ray Ban Sonnenbrille aus dem Etui. „Danke… Aber.. ich hab doch eine..“ Yohji sah Aya erstaunt an. In dessen amethystfarbenen Augen glomm ein rätselhafter Funke. „Sieht Scheiße aus, das Teil!“ grinste er. „Ich hasse sie!“ Dann wurde sein Blick ganz weich, und aus dem Grinsen wurde ein Lächeln. In Yohjis Hals bildete sich ein Kloß, und pulsierende Wärme, die sich von seinem Herzen aus langsam auf den ganzen Körper ausbreitete brachte sein Gesicht zum Leuchten. „Aya…“ flüsterte er. Sanft nahm ihm dieser Brille und Etui aus der Hand und legte beides auf den Tisch. Dann zog er Yohji in seine Arme und legte seine Lippen an dessen Ohr. „Nenn mich Ran…“ murmelte er. „Ich liebe dich, Ran.“ „Ich liebe dich auch, Yohji.“ „Dann ist es ja gut.“ ~Owari feedback heftigst erwünscht! back |