Colours 7: Sturmblau   von SOrion

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Colours 7: Sturmblau

Autor: SOrion (sorion@gmx.ch)

Serie: Weiss Kreuz

Teil 7/7

Warnung: shĂ´nen ai

Disclamer: WK gehört mir nicht, etc. p.p... Ich verdiene kein Geld damit,

rhabarberrhabarber... Ich leihe mir die Jungs nur aus und gebe sie unbeschadet zurĂĽck (okay, vielleicht ein Bisschen demoliert *fg*) usw. blabla...

WICHTIG: Beginnt im Januar vor Omis 18. Geburtstag.

Zur Erinnerung: Aya und Crawford treffen sich seit etwa sechs Monaten („Colours 5: Amethyst“), und Youji wird in einem Monat von Omis Beziehung zu Schuldig erfahren („Colours 1: Kirschrot“).

Im Anhang der Geschichte findet ihr eine Zeittafel, die noch einmal alle Abläufe aufzeigt. Übersetzungen am Ende des Texts!

 

Danke an DarkSerapha/AyanamiRei für’s Beta-Lesen ^-^

***

Totaler Filmriss. Das war alles, was Nagi zu der Szene, die sich vor seinen ungläubigen Augen abspielte, einfiel.

Er kam sich vor wie in einem alten Italo-Western, in dem sich die Kontrahenten zum finalen Duell gegenüber treten, Hilfssheriff und Bewohner der Stadt hinter dem Helden, die Schergen hinter dem Bösewicht... Finger zucken, Augen blitzen gefährlich, und alle warten auf den entscheidenden Zug der Waffe.

Der Bösewicht in diesem Falle »Big Bad Brad Crawford« und sein Gegenspieler »Die Klinge« Fujimiya.

Es war ja nicht so, dass Nagi besonders überrascht über die Tatsache war, dass Weiss und Schwarz sich über den Weg liefen - bei den Aufträgen, die sie in letzter Zeit angenommen hatten, war das früher oder später zu erwarten - was ihn wirklich aus den Socken haute, war, dass der erwartete Angriff nie stattfand.

Crawford und Aya standen sich gegenĂĽber und starrten sich in Grund und Boden mit ihren respektiven Teammitgliedern hinter sich, aber keiner rĂĽhrte sich. 

Und als ob das noch nicht schlimm genug gewesen wäre, begannen die beiden Anführer auch noch zu verhandeln! Na ja... zugegeben, »verhandeln« war vielleicht etwas viel gesagt. Sie bedrohten, beschimpften und beschrieen sich mit frierend kalten Augen. Aber sie versuchten nicht, sich gegenseitig zu töten.

Nagi hörte mit einem Ohr dem Wortabschlag zu und bekam dabei mit, dass Brad heute offenbar keine Lust hatte, den Auftrag zu beenden, wenn Weiss es ebenso gut tun konnte... Nun, da hatte er nichts dagegen. Er war müde und ein paar Stunden Schlaf mehr konnten nie schaden...

Sein zweites Ohr, an dessen Seite Schuldig stand, hörte den Mann amüsiert lachen.

Nagi war sich nicht sicher, ob die Situation zum Lachen war oder nicht... Aber Fujimiyas resignierender Gesichtsaudruck, als er feststellte, dass er keine andere Möglichkeit hatte, als für Schwarz die Arbeit zu erledigen, war schon unvergesslich komisch...

Nagis Augen wanderten zu den anderen drei Weiss-Mitgliedern.

Kudou hielt mit einer Hand seinen Draht leicht angespannt, um ihn im Fall der Fälle sofort einsetzen zu können. Nagi grinste. Das Letzte, was ihm etwas anhaben konnte, war dieser lächerliche Klavierdraht...

Hidaka stand da wie der Fussballer, der er war und wartete auf den Startpfiff. Alle Muskeln angespannt.

Und zuletzt Tsukiyono - oder Takatori, je nach Standpunkt. Nagi runzelte leicht die Stirn. An dem war etwas anders. Er konnte es aber nicht so recht ausmachen.

Die Pfeile hatte er bereits in der Hand, schien aber irgendwie nicht ganz so angespannt oder bereit zum Zuschlagen zu sein, wie die anderen.

Hmpf. Wahrscheinlich war der Kleine einfach zu ĂĽberzeugt von sich. Arroganter Weiss.

Nagi mochte seinen persönlichen Gegner nicht - nun, natürlich nicht, sie hatten schliesslich mehrfach versucht, einander umzubringen - aber seine Abneigung gegenüber Bombay war geringfügig grösser, als die gegenüber dem Rest von Weiss.

Dieses Unschuldslamm, das doch tatsächlich glaubte, wenn Weiss tötete war es Recht, aber wenn Schwarz tötete war es Unrecht!

Nagi fiel nur ein Wort ein, um den anderen Killer zu beschrieben. Ein englisches Wort, mit dem Schuldig ihn immer aufgezogen hatte - natürlich völlig ohne Grundlage. »Goodie Two Shoes«

Ja. Genau das war Omi. Einfach zum in den Hintern treten liebenswert! Er hasste das! Einer, der sich für was Besseres hält, bloss weil er zu den »Guten« gehörte. Verdammte Heuchelei, verdammte!

Unauffällig wandte er sich nun seinen eigenen Kollegen zu.

Schuldig amüsierte sich offenbar prächtig und grinste von einem Ohr zu anderen. Seine Haltung war nicht auch nur annähernd angespannt, er stand da, als würde er einer Weihnachtsparade zusehen.

Nagi verzog das Gesicht. Okay, das war ein etwas morbider Vergleich.

Farfarello... Nagi blinzelte verblĂĽfft. Das war ja merkwĂĽrdig. Der junge Ire stand ruhig da, sein eines Auge abwechselnd auf Aya und auf... Omi gerichtet.

Nagi hatte den anderen Mann selten so ruhig erlebt. Er wusste, dass die neuen Medikamente anschlugen, aber trotzdem... Farfarello wirkte absolut bedacht und überhaupt nicht in Kampf- und Blutlaune. Fast so, als könnte er mit seinem verwirrten Geist etwas sehen, was allen anderen verborgen blieb...

Das war nicht unmöglich. Farfarellos besondere Eigenschaften waren nie ganz offengelegt worden. Er empfand keinen Schmerz, war ein guter Kämpfer und leider völlig verrückt. Aber diese Eigenschaften alleine konnten ihm ja nicht aus dem Hochsicherheitstrakt in dieser Nervenheilanstalt in seiner Heimat geholfen haben... Vielleicht beherrschte auch er eine Art der Gedankenkontrolle...? Oder vielleicht Teleportation...?

Schuldig hatte mal versucht herauszufinden, ob in Farfs Kopf noch mehr als nur »religiöser Müll«, wie er es ausdrückte, zu finden war. Er war nicht weit gekommen. Farfarellos Gedanken liefen nicht auf eine Weise ab, dass sie ein anderer hätte verstehen können. Schuldig konnte also zwar sehen, was in dem Kopf des jungen Mannes vorging, aber kein klares Bild daraus formen und hielt sich von dem Tag an aus diesem »Picasso-Werk des Herrn« raus.

Nagi zuckte die Schultern. Selbst wenn er also sehen könnte, was Farfarello gerade sah, würde er es wohl doch nicht verstehen.

Verdammt noch mal! Er verstand ja noch nicht mal, was er hier mit seinen eigenen Augen sah!

Weiss zog sich grummelnd zurĂĽck - mit Ausnahme von Omi... der schien... erleichtert...? - und Schwarz folgte einem triumphierend lachenden Crawford weg vom zukĂĽnftigen Mordschauplatz.

Was fĂĽr ein merkwĂĽrdiges Aufeinandertreffen...

Zu Hause angekommen brachte er Farfarello auf sein Zimmer und sorgte dafĂĽr, dass er auch seine Medikamente schluckte.

Zu Hause... oder zumindest der Ort, an dem er wohnte. Was bedeutete Zuhause schon? Da wo die Familie ist? Ha! Seine eigene Mutter hatte ihn zum Teufel gejagt, da war er gerade mal sieben Jahre alt! Und das bloss, weil sie ihn für eine Ausgeburt der Hölle hielt - ihre Worte, nicht seine - und einfach Angst hatte von den Dingen, die der kleine Junge tun konnte. Wie zum Beispiel seine Tasse im Fall aufzufangen, weil er nicht geschlagen werden wollte, wenn er sie zerbrach... Oder einen der »Freunde« seiner Mutter aus dem Fenster zu werfen, als er gewalttätig wurde... Vielleicht aber auch die Gegenstände, die herumflogen, wenn er wütend, ängstlich oder aufgeregt war...

Er sei ein Monster, eine Missgeburt, ein Teufel...

Nagi hätte seinen ersten Winter auf der Strasse beinahe nicht überlebt... wenn nicht eines Tages dieser ungewöhnliche Mann mit dem fremden Akzent bei ihm aufgetaucht wäre und ihn bei sich aufgenommen hätte... Brad Crawford. So gesehen war Schwarz wohl schon so eine Art Zuhause... Vielleicht sogar eine Familie... Das kam wohl auf die Definition derselben an.

Farfarello nahm seine Pillen ohne Murren und machte deutlich, dass er schlafen wollte.

Nagi zögerte einen Augenblick lang an der Türe. Er wollte jetzt nicht... alleine sein. Aber Farfarello war kein angenehmer Zeitgenosse, wenn er keine Gesellschaft wünschte.

Nagi fragte trotzdem leise: „Dir hat die Mission heute gefallen?“ Das war ihm von dem Moment an aufgefallen, als sie Weiss gegenüber gestanden hatten: Farfarello war fasziniert gewesen. Anders als früher...

Farfarello gluckste amüsiert. “Gottes Engel verlieren Federn”, erklärte er in einem fast vernünftigen Ton.

Nagi runzelte verwundert die Stirn. „Wie meinst du das?“ Offenbar meinte er mit Gottes Engeln Weiss... Aber... verloren Federn...?

„Die Flügel sind beschmutzt und reflektieren Sein Licht nicht mehr.“ Farfarello grinste befriedigt.

Nagi lächelte. Es war selten, dass Farfarello so zufrieden mit sich und der Welt war. Denn solange der junge Ire der Ansicht war, dass Gott litt, verletzte er sich selbst nicht so oft. „Das ist gut, nicht?“, fragte er.

Farfarello nickte selbstzufrieden. „Er wird weinen, wenn seine Engel fallen.“

Nagi lachte leise. „Gute Nacht, Farfie.“ Er löschte das Licht und schloss die Türe hinter sich.

Und er war wieder alleine. Er hätte in sein eigenes Zimmer gehen können... aber... ihm war wirklich, wirklich nicht danach, jetzt alleine zu sein.

Er steuerte Crawfords Zimmer an.

Das tat er so gut wie nie. Wenn er jemanden einfach zum Quatschen brauchte, ging er zu Schuldig.

Wenn er jemanden brauchte, dem er von seinen Problemen erzählen konnte, ging er - man höre und staune - zu Farfarello. Denn der konnte sehr lange zuhören und warf ab und zu in einer fast kindlichen Art etwas ein. Nagi hatte nie herausgefunden, warum Farfarello so gerne zuhörte... Faszination für Leiden und Probleme anderer? Ein Kontakt zu etwas ausserhalb seiner eigenen, verworrenen Gedanken? Er wusste es nicht...

Aber wenn er jemanden brauchte, der einfach da war...

Brad Crawford war eine starke Präsenz.

Nagi klopfte nach einem Moment des Zögerns vorsichtig an. Crawford konnte auch unangenehm sein, wenn er nicht gestört werden wollte.

„Herein“, klang es von drinnen.

Nagi trat ein und fand Crawford auf seinem Bett sitzend vor.

Der ältere Mann las sich durch ein Dossier... Vermutlich ein Auftrag.

„Brad...?“, fragte er leise.

Crawford sah auf und hob verwundert eine Augenbraue. Der Junge nannte ihn fast nie bei seinem Vornamen - obwohl er von seinem Team der einzige war, von dem er es duldete (was Schuldig nicht davon abhielt, ihn trotzdem auch so zu nennen) - nur, wenn bei dem Teenager der kleine Junge durchdrĂĽckte.  „Hast du Probleme?“, fragte er.

Nagi schĂĽttelte den Kopf.

Brad studierte den Jungen einen Augenblick länger, dann rutschte er zur Seite und hob die Bettdecke.

Nagi lächelte dankbar und schlüpfte hinein. Es dauerte nicht lange, da war er eingeschlafen.

Crawford dachte sich nicht viel dabei. Es war nicht das erste Mal gewesen und würde wohl auch nicht das letzte Mal sein. Nagi hatte als Kind fast jede Nacht bei ihm geschlafen, später dann seltener.

Er fragte sich nur, wie sehr Nagi von seinen Zukunftsplänen beeinflusst werden würde... Der Junge zeigte es zwar selten, brauchte aber Kontakt, sehnte sich danach. Wie würde das aussehen, wenn die Weiss-Assassins erst mal hier waren?

Er seufzte leise. Das hatte zweite Priorität. Erste Priorität war es, ihrer aller Leben zu retten. Danach würde er sich um Nagis Zukunft kümmern. Und das würde er.

***

Nagi hatte eigentlich geglaubt, dass ihn nach dem Vorfall mit Crawford und Fujimiya nichts mehr ĂĽberraschen konnte...

Er hatte sich geirrt. Und das gewaltig.

Gerade jetzt steckte er bis zum Hals in Arbeit und ein kurzer Blick auf die Uhr verriet, dass er weit hinter der Zeit lag.

Stumm fluchte er vor sich hin. Sie würden den Auftrag heute nicht erledigen können, wenn das so weiterging... Und Crawford wollte ihn unbedingt heute erledigen, warum hatte er nicht gesagt.

Die Uhr tickte munter vor sich hin und Nagi verfluchte inzwischen die Tastatur, den Bildschirm (den Rechner nicht mehr, das hatte er schon zur Genüge), sogar die Computermaus, den Kaktus auf dem Fensterbrett, und er war drauf und dran seine Bettlaken ebenfalls für ihre ablenkende Präsenz mit nicht sehr schmeichelhaften Ausdrücken zu titulieren... Seine Konzentration war nach neun Stunden völlig flöten gegangen.

Dann wurde er von etwas anderem abgelenkt.

He, Kleiner! Komm runter!

Verdammt, Schuschu! Ich hab keine Zeit!

Runter! Sofort!

Junge, bist du nervös. Hast du dein Haarspray verlegt?, fragte Nagi sarkastisch. Aber Schuldig war tatsächlich unruhig... Merkwürdig.

Schuldig antwortete nicht auf die Bemerkung, was Nagi bestätigte, dass der Mann wirklich nervös war.

Wütend stiess er sich vom Computer weg und trampelte die Treppe hinunter in Richtung Wohnzimmer. Er schlug die Türe auf und schimpfte etwas von wegen „so werde ich nie fertig“ und erstarrte auf dem Fleck.

Das konnte doch einfach alles nicht wahr sein!

Bombay??? Bombay stand bei ihnen im Eingang??? Diese kleine Giftspritze!

„Was macht der hier?“, verlangte er eisig zu wissen.

Crawford stand selbstzufrieden und nicht im Geringsten beeindruckt da. „Du wirst nicht rechtzeitig fertig. Bombay wird dir helfen.“

Nagi schnappte nach Luft und starrte Omi mit weit aufgerissenen Augen an.

Dieser schien nicht so recht zu wissen, wo er hinschauen sollte, aber sein Blick wanderte unmissverständlich wieder und wieder unsicher zu Schuldig... Nicht ein Unsicher wie »bestimmt reisst er mir gleich den Kopf ab« sondern ein »bitte hilf mir, was soll ich tun?«.

Innerlich brodelte Nagi am Siedepunkt. Also mal wieder Schuldig! Aber was zum Teufel hatte der Deutsche denn diesmal angerichtet?

Später... Gerade jetzt hatte er ein anderes Problem.

Er sollte Hilfe brauchen? Von dem Sugar-Boy hier?! „Den Teufel wird er! Ich brauche ihn nicht!“

Crawford gab methodisch wie ein Uhrwerk die Antwort, die Nagi ohnehin erwartet hatte: „Du wirst mit ihm zusammenarbeiten. Hast du verstanden?“

Ja, er hatte mit dieser Antwort gerechnet. Aber sie machte ihn deswegen nicht weniger wütend. Er zog seine Brauen zu einem Sturmgewitter zusammen und funkelte Crawford böse an. Und wehe es kam für ihn dabei nichts heraus!

Einen Blick warf er noch zu Schuldig. Wenn das deine Schuld ist, kriegst du was zu hören!, versprach er dem Telepathen.

Brad hat ihn hergerufen, nicht ich.

Nagi ging nicht weiter darauf ein. Das hatte er schon vermutet, er war aber trotzdem ĂĽberzeugt, dass das Ganze irgendwie die Schuld des Deutschen war!

Nun auch um das allerletzte Bisschen seiner bis dahin noch nicht ganz versauten Laune gebracht, drehte er sich um und stapfte zur Türe. „Also los. Komm mit.“ Er sah sich nicht um, ob der Weiss-Assassin ihm folgte. Er würde ihn bestimmt nicht beim Händchen führen!

In seinem Zimmer verwies er den anderen an den zweiten, laufenden Computer. „Da. Du kannst dort weitermachen.“

Der Junge hinter ihm räusperte sich. „Ähm... Ich muss noch zu Hause anrufen. Die denken, ich bin auf einem Lieferauftrag.“

Innerlich zuckte Nagi beim Erwähnen von Bombays Zuhause zusammen. Nun, natürlich würden die »Guten« ein Zuhause haben... Ein Zuhause in dem sie so tun konnten, als geschähe nichts in ihrem Keller. Als würden sie nicht des Nachts losziehen um Leute zu ermorden...

Er zwang sich zur Ruhe und fragte Schuldig um Anweisungen.

Schu! Er will zu Hause anrufen, die denken er liefert etwas. 

Sekunde, kam die prompte Antwort und eine kurze Pause. Er soll anrufen, aber Brad hört am anderen Apparat mit.

Nagi nickte zufrieden. Wenigstens hatte Crawford noch nicht ganz den Verstand verloren.

Trotzdem passte ihm das alles nicht. „Na schön. Fein. Dort drüben ist ein Telefon. Crawford hört am anderen Apparat mit, also sei vorsichtig.“

Omi schnaubte, schien von der Drohung nicht wirklich beeindruckt. „Glaubst du vielleicht, ich will, dass die anderen davon hier Wind bekommen?“

Nagi dachte darüber nach. Wahrscheinlich eher nicht... Er grinste. Seine Teammitglieder würden ihn wohl auseinander nehmen... Eine schöne Vorstellung.

Mit einem Ohr hörte er bei dem Telefongespräch mit, allerdings nicht ohne die Augen zu verdrehen. Omi klang nervös, musste sich ständig Worte zusammensuchen, und man hörte einfach heraus, dass er ein Loch in den Boden log. Was für ein Haufen inkompetenter Deppen!

Und gerade als er wieder weiterarbeiten wollte...

„Ähm... N-Nagi?“

Nagi war danach, sich die Tastatur auf den Kopf zu donnern. „Was?“ Idioten!

Alles Idioten!

„Ich... ich hab schon einen Teil der Recherche fertig bei mir zu Hause. Ich muss online gehen, um es zu holen. Hast du mir das Passwort, oder muss ich mich reinhacken?“

Nagi fühlte sich wieder ein paar Grad kälter... Zu Hause... Und jetzt wollte der Typ mit dem Zuhause auch noch sein Passwort... Was soll’s. Schlimmer kann’s nicht werden... „Kodoku.“ [*s. am Schluss]

Er hörte deutlich, wie Omi zögerte. Auch das noch! Es ging den doch gar nichts an! Der sollte sich um seinen eigenen Dreck kümmern! „Mach endlich“, platzte er kalt heraus. „Und es geht dich absolut nichts an!“

Zufrieden hörte er darauf, wie Omi tatsächlich mit der Arbeit begann. Gut. Aber jetzt hatte er auch das Anrecht auf eine Frage. Und da gab es eine...

Nagi wartete einen geeigneten Moment ab, in dem beide Computer rechneten.

„Bombay.“ Zufrieden bemerkte er, wie der andere leicht zusammenfuhr.

„Was?“

„Warum bist du hier?“, fragte Nagi.

„Crawford hat mich eine Lieferung hierher bringen lassen. Dann hat er mir von eurem Auftrag erzählt“, erwiderte Omi kühl.

„Das weiss ich auch!“, fauchte Nagi ungeduldig. Wollte der ihn für dumm verkaufen?

„Warum fragst du dann?“

Dieser selbstgefällige, kleine...! „Du kannst mir nichts vormachen! Schuldig hat etwas damit zu tun. Du vertraust Crawford nicht und mir auch nicht, das war ja wohl deutlich sichtbar. Und ausser uns war nur noch Schuldig im Zimmer, der übrigens einen wirklich bescheuerten Gesichtsausdruck drauf hatte.“ ‚So, jetzt versuch mir doch mal das zu erklären, du Schlaumeier!’

„Aha.“

Nagi hätte an die Decke gehen können. Ein paar Blätter auf seinem Schreibtisch flatterten bereits verdächtig.

Na schön. Dann eben taktisch. „Er hat ausserdem seine Ausgehgewohnheiten geändert. Früher war er öfters weg, kam aber nach ein paar Stunden wieder. Jetzt geht er nicht mehr so oft, dafür aber manchmal die ganze Nacht.“ Und nun zum Todesstoss: „Du lässt dich von ihm flachlegen, nicht?“

Omi war offenbar sprachlos. Aber nicht etwa schockiert, sondern wĂĽtend.

Nagi versuchte mehr oder minder erfolgreich seine eigene Überraschung zu verbergen. „Es stimmt???“

„Wie du vorhin so schön gesagt hast: Es geht dich absolut nichts an.“

Nagi holte mehrmals tief Luft. Das... das konnte doch einfach nicht sein! Waren denn alle verrückt geworden??? Wie blöd musste man eigentlich sein, um sich mit einem feindlichen Killer einzulassen? Mit einem feindlichen, telepathischen Killer wie SCHULDIG???

Bisher hatte er Bombay ja einfach fĂĽr weltfremd gehalten, aber jetzt war er der festen Ăśberzeugung, dass er reif fĂĽr die Klapse war in Farfarellos Nachbarzelle.

„Aber warum?“, war alles, was er nach Langem herausbrachte. „Warum lässt du dich ausgerechnet mit ihm ein?“

Erst sah es so aus, als wolle Omi nicht darauf antworten. Der Computer piepte und der junge Killer wandte sich wieder seiner Arbeit zu, sagte dann aber leise: „Kodoku.“

Ha! Was für ein Witz! Weiss’ jüngster Liebling war einsam? „Phh. Ich dachte immer, ihr bei Weiss macht einen auf dicke Freundschaft.“

Omi knallte die Hände auf den Tisch und sagte, ohne sich umzudrehen: „Sie sind meine Familie und bedeuten mir alles. Aber sie sind es gewohnt, dass ich immer lieb und brav lache und fröhlich bin. Ich hab aber nun mal nicht immer Bock drauf, okay? Aber ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen, also spiele ich es ihnen vor.“

Nagi hörte erstaunt zu. Weiss’ Nesthäkchen hatte »nicht immer Bock drauf«, der Liebling zu sein?

Und Fujimiya schaut sich in seiner Freizeit immer Zeichentrickfilme an, oder was? Nagi schnaubte innerlich.

Ein Omi, der nicht Omi sein wollte... das... das war einfach nicht richtig! So hatte die Welt nicht zu sein!

Bombay sah ihn über die Schulter hinweg an. „Bei Schuldig ist das anders. Dazu kommt noch, dass er der einzige ist, der über meinen Job Bescheid weiss.“ Leise fügte er nach einer kurzen Pause an: „Es erleichtert, darüber reden zu können.“

Nagi starrte lange den RĂĽcken des anderen Killers an, als er weiter arbeitete.

Was der da gesagt hatte... klang ĂĽberhaupt nicht... weltfremd... Es klang nicht wie durch eine rosa Brille, wie er sich Omis Gedanken immer vorgestellt hatte.

Es klang... real.

 

Am nächsten Morgen stand Nagi auf dem Balkon und überlegte ernsthaft, ob er nicht einfach springen sollte...

Nach dem, was er eben noch aus einem der anderen Zimmer gehört hatte, klang der Tod gar nicht mehr so schlecht.

Es war schon schlimm genug zu wissen, dass sich zwischen den beiden etwas abspielte. Aber das blosse Wissen löste nicht solche Bilder in seinem Kopf aus, wie diese Geräusche!

’Ist mir schlecht.’

Es war ihm ohne zu ĂĽbertreiben absolut schleierhaft, wie Omi sich mit Schuldig einlassen konnte.

Er schĂĽttelte den Kopf, als ihm sein letzter Gedanke bewusst wurde. Er ĂĽberlegte sich, was Omi dachte? Nicht etwa Schuldig?

Na schön, zugegeben, Schuldig dachte nie besonders viel, wenn es um sein persönliches Amüsement ging... Aber dieses sah früher so ganz anders aus. Laut Crawford ging das Ganze schon seit zwei Monaten so.

Zwei Monate... Nagi schüttelte den Kopf. Noch nie hatte etwas oder jemand Schuldigs Interesse so lange halten können... War das ein Grund zur Besorgnis?

Wohl eher nicht. Crawford hätte doch bestimmt etwas dagegen unternommen, nicht wahr?

Zwei Monate. Zwei ganze Monate! Bedeutete das, jetzt wo der Goldjunge schon mal hier war, dass er öfters herkommen würde?

Er seufzte. Das war wohl... unumgänglich. Na toll. Ausgerechnet den als Hausgast!

Blieb zu hoffen, dass es Schuldig bald mit seinem Spielzeug langweilig wurde...

Aber irgendwie bezweifelte Nagi das. Da war gestern den ganzen Abend lang etwas in Schuldigs Augen. Etwas, wovon Nagi ĂĽberzeugt war, dass es heute noch deutlicher zu sehen sein wĂĽrde...

Er hielt sich mit beiden Händen am Geländer fest und legte resignierend den Kopf darauf. ’Mir ist wirklich, wirklich schlecht...’

 

 ***

Wieder waren zwei Monate vergangen, und Nagi hatte in einem Punkt Recht behalten: Es war nicht bei dem einen Besuch von Omi im Februar geblieben. Aber entgegen seiner Befürchtungen war das heute erst der dritte Besuch seither. Nun, es hätte schlimmer kommen können.

... Und bei genauerem Ăśberlegen war es das auch...

Immerhin sass er jetzt hier und spielte Scrabble mit seinem Erzfeind. Scrabble!

 

Der Rest von Schwarz war auf einem Auftrag, und Nagi konnte Crawford davon ĂĽberzeugen, dass er heute schon genug gearbeitet hatte. So gerne er am Computer sass, aber der Marathon, der vor drei Tagen angefangen hatte, hatte ihm die Freude an seinem liebsten Zeitvertreib grĂĽndlich verdorben.

Zwei der drei Tage hatte er noch UnterstĂĽtzung von Omi bekommen - die er diesmal in Anbetracht der Arbeitsflut ohne Murren angenommen hatte.

Was sie in die jetzige Situation brachte: Beide konnten keinen Bildschirm mehr sehen, was Fernsehen oder Computerspiele ausschloss... Und mangels besserer Unterhaltung hatte Nagi ein verstaubtes Spielbrett aus dem Schrank geholt.

Aber Nagi hatte aufgehört, sich darüber den Kopf zu zerbrechen... Er war gerade dabei zu gewinnen. „Lamentieren“, zitierte er die Buchstaben, die vor ihm lagen zufrieden.

Omi hatte sein Kinn auf eine Hand gestützt und schüttelte den Kopf. „Du hast gewonnen.“

„Ja!“ Es war merkwürdig, sich mal wie ein (einigermassen) normaler Teenager zu verhalten, aber auch ungemein befreiend. Wie eine Verschnaufpause. Beinahe hatte er vergessen, wer der Junge ihm gegenüber war...

Omi grinste zurück. „Damit steht’s unentschieden.“

„Verdammt, das hab ich vergessen.“

Omi lachte. „Ich schlage dich noch.“

Nagi hob ruhig eine Augenbraue. “Ist dir eigentlich egal, wo du hier bist?“

Omi wurde sofort ernst, die gute Laune erst mal verstaut. „Nein. Was denkst du denn?“

Nagi zuckte die Schulter. „Ich werd aus dir nicht schlau. Warum bist du dann hier?“

„Was für eine blöde Frage“, schnaubte Omi. „Erstens kann ich hier Schu sehen, ohne in ein Hotel zu müssen, was wirklich manchmal anstrengend ist. Zweitens habt ihr Hilfe gebraucht, und wie mein nimmermüder Liebhaber so schön zu formulieren pflegt: Ich bin einfach zu gutmütig und hilfsbereit.“

„Würdest du uns auch helfen, wenn es ein Auftrag wäre, der dir nicht »zusagt«?“

„Wenn du damit meinst, jemand Unschuldigen zu töten, ist die Antwort Nein. Falls du meinst, jemanden töten, der nicht auf Kritikers Liste steht... Was denkst du, was ich die letzten zwei Tage getan habe?“

Nagi grinste. „Keine Angst, erwischt zu werden?“

„Doch. Natürlich. Aber es war das Richtige“, antwortete Omi ruhig.

„Wir hätten dich auch bezüglich der Zielperson anlügen können.“

Omi lachte knapp auf. „Glaubst du allen Ernstes, ich hätte die Info nicht selbst auch noch überprüft?“

Nagi lehnte sich etwas vor. „Du vertraust Schu nicht? Ich dachte, du liebst ihn.“

„Ich liebe ihn“, bestätigte Omi. „Und ich vertraue ihm... auf persönlicher Ebene. Was das Geschäftliche angeht, bin ich mir noch nicht so ganz sicher.“ Er grinste. „Ausserdem bin ich zu gut in meinem Job, um Dinge nicht zu überprüfen, die man mir sagt.“

„Du überprüfst Kritiker-Aufträge?“, fragte Nagi ungläubig.

„Was dachtest du denn?“

Nagi lachte laut. „Du bist ja doch nicht so dämlich, wie ich immer gedacht hatte.“

„Danke“, murmelte Omi sarkastisch.

„Was ist mit Schu?“

„Was ist mit ihm?“

„Warum vertraust du ihm? Er ist nicht gerade die Vertrauenswürdigkeit in Person.“

Omi dachte kurz darüber nach. Natürlich, er liebte den Mann, aber das erklärte nicht, warum er ihm auch vertraute. „An unserem ersten Abend dachte ich, er würde mich töten. Das hat er nicht. Er hat mich am Leben gelassen. Er behandelt mich gut, mehr als gut. Und wenn man es genau nimmt, hat er eigentlich nichts davon, sich mit mir einzulassen. Für Informationen braucht er mich nicht. Und für etwas anderes bin ich euch nicht wirklich von Nutzen.“

„Was ist mit Dingen wie heute?“

Omi zuckte die Schultern, während er die Buchstaben vom Spiel neu verteilte.

„Solange ich meinen Leuten damit nicht schade, ist es mir eigentlich ziemlich egal.“

Abwesend sah Nagi sich die Plättchen durch. „Soviel dazu. Und jetzt sag mir warum.“

Omi lachte. Es war ein gutes Lachen. Er fand die Situation wirklich lustig. Einfach nur mit seinem Erzfeind hier zu sitzen und zu spielen, sich zu unterhalten... „Hatte ich dir das nicht schon mal gesagt?“

Nagi dachte darĂĽber nach. Ja, da war was. Bei ihrem »ersten« Aufeinandertreffen hatte Omi etwas von Einsamkeit gesagt. Aber er konnte sich nicht vorstellen, ass Omi tatsächlich einsam war...  „Du sagtest Kodoku.“

„Ja, sagte ich.“

Nagi drehte einen Buchstaben zwischen zwei Fingern. „Egal, was du mir gesagt hast, ich glaube dir nicht, dass du einsam bist.“

Omi grinste. „Du kennst mich ja schon ganz gut dafür, dass du mich nicht kennst.“

„Sehr komisch“, schnaubte der andere.

Omi seufzte. „Vielleicht ist einsam das falsche Wort. Ich meine, wir haben nicht gerade eine Arbeit, mit der man leicht fertig wird. Und ich weiss, dass die anderen sich um mich Sorgen machen. Also denke ich, wenn ich meinen Freunden nicht alles sagen kann, dass ich manchmal einsam bin. Aber...“ Er schüttelte den Kopf. „Das macht alles keinen Sinn. Ich weiss auch nicht... Wenn ich bei Schuldig bin, fühle ich nicht allein, und ich fühle mich seither mit meinen Freunden nicht mehr allein.“

Nagi schien skeptisch. „Vorher warst du mit deinen Freunden allein, aber jetzt nicht mehr?“

Omi zuckte eine Schulter. „So in etwa.“

Nagi schluckte. Er hatte doch Recht. Dieser Bengel hatte keine Ahnung, was Einsamkeit wirklich bedeutete.

„Das Passwort hat eine Bedeutung, nicht wahr?“

Nagi starrte ihn böse an.

Omi senkte den Blick sofort. Er wusste nicht, ob er sich überhaupt vorstellen wollte, wo Nagis Hass auf die Welt herkam... Aber er hatte eine ungefähre Vorstellung, da er bereits Schuldigs Vergangenheit kannte. „Wie bist du zu Schwarz gekommen?“

Nagi schnaubte. Wie konnte dieser Junge immer die richtigen Fragen stellen?

„Lass nur“, wehrte er schnell ab. „Sag mir einfach... Bist du wirklich noch einsam?“

Nagi drehte und wendete diese Aussagen lange hin und her, die Buchstaben vor sich hatte er längst vergessen. Warum redete er überhaupt mit ihm? Warum?

Warum... nicht? „Crawford hat mich gefunden“, sagte er schliesslich.

Omi sagte nichts.

„Davor war ich einsam. Kurzum: Crawford hat mich auf der Strasse gefunden“, schloss er schnell. Er legte den Kopf schief. Es war merkwürdig. So hatte er nie... er hatte nie... „Vielleicht... war ich danach nicht mehr so einsam“, räumte er ein.

„Aber die Vergangenheit lässt einen manchmal so fühlen, auch wenn es längst vorbei ist.“

Nagi verdrehte die Augen. Na schön, vielleicht wusste der andere doch, was Einsamkeit bedeutete. Ein Bisschen...

Omi seufzte laut und lehnte sich einen Augenblick lang zurück. Dann setzte er sich aufrecht hin und streckte Nagi eine Hand entgegen. „Waffenstillstand?“

Nagi starrte sein GegenĂĽber baff an. Das war doch nicht sein Ernst?

Omi wartete geduldig. „Ich war wohl nicht das letzte Mal hier, und ich will mich nicht jedes Mal mit dir streiten. Das hier“, er nickte zum Spielbrett, „macht mehr Spass.“

Nagi lachte knapp. „Du bist ein ziemlich schräger Vogel.“ Er grinste schliesslich und griff nach der Hand. „Das bedeutet aber nicht, dass ich dich von Berufswegen nicht auseinandernehme, wenn es darauf ankommt.“

Omi grinste zurück. „Natürlich nicht.“

„Süss“, kam die amüsierte Stimme vom Eingang.

Omi schoss schon hoch, ehe er aufsah und rannte auf den Mann zu, der eben mit zwei weiteren zurĂĽckgekommen war. Die beiden ignorierten alle anderen und kĂĽssten sich tief und lange.

Nagi seufzte und verdrehte die Augen, Crawford rĂĽckte seine Brille zurecht - eine Geste, die im Allgemeinen anzeigte, dass er nach Geduld suchte - und Farfarello lachte vor sich hin und murmelte etwas davon, wie sehr Gott leiden wĂĽrde.

Nagi gab ein angewidertes Geräusch von sich, als er aus dem Augenwinkel sehen konnte, wie Schuldigs Zunge im Mund von Omi verschwand und Omi offensichtlich begeistert erwiderte. Er wandte sich ganz ab. Das musste er nicht sehen. Hatten die denn kein Schamgefühl? Nun, er wusste, dass Schuldig keins hatte, aber Omi... Er seufzte erneut. Omi war wohl einfach schon zu lange mit Schuldig zusammen.

Er grinste. Jetzt verstand er auch, was Farfarello so gut daran gefiel... Der Fall eines Engels.

Obwohl Omi irgendwie... er schien... »glücklich« war wohl das Wort, das er suchte. Wahrscheinlich noch eins der Dinge, die sich die Guten erlauben konnten.

GlĂĽck.

 ***

Ahh. Stille. Angenehme Stille.

Nagi stand auf dem Balkon und genoss einen Kaffee in der sommerlichen Morgensonne.

Zwei Wochen Stille. Zwei ganze Wochen ohne Schuldig und seine Spiele und Neckereien... und natĂĽrlich kein Besuch von Omi in der Zeit.

Urlaub fĂĽr die beiden, bedeutete Urlaub fĂĽr ihn.

Es ging ihm gut. Es ging ihm sogar so gut, dass er still fĂĽr sich zugab, dass ihm der Team-Telepath ein kleines Bisschen fehlte. Nur still fĂĽr sich... und auch nur ein ganz kleines Bisschen.

Er hörte, wie sich die Balkontüre hinter ihm öffnete.

Farfarello schlief noch, also konnte es nur einer sein...

„Nagi“, der Amerikaner nickte ihm knapp zu. „Komm in mein Büro.“ Damit ging er wieder zurück ins Apartment.

Nagi hob verwundert eine Augenbraue. Crawford war nie ein sehr gesprächiger Mann gewesen, und es war auch nicht so, dass er ein paar Worte mehr von ihm erwartet hätte... Aber die Art, wie er sie sagte... Es ging um etwas Ernstes.

Nicht im Sinne von Job-Ernst... sondern zum-Wohl-des-Teams-Ernst. Und das bedeutete im Allgemeinen nichts Gutes. Das letzte Mal hatte er diesen Ausdruck auf dem Gesicht des anderen gesehen, als Crawford dem Team mitteilte, dass sie sich von Esszett lösen würden - mit anderen Worten, sie hintergehen und ausschalten...

Aber damals war das ganze Team anwesend... Und es hatte damals auch keiner was dagegen gehabt, die alten Narren zu erledigen.

Warum also dieser Ton, wenn Schuldig nicht da war und Farfarello schlief?

Nagi leerte seine Tasse und seufzte. Es war wahrscheinlicher, dass er sich das einfach nur einbildete, und Crawford vielleicht nur schlecht geschlafen hatte...

 

’Wenn Schuldig nicht da ist?’, fragte seine innere Stimme.

Nagi schĂĽttelte den Kopf, brachte seine Tasse in die KĂĽche und folgte Crawford in sein BĂĽro. Schuldig war ja nicht der einzige Grund fĂĽr einen Killer, schlecht zu schlafen...

Er fand den Mann an seinem Schreibtisch sitzend vor und setzte sich auf eine Geste hin auf den Stuhl ihm gegenĂĽber. Stumm wartete er.

Crawford sagte lange nichts, sass nur da, mit seinem Kinn auf seinen gefalteten Händen gestützt. Abwägend sah er den jungen Mann an.

Nagi rutschte unsicher auf dem Stuhl herum. Das war nicht gut. Nein, das war gar nicht gut. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Schuldig war nicht da, Crawford wollte mit ihm reden. Das konnte doch eigentlich nur bedeuten, dass Crawford Bedenken hatte wegen Schuldigs Beziehung, oder?

Nicht gut. Nein, gar nicht gut.

Schliesslich begann der Amerikaner scheinbar gelassen: „Wie denkst du über Omi?“

Nagi fühlte sich, als hielte ihn ein Magnet an seinem Stuhl fest. Umherrutschen konnte er plötzlich nicht mehr. „Was soll ich schon von ihm halten?“

„Ich will eine ehrliche Antwort.“

Nagi zögerte. „In Bezug auf das Team?“

„In Bezug auf dich im Team.“

Nagi verarbeitete die Information. „Also, wie ich als Schwarz ihn als Weiss in unserer »näheren Umgebung« sehe?“

Crawford deutete ihm fortzufahren.

Nagi dachte darüber nach. „Ich denke nicht, dass er Probleme macht, wenn es das ist, was du hören willst.“

Crawford lehnte sich in seinem Sessel zurĂĽck und kreuzte die Arme.

Nagi nahm das als Zeichen, weiter auszuführen. „Ähm... Und mir persönlich ist es egal, wenn er hier ist. Er kommt ja nicht so oft her und wenn, dann nicht meinetwegen.“

Crawford seufzte. „Und wenn er öfter herkommen würde?“

Nagis Augen schmälerten sich. „Was hast du gesehen?“, fragte er klar.

Offensichtlich wollte Crawford etwas Bestimmtes von ihm hören. Aber er konnte keine genaue Antwort bei einer ungenauen Frage geben...

Crawford hatte das erwartet. Er fuhr fort: „Nagi... Es wird sich viel ändern, wenn Schuldig wieder zurück kommt.“

Nagi lachte knapp auf. „Was? Will Omi bei uns einziehen?“

Crawford sagte nichts.

Nagis Kiefer klappte nach unten. „Das ist doch nicht dein Ernst!“

Crawford schob seine Brille zurecht. „Ich fürchte, es ist etwas komplizierter als das.“

Warum wollte Crawford das mit ihm besprechen?

„Wie gut sind deine Schilde gegen Schuldig?“

Nagi blinzelte verblüfft. Das war eine gute Frage. Die meiste Zeit achtete der Telepath seine Privatsphäre - in einem gewissen Rahmen. „Ganz gut, denke ich. Es ist nicht so, dass ich ihn blocken kann, wenn er etwas wirklich wissen will, aber normalerweise gibt es ja nichts, das ihn bei mir so sehr interessieren würde.“

Crawford nickte. „Kannst du etwas zwei Tage lang vor ihm verheimlichen, wenn er wieder da ist?“

Nagi dachte darüber nach. „Ja. Ich glaube, ja.“ Das gefiel ihm nicht. Sie würden doch nicht gegen Schuldig vorgehen? „Crawford...? Was... was ist hier los?“

Crawford sammelte offensichtlich seine Gedanken. „Nagi... Vor etwas mehr als einem Jahr hatte ich eine Vision. Eine Langzeitvoraussage, in der von Schwarz und Weiss keiner überlebt hätte.“

Nagis Augen weiteten sich langsam.

Crawford fuhr fort: „Schuldig und Omi hätten sich bereits im letzten Dezember gegenseitig getötet, wir anderen wären darauf einer nach dem anderen gefolgt, der letzte vor zwei Monaten.“

Nagi schüttelte den Kopf. „Aber... Ich dachte, sie seien seit November zusammen...?“

Crawford nickte. „Das war die einzige Möglichkeit, die ich gesehen habe, um die Kettenreaktion aufzuhalten.“

Nagi konnte ein Lachen nicht zurückhalten. „Du hast Schu und Omi verkuppelt?“

Crawford räusperte sich. „Ich würde nicht sagen verkuppelt. Ich habe dafür gesorgt, dass Schuldig im richtigen Moment ausgeht, und Omi ebenfalls die Möglichkeit dazu hat.“

Nagis Lachen verstummte sofort. Dafür gesorgt, dass Omi auch... „Wer?“ Kein Zweifel, dass Crawford Hilfe aus Weiss’ eigenen Reihen hatte.

Crawford grinste zufrieden. Nagis Hang zur Logik mochte er, es erinnerte ihn an sich selbst. „Fujimiya.“

„AYA???“, platzte Nagi sofort heraus.

Crawford nickte ruhig.

„Wie zum Teufel hast du ihn dazu gebracht, dir zu helfen???“ Nagis sonst intakte Fassung war völlig weg.

Crawford lehnte sich etwas vor. „Ich hatte sonst keinen Grund, ihn um Hilfe zu bitten. Ra... Aya hat das irgendwann eingesehen.“

Nagis Blick bohrte sich durch Crawford. Der Mann wollte »Ran« sagen. Nagi kannte die Geschichte um Fujimiyas Schwester und deren Namen... Nie hatte einer von Schwarz Abyssinian bei etwas anderen als bei seinem Nachnamen, seinem Codenamen oder ab und zu bei seinem angenommen Vornamen genannt! Warum also Crawford...?

Nagi kam auf eine Antwort. Er seufzte laut und hielt sich eine Hand vors Gesicht. „Du also auch, ja?“

Crawford antwortete nicht.

Nagi schüttelte den Kopf. „Klar... Wieso auch nicht!? Ich meine, Schuldig und Omi macht ja auch keinen Sinn... Aber du und Fujimiya??? Verdammt, Crawford! Was passiert hier? Und warum weiss niemand etwas davon?!“

Crawford blieb ruhig. „Nur Aya weiss davon. Ich brauchte einen Insider bei Weiss. Einen, den Schuldig nicht lesen will. Es auch nur einem anderen zu sagen war ein zu hohes Risiko. Wenn Schuldig Wind von dem Plan bekommen hätte, wäre vielleicht alles schief gegangen.“

Nagi wusste nicht, ob er wütend war oder aber Angst hatte... „Warum...“ Er holte tief Luft. „... Warum sagst du es mir jetzt?“

„Zum Teil, weil ich deine Teilnahme brauchen werde, wenn wir Weiss von Kritiker holen. Aber das hätte ich dir auch wie Schuldig an dem Tag selbst sagen können...“ Er seufzte, und sein Gesichtsausdruck wurde etwas sanfter. „Nagi...

Mir ist bewusst, dass du erst langsam anfängst, dich in Schwarz integriert zu fühlen. Nun, in drei Wochen wird sich unser Team um vier Mitglieder erweitern.“

Nagi zitterte leicht.

Crawford rückte seine Brille zurecht und begann langsam: „Trotz der unüblichen Umstände, was unseren Job angeht, bist du mein Adoptivsohn und ich für dich verantwortlich... Das wird sich nicht ändern, nur das Team“, schloss er fest.

Nagi schloss kurz die Augen. Crawford war alles, was er an einem Vater kannte. Und in seiner eigenen, emotionskargen Art hatte dieser Vater ihm gerade gesagt, dass er immer für ihn da sein werde... Er grinste, auch wenn ihm das alles nicht gefiel... In einem Haus mit Weiss... „Was du mir also damit sagen willst, ist... dass ich eine schwertschwingende böse Stiefmutter bekomme, ja?“

Crawford, der diese Antwort offensichtlich nicht vorausgesehen hatte, lachte laut, und Nagi stimmte mit ein.

Nach einer Weile fragte Nagi: „Wirst du es Farf sagen?“

„Farfarello erfährt es mit Schuldig beim offiziellen Briefing. Er scheint aber bereits etwas zu wissen. Ich habe keine Ahnung woher, oder wie viel... Aber er weiss definitiv etwas.“

Nagi fiel plötzlich diese eine Konfrontation mit Weiss ein, als Crawford mit Fujimiya verhandelte... - Er lächelte knapp. Das war wohl auch gestellt gewesen. - Damals war ihm aufgefallen, wie Farfarello an Omi und Aya Interesse gezeigt hatte...

Crawford hob eine Augenbraue. „Was?“

Nagi war in Gedanken. „Die eine Mission im Januar, wo wir auf Weiss gestossen sind...“

„Was ist damit?“

Nagi grinste. „Gute Performance...“ Er lachte knapp.

Crawford grinste.

„Ich meine... Farf hat dort ständig auf Aya und Omi gestarrt und war danach so zufrieden. Er hat etwas von Engeln und beschmutzten Flügeln geredet... Ich denke, er weiss es.“

Crawford nickte bestätigt. „Das ist mir nicht entgangen.“

Noch etwas beschäftigte Nagi. „Also... Was ist der Deal mit dir und Aya?“

„Ich dachte, das ist klar.“

Nagi legte den Kopf schief. „Omi liebt Schu. Und Schu... Na ja, vielleicht liebt er ihn nicht, aber...“

„Das ändert sich noch, bis sie wieder da sind.“

Nagi blinzelte. Schuldig verliebte sich? Das passte zusammen wie Öl und Wasser... „Ooo~kay...“ Er zuckte die Schultern. “Also. Was ist mit euch?”

Crawford setzte zu einer Antwort an.

Nagi unterbrach ihn, ehe er zu Wort kommen konnte. „Ich will eine ehrliche Antwort, Brad“, grinste der junge Mann.

Crawford zögerte.

Nagi hatte nicht das GefĂĽhl, dass Crawford sich diese Frage nie gestellt hatte, sondern eher, dass der es sich nicht erlaubte, sie zu beantworten.

Die Antwort kam dennoch: „Nagi... weder Fujimiya noch ich sind... Gefühlsmenschen...“ Er schien nicht ganz zufrieden mit der Wahl des letzten Wortes.

Nagi grinste. „Schuldig schon? Und ihr trefft euch schon länger, nicht?“

Crawford seufzte. „Schuldig ist ein sehr emotionaler Mensch...“

Nagi lächelte. „Was in seinem Fall nicht immer etwas Gutes ist.“

Crawford lachte leicht. „Nein. Normalerweise wohl nicht.“

Nagi wartete. „Keine Antwort?“

„Keine, die ich dir geben kann.“

„Keine, die du dir geben willst“, seufzte Nagi und stand auf. „Ist deine Sache, Brad. Mach was du willst.“ Damit verliess er den Raum.

 

In der folgenden Nacht wĂĽrde Nagi wieder zu Crawford gehen und sich zwingen, nicht darĂĽber nachzudenken, dass er das bald nicht mehr tun konnte...

 

 ***

Schuldig kam nach Hause. Brad hatte ihn einkaufen geschickt. Er war doch nicht das Dienstmädchen!

Crawford hatte sich nichts anmerken lassen, aber Schuldig konnte förmlich riechen, dass da noch etwas war, wovon er nichts wusste.

Es gab nur zwei Gründe, dass Crawford ihm solche »Strafarbeit« andrehen würde.

Erstens: Als Ausgleich fĂĽr die Ferien.

Zweitens: Er wollte ihn aus dem Haus haben.

Das erste fiel aus, da Crawford ja schliesslich den Urlaub selbst genehmigt hatte, und der Mann im Allgemeinen nicht von einem Standpunkt zurĂĽcktrat.

Blieb nur die zweite Möglichkeit, was seine Theorie bestätigte, dass etwas am Laufen war.

Er platzte durch die Vordertür des Apartments. „Bin wieder da!“, verkündete er lautstark.

Es dauerte keine zwei Sekunden, da spürte er Crawfords Präsenz in seinem Kopf.

Er öffnete einen Link: Was willst du? Muss ich das Klo putzen?

In mein BĂĽro.

Schuldig schnaubte. Erst einkaufen und jetzt auch noch dieser Ton!

WĂĽtend liess er die EinkaufstĂĽte auf den KĂĽchentisch fallen und stapfte in Richtung BĂĽro.

Bereits bevor er eintrat, bemerkte er die Anwesenheit des ganzen Teams.

Vermutlich ein Auftrag. Alles war besser, als Mädchen für alles zu sein.

Er schloss die TĂĽre hinter sich und setzte sich auf den leeren Stuhl neben Nagi und Farfarello.

Brad thronte wie immer hinter seinem Schreibtisch.

„Also, Bradley, was ist hier los?“

Crawford räusperte sich verärgert über den Gebrauch seines Vornamens und rückte seine Brille zurecht. „Ich werde ein paar Fragen stellen, und ich will klare, prompte Antworten“, legte er fest.

Schuldig hob eine Augenbraue und grinste sein Standardgrinsen. „Schiess los.“

„Was empfindest du für Tsukiyono?“, fragte Crawford gewohnt kühl.

Schuldigs Grinsen schwand sofort. „Das ist nicht witzig, Crawford.“

„Sollte es auch nicht sein. Ich erwarte eine Antwort.“

„Das geht dich nichts an“, zischte er.

„Wenn es um die Teamsicherheit geht, geht es mich etwas an“, kam die Antwort.

Schuldig schnaubte. „Selbst wenn Omi uns etwas anhaben wollte - was er nicht tut - hätte er keine Chance, und das weiss er.“

Crawfords Mundwinkel zuckten und zeigten den Anfang eines Grinsens. „Ich habe nicht von Schwarz gesprochen.“

Schuldig stutzte. Er hatte eine böse Ahnung. „Was? Du meinst Weiss?“

Crawfords Grinsen wurde breiter. „Da du auf dieser Kreuzfahrt zu beschäftigt warst mit... was auch immer... ist es deiner Aufmerksamkeit entgangen, dass euch zwei Kritikeragenten begleitet haben.“

Nagi behielt Schuldigs Reaktion genau im Auge. Je heftiger die ausfallen würde, umso stärker auch seine Gefühle für den feindlichen Hacker.

Schuldig schoss aus seinem Stuhl. „Fuck, Brad! Wieso hast du mich nicht gewarnt?!“, schrie er.

Crawford seufzte ruhig. „Setz dich wieder hin. Wenn alles klappt, passiert deinem Kleinen nichts.“

Schuldig setzte sich, aber sein wutverzerrtes Gesicht blieb.

„Es war unvermeidlich, dass Kritiker früher oder später hinter euer Geheimnis kommen würden. Jetzt war der beste Zeitpunkt.“ Er wartete. „Ist es dir nie in den Sinn gekommen, dass ich das alles geplant habe? Dass ihr längst aufgeflogen wärt, hätte ich nicht eingegriffen?“

Schuldig dachte nach. „Seit wann? Seit wann planst du mein Leben und sagst mir nichts davon?“, fragte er kalt.

Crawford lachte amüsiert. „Das habe ich immer getan. Aber ich nehme an, du spielst auf Tsukiyono an...“ Er erwiderte Schuldigs starren Blick. „Der zehnte November letzten Jahres, als ich dir freigegeben habe. Ich habe damals schon gewusst, was heute passieren würde.“

Schuldig funkelte ihn düster an. „Und was passiert heute?“

„Kritiker stellen Bombay zur Rede. Er weigert sich, die Beziehung zu dir zu beenden, und lehnt den Auftrag ab, gegen Schwarz vorzugehen. Weiss steht hinter seiner Entscheidung, folglich wird Kritiker sie ausschalten wollen. Das wird passieren.“

Nagi grinste, als er das sanfte Licht in den Augen des Telepathen sehen konnte, als der hörte, dass Omi sich nicht gegen ihn wenden würde.

Schuldig blinzelte.

Crawford sah auf die Uhr und fuhr fort: „Wir haben genau eine halbe Stunde, um zum Blumenladen zu fahren, die zwei Killerteams vor Ort kalt zu stellen, damit du genug Zeit hast, Tsukiyono aus seinem Schockzustand zu holen, ehe er sich darin verliert.“

Schuldigs Augen weiteten sich. „Verliert? Was soll das heissen?“, verlangte er zu wissen.

„Er weigert sich zu akzeptieren, dass er zwischen dir und Weiss wählen muss und fällt in einen Schockzustand. Es ist unklar, wie das ausgeht, wenn er nicht rechtzeitig zurückgeholt wird. Sein Nervensystem wird auf jeden Fall zusammenbrechen. Je nach Intensität endet das mit einem Koma oder dem Tod.“

Schuldig schüttelte den Kopf. „Schwachsinn! Niemals hat so was Banales solche Auswirkunken!“

Crawford betrachtete ihn ruhig. „Seine Vergangenheit hat er mit Hilfe einer selbstverursachten Amnesie bewältigt. Er war nie wirklich stabil. Seine Kollegen und du waren seine einzige Stabilität. Er steht davor, das zu verlieren. Sein Kopf wehrt sich dagegen und... schaltet einfach ab.“

Wieder stand Schuldig auf, diesmal fiel sein Stuhl hinter ihm zu Boden. „Wir müssen los!“

Crawford nickte. „Ja. Aber das Timing ist äusserst wichtig. Solange seine Kollegen nicht bestätigt haben, dass sie hinter ihm stehen, können wir nichts machen. Aber du regst dich unnötig auf. Es wird knapp, aber die Zeit reicht.

Probleme gäbe es höchstens, wenn du kein Telepath wärst. Was du aber bist.“

Schuldig fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Dann lachte er knapp auf. „Du hast vor, die Teams zu vereinen.“ Es war keine Frage.

Crawford nickte kühl. „Das ist der Plan, ja.“

Schuldig streckte und ballte seine Fäuste schnell hintereinander. „Gehen wir.

Ich brauch etwas, aus dem ich die Seele prügeln kann. Und du sagtest doch etwas von zwei Teams, oder?“

Nagi grinste. Das lief ja ganz gut. In zwei Stunden wĂĽrden sie wieder hier sein... zu acht.

 

 ***

Nagi kam vom Bad zurĂĽck in sein Zimmer und zog sich schnell an.

Jeans und T-Shirt. Er war heilfroh, dass Crawford ihn nicht weiterhin dazu zwang, diese alberne, ach so unauffällige Schuluniform zu tragen...

Er verliess sein Zimmer und schloss die TĂĽre hinter sich ab. Nach wie vor traute er Weiss nicht, auch nicht nach zwei Wochen des Zusammenlebens.

Es war merkwĂĽrdig, so viele Leute im Haus zu haben. Noch dazu Leute, von denen zumindest drei viel lachten, miteinander redeten und sich alle MĂĽhe gaben, mit allen zumindest einigermassen auszukommen.

Das Apartment war... lebendig. Nagi fĂĽhlte sich unwohl.

Er mochte die Stille. Und davon bekam er in letzter Zeit kaum etwas.

Irgendjemand war immer da, irgendjemand redete, lachte... und an andere Aktivitäten dachte er lieber nicht...

Im Flur kam er an Schuldigs und Omis Zimmer vorbei. Er wusste, dass die beiden noch schliefen, sie waren zusammen mit Farfarello und Ken gestern bis spät in die Nacht auf einem Auftrag gewesen. Er war aufgewacht, als sie nach Hause kamen. Und den Gesprächen nach zu urteilen, die er gehört hatte, war gestern ein schlechter Tag für Farfarello gewesen.

Der junge Ire war mit doppelter Dosis seiner Medikamente plus Beruhigungsmittel in seine Zelle gesperrt worden.

Nagi öffnete die Zimmertüre, vor der er stand, einen Spalt weit und äugte hinein.

Wie erwartet schliefen der Deutsche und sein Geliebter.

Einen Augenblick lang verharrte er. Die zwei gaben schon ein merkwĂĽrdiges Bild ab.

Schuld und Unschuld in einem Bett... friedlich schlafend.

Leise schloss er die TĂĽre wieder und trottete in die KĂĽche. Er wĂĽrde Farfarello sein FrĂĽhstĂĽck bringen mĂĽssen. Ohne Zweifel durfte der Ire seine Zelle eine Weile nicht verlassen. Nicht, nach dem Ausbruch gestern.

Er wĂĽrde jemand von den anderen - vorzugsweise aus seinem Team - noch fragen, was passiert war.

Er hörte eine aufgebrachte Stimme aus der Küche.

Ken.

Und der andere, der den Mann offenbar zu beruhigen versuchte, war wohl Youji.

Nagi blieb vor der Küchentüre stehen und hörte Kens Tiraden zu.

„Ich kann einfach nicht mit ihm arbeiten. Mir wird schlecht, wenn ich nur daran denke, dass ich ihm noch mal zusehen muss!“, legte Ken vehement aber leise fest.

„Der Typ ist ein Monster! Du hättest ihn sehen sollen, er ist völlig durchgedreht. Und wenn man dann noch seine Vergangenheit kennt... Er hat seine eigene Familie getötet!“

Nagi schnaubte leise, aber die beiden hörte ihn trotzdem und hielten in ihrer Diskussion inne. Er trat ein. Ruhig meinte er zu Ken: „Ein gutgemeinter Rat: Das solltest du niemals sagen, wenn er dich hören kann.“

Youji bemerkte offenbar die Anspannung in der Stimme des Jungen und versuchte zu vermitteln: „Du musst verstehen, dass wir Farfarello weder kennen, noch seine Handlungen nachvollziehen können.“

Ken, ganz der Hitzkopf, der er war, bekam diese Schlichtung nicht mit und protestierte sofort: „Was macht das für einen Unterschied, ob wir ihn kennen? Er ist ein Wahnsinniger!“

Nagi verdrehte nur die Augen und trat zum KĂĽhlschrank, um sich Orangensaft herauszuholen.

Ken machte das noch wütender. „Dann überzeug mich doch vom Gegenteil!“

Nagi goss sich ein Glas ein und meinte langsam: „Weisst du, wie alt Jei war, als er seine Familie getötet hat?“

Ken blinzelte. Er hatte diese Frage nicht erwartet. Er schĂĽttelte den Kopf.

„Ich sag’s dir: Er war 6 Jahre alt.“

Angewidert verzog Ken das Gesicht.

Nagi ignorierte es. „Er war ein sechsjähriger Junge mit Blut an den Händen, seiner Familie tot vor ihm und keine Ahnung was passiert war.“

Ken runzelte die Stirn.

„Er war krank, schon lange davor. Der Tag war nur der Auslöser. Und er hätte Hilfe gebraucht.“

Ken schüttelte wütend den Kopf. „Die hat er doch bekommen, nicht wahr? Was war mit seiner leiblichen Mutter? Die hat alles für ihn getan...“, versuchte er zu argumentieren.

Nagi schnaubte. „Alles? Ihm zu sagen, es sei ein Einbrecher gewesen? Die Krankheit einfach begraben, bis sie eines Tages wieder durchbricht? Er hätte Hilfe gebraucht, professionelle Hilfe. Vielleicht hätte er jetzt keine solchen Anfälle mehr wie gestern.“

Ken starrte Nagi fest an, entschlossen, nicht nachzugeben.

Nagi hob unbeeindruckt eine Augenbraue. „Was hast du gemacht, als du sechs Jahre alt warst?“, fragte er.

Kens Augen weiteten sich. Was hatte er schon gemacht... Kindergarten, Spiele, Familie, Lachen, Sonne... Kein Blut, kein Tod, kein Wahnsinn.

Nagi schwieg und stellte Farfarellos FrĂĽhstĂĽck zusammen, inklusive der Tabletten.

Nach ein paar Minuten drehte er sich um und sah in zwei betroffene Gesichter.

„Er nimmt die Medikamente nicht zum Spass. Er ist krank. Ich verlange nicht, dass ihr ihn versteht - nicht mal Schuldig versteht ihn - aber ihr werdet auf unabsehbare Zeit hier sein, gewöhnt euch besser an ihn.“

Dann verliess er die KĂĽche, in der Youji und Ken sich einen ernsten und nachdenklichen Blick zuwarfen.

Nagi war stolz auf sich. Kein Schreien, nur sachliche Argumente. Und er hatte gewonnen.

Als er zur Hälfte durch das Wohnzimmer durch war, betraten Crawford und Aya den Raum auf der anderen Seite.

Nagi blieb kurz stehen. Die beiden zusammen boten einen Anblick, an den er sich von allen Eindrücken bisher am wenigsten gewöhnt hatte.

Es war ja nicht so, als wären sie die ganze Zeit händchenhaltend und schmusend durch die Gegend geschwebt... Im Gegenteil: Nagi war sich zwar sicher, dass eine gewisse Zuneigung vorhanden sein musste... aber die kühlen Anführer warfen nicht gerade mit Zärtlichkeiten um sich.

Nicht wie zwei gewisse andere Mitglieder dieses Haushaltes, denen es ĂĽberhaupt nichts ausmachte, wer sie bei was erwischte... (Sogar Youji und Ken waren diskreter.)

Nagi wurde aus seinen Gedanken geholt, als Crawford ihm anerkennend zunickte.

Der Amerikaner hatte das Gespräch von vorhin in der Küche wohl vorausgesehen.

Nagi nickte zurĂĽck. Das... fĂĽhlte sich gut an. Ohne Zweifel hatte auch Aya davon gewusst und ihm mit dem Konflikt vertraut. Noch so eine merkwĂĽrdige Sache...

Vertrauen...

Stumm ging er zu Farfarellos Zelle.

Leicht wĂĽrde es hier auch in Zukunft nicht werden, dachte er bei sich. Und ein kleiner Teil in ihm vermisste es, seinen Adoptivvater fĂĽr sich alleine zu haben.

FrĂĽher war er der einzige gewesen, der an Crawford herankam. Schuldig wurde von dem Amerikaner prinzipiell abgeblockt, und Farfarello hatte kein Interesse an irgendwelchen Banden.

Heute war das anders: Crawford hatte Aya, und selbst der Rest von Weiss hatte bereits einen gewissen Stand bei ihrem AnfĂĽhrer...

Crawford liess sich in sein neues Team integrieren, was er frĂĽher nie getan hatte.

Nagi seufzte laut und verdrehte die Augen. Anstatt eifersĂĽchtig, sollte er doch eher froh sein... Bestimmt ging es Crawford doch jetzt besser als davor...

oder...?

 

 ***

Einige Zeit später - fast eine Woche - sass Nagi wieder auf dem Balkon. Etwas, das er öfters machte, gerade mit den Veränderungen, die sich zugetragen hatten. Meistens nachts.

Hier herrschte vergleichbare Stille, er hatte Gelegenheit, sich alles durch den Kopf gehen zu lassen, Ruhe zu finden.

Er sass gegen die Hauswand gelehnt auf dem Boden, sah auf einen unbestimmten Punkt in der Ferne und liess seinen Gedanken freien Lauf.

In einem dieser Momente trat Youji nach draussen, er trug nur ein Paar Jeans und hatte ein Päckchen Zigaretten dabei.

Ohne sich umzudrehen stellte er sich ans Geländer, zündete eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. „Ein Bisschen kalt, um so lange hier draussen zu sitzen, nicht, Chibi?“

Jetzt drehte er sich um, stützte seine Ellbogen lässig auf das Geländer und sah Nagi grinsend in die blauen Augen, die aus Wut über die Störung stürmten - Youji ignorierte es.

„Was willst du?“, fragte der Junge kalt.

Youji zuckte die Schultern. „Eine rauchen.“

„Dazu brauchst du aber nicht mich zu stören.“

Youji grinste langsam. „Ken und ich gehen morgen Abend aus. Crawford sagt, es gibt keinen Auftrag.“

„Aha.“ ’Und warum erzählst du mir das?’

Youji nahm einen weiteren Zug und meinte noch, als gehe ihn das ganze Gespräch gar nichts an: „Kommst du mit?“

Nagi schnaubte, beinahe amüsiert. „Wieso sollte ich?“

Youji drückte die Zigarette frustriert im Aschenbecher, den er sich mal hier draussen platziert hatte, aus. „Du bist ein Teenager und gehst nie hier raus. Das ist ungesund!“

Einen langen Augenblick wusste Nagi nichts darauf zu erwidern. Was war das denn für eine blöde Bemerkung? Er ging nicht gerne aus und verbrachte seine Zeit gerne allein, vielen Dank auch! „Ich will auch gar nicht hier raus. Was geht’s dich an?“

„Du wirst bald siebzehn und verbringst deine Zeit damit, zu arbeiten oder mit dem Hausverrückten zu reden...“ Youji hob eine Hand, als er sehen konnte, wie Nagi sofort bei der Bemerkung »Hausverrückter« protestieren wollte. „Ich weiss“, sagte er schnell. „Hinter Farfarello steckt mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Aber das ändert nichts daran, dass du mehr Zeit mit ihm verbringst, als gut für dich ist. Du sollst ja auch gar nicht damit aufhören, aber im Grossen und Ganzen ist er ja ohnehin nicht wirklich ein guter Diskussionspartner und lieber allein.“ Youji holte sich eine zweite Zigarette raus.

„Du bist nicht mein Vater!“, war das einzige, was Nagi als Retourkutsche einfiel.

Youji nahm einen Zug. „Dann red mit Crawford!“

Nagi schĂĽttelte den Kopf.

Youji fuhr fort: „Du solltest dich mit Mädchen treffen, nicht Farfarellos Vollzeitkrankenschwester spielen.“

„Ich will mich nicht mit Mädchen treffen!“, protestierte er sofort.

Youji grinste. „Spricht ja auch nichts gegen Jungs...“

„Sehr komisch! Ich bin nicht wie ihr!“ Nagi tat etwas, was er sonst nie tat: Er schmollte.

Youji wurde ernst: „Ist es wegen der Kleinen?“

„Welche Kleine?“

Youji suchte nach einer passenden Beschreibung, da er offenbar keinen Namen wusste: „Na, die Kleine. Das Schreiend-Mädchen.“

Nagi spielte Fisch auf dem Trockenen, brachte aber keinen Ton heraus. Woher wusste Youji...?

Youji deutete Nagis Gesichtsausdruck richtig. „Ich habe euch gesehen. In der Nacht damals, als danach die Hölle losgebrochen ist. Ich hab auch Crawfords Tirade darauf gesehen... Sehr beeindruckend...“

Nagi seufzte. Na toll. Jetzt hatte er gar nichts mehr fĂĽr sich allein.

Youji runzelte die Stirn, er schien mit sich zu ringen. „Danach... nachdem du das Gebäude... na ja... hast einstürzen lassen... Ich dachte... Ich dachte, ihr seid tot. Ich hab euch noch da liegen sehen...“

Nagi wurde wieder ruhig. Das war sicheres Gelände. „Wenn ich meine Kräfte in dem Ausmass gebrauche, falle ich in eine Art Koma, es dauert aber nie sehr lange.

Und Tot... Ich weiss nicht, warum du sie für tot gehalten hast.“

Youji schnaubte. „Du meinst abgesehen von dem Messer in ihrem Körper und dem Haus auf dem Kopf?“

Nagi konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken. „Masafumi hat an ihr herumexperimentiert. Ihre Knochen haben eine Art... Legierung... wie ein Schutzmantel. Das habe ich erst später erfahren. Das Messer ist im Knochen steckengeblieben und hat sie nicht weiter verletzt. Vor dem Gebäude konnte ich sie schützen.“

„Sie lebt also noch?“

„Ja. Sie lebt.“

„Und was ist aus eurem Traum geworden?“

Wieder ein sanftes Lächeln. „Tot ist in einem Sanatorium. Es ist besser für sie.

Ich will nicht der sein, der ihr aus Egoismus Hilfe verweigert.“ Sein Ton war bitter, und für Youji war es deutlich, dass er an Farfarello dachte.

Youji schwieg lange. Nein... keiner von ihnen konnte von sich behaupten, sein Leben so gelebt zu haben, wie er es geplant hatte... Er holte tief Luft. „Ich bleibe dabei. Du solltest mit uns raus kommen.“

Nagi mochte die Idee jetzt nicht lieber, als vor ein paar Minuten. „Ich will nicht. Punkt.“

„Es wäre gut für dich“, bestand Youji.

Bei Nagi riss jetzt der Geduldsfaden. „Was verstehst du denn schon?! Ich habe Nein gesagt! Du kennst mich gar nicht! Wie willst du wissen, was ich brauche?! Du. Kennst. Mich. Nicht!“

Youjis grinste selbstsicher. „Soll ich dir sagen, was ich weiss?“

Nagi schnaubte. „Leg los. Meisterdetektiv.“

Youji ignorierte den abschätzigen Tonfall und... legte los: „Das Gespräch zwischen dir und Crawford damals im Wald war zum Beispiel ziemlich aufschlussreich. Du hasst die Menschen. Nun, du bist sehr jung und du bist schon vor Jahren zu Schwarz gestossen. Bleibt nur eine Möglichkeit: Deine Eltern.“

Nagi riss sich gewaltig zusammen, um nicht die Fassung zu verlieren. „Woher willst du wissen, dass ich nicht in einem Heim war?“

„Crawford hat dich auf der Strasse gefunden. Ich glaube nicht, dass du aus einem Heim ausgerissen bist, dafür bist du zu logisch veranlagt. Ich würde sagen du bist mit einem Elternteil aufgewachsen.“

„Ach wirklich.“

„Ja, wirklich. Und ich würde sagen, es war deine Mutter. Du hasst die Menschen, weil sie vor dir Angst haben, und dich wegstossen.“ Youji betrachtete den Jungen traurig. „Allen voran deine Mutter...“

Nagis Fassung hielt noch... Er schluckte. „Warum meine Mutter? Warum nicht mein Vater?“

Youji kreuzte seine Arme vor der Brust und erwiderte Nagis Blick sanft. „Crawford. Du hast ihn als deinen Ersatzvater anerkannt.“ Er wartete. „Hast du dir als Kind vorgestellt wie dein Vater wäre? Bestimmt hast du dir gewünscht, er sei kontrolliert und analytisch, ganz anders als deine Mutter, die dich verflucht hat für etwas, wofür du nichts konntest.“

Nagi wischte sich eine Träne weg, blieb aber sonst ruhig. „Das erklärt, warum ich meine Mutter hasse. Nicht die Menschen.“

„Sie hat dich rausgeworfen, nicht?“

Nagi nickte kĂĽhl.

Youji nickte bestätigt. „Wie lange warst du danach auf der Strasse?“

„Lange genug.“

„Deswegen hasst du die Menschen.“

Nagis Unterlippe zittert etwas, weiter liess er sich nichts anmerken.

Youji drückte nun auch die zweite Zigarette aus, stiess sich vom Geländer ab und hielt dem immer noch sitzenden Nagi eine Hand hin. „Komm schon, Chibi. Geh mit uns morgen einen kippen.“

Nagi starrte die Hand an, als würde sie in seinen persönlichen Raum eindringen.

„Weiss Crawford davon, dass ihr mich auf eine Sumpftour mitnehmen wollt?“

Youji lachte leise. „Ja. Er weiss davon.“

Nagi rĂĽhrte sich nicht, behielt die Hand vor sich aber fest im Auge.

„Na los, Kleiner. So warm ist es hier draussen nun auch wieder nicht.“

Nagi blieb noch einen Augenblick unberĂĽhrt sitzen. Warum sollte er sich darauf einlassen?

... Und warum sollte er sich nicht darauf einlassen? Er seufzte betont nachgiebig, griff nach Youjis Hand und liess sich aufziehen.

„Du bist nicht allein, Chibi. Es gibt keinen Grund, es gewaltsam zu bleiben.“

Nagi dachte kurz darüber nach, dann rieb er sich müde die Augen. „Ich geh ins Bett. Aber erwarte morgen nicht zu viel. Ich bin kein Ausgeh-Typ.“

„Kein Problem.“ Youji grinste zufrieden.

Nagi öffnete seine Zimmertür.

„Ach, und, Chibi...?“

Der Junge drehte sich noch mal um.

„Es ist deine Vergangenheit. Sie ist bei mir gut aufgehoben.“

Nagi nickte knapp und schloss die TĂĽre.

 

 ***

Als die Monate vergingen und es zu kalt wurde, länger auf dem Balkon zu sein, verbrachte Nagi viel Zeit in seinem Zimmer.

Nie länger, als bis Sturkopf Youji der Ansicht war, Nagi brauche Gesellschaft.

Der JĂĽngste des Teams wusste nicht so recht, ob er dafĂĽr dankbar war oder nicht.

Im ersten Moment, wenn Youji mit dem Taktgefühl eines Rhinozerosses in sein Revier trampelte und darauf bestand, dass Klein-Nagichen genug alleine gewesen war, könnte er den Mann mit seinem eigenen Draht strangulieren...

Aber wenn er dann mit Youji und Ken - manchmal auch mit Schu und Omi, oder mit allen vieren - unterwegs war, fĂĽhlte er sich merkwĂĽrdig gut aufgehoben.

Er seufzte. Während also der „unkonventionelle“ Teil ihrer Zweckfamilie mehr oder weniger reibungslos funktionierte, spürte Nagi regelmässig seine Eifersucht stechen, wenn er an Crawford und Aya dachte.

Seit Weiss hier war, hatte Nagi nachts - und meistens auch tags - nicht mehr die Nähe seines Vaters gesucht. Wozu auch? Er wäre das fünfte Rad am Wagen gewesen, und allein der Gedanke, mit Brad und Aya in einem Bett zu sein... Kein schöner Gedanke. Denn, obwohl die zwei zurückhaltender waren als gewisse andere, sie waren dennoch zu hören.

Heute würde er sie noch eine ganze Weile nicht hören. Zum Glück. Denn Nagi ging es wohl nicht anders, als jedem Kind, das weiss, dass seine Eltern im Bett nicht nur schlafen...

Nagi schĂĽttelte den Kopf, um das unangenehme Bild aus seinem Kopf zu bekommen.

Schaurig.

Im Moment war Brad auf einem Auftrag mit Farfarello, Ken und Youji.

Aber wenn er erst zurĂĽck kam...

Nagi seufzte erneut. Und gerade heute war wieder so eine Nacht, in der er furchtbar gerne zu Brad ins Bett geschlüpft wäre.

Was daran liegen konnte, dass Schu und Omi schon den ganzen Tag aneinander gehangen hatten. Es war ihr Jahrestag - der 10. November.

Leute so nahe beisammen zu sehen lässt einen sich einsam fühlen.

Nagi stand schliesslich vom Fussboden neben seinem Bett auf, wo er gesessen hatte, und tapste im Pyjama aus seinem Zimmer.

Die TĂĽre zu Schus und Omis Zimmer war etwas offen, und Nagi konnte nicht anders, als hineinzusehen.

Sie tanzten.

Zu »I can’t help falling in love with you«.

Der rationale Teil in Nagi schrie „Wie kann man nur so kitschig sein?!“, während ein anderer Teil ihn davon abhielt, sofort zu gehen und die Türe zu schliessen.

Irgendwann tat er es doch, aber er blieb lange im dunklen Korridor stehen. Die beiden sahen so... ekelerregend verliebt aus! Und er war jedes Mal wenn er sie zusammen sah zwischen zur nächsten Toilette rennen und glücklich seufzen hin und her gerissen...

Bis ihn ein völlig anderer Gedanke wieder wachrüttelte.

Schuldig hört Elvis?!? ELVIS???

Nun, aber es war ja Schuldig. Da war alles möglich.

„Ich brauch was zu Trinken“, beschloss er nach weiteren bewegungslosen Momenten und steuerte in die Küche.

Das war ein weiterer Nachteil, wenn er alleine zu Hause war: Seine Gedanken hatten die Möglichkeit, frei und wirr drauflos zu laufen.

Im KĂĽcheneingang wurde er schnell daran erinnert, dass er nicht ganz alleine (Schu und Omi mal ausgeschlossen) zu Hause war.

Aya stand am Herd und kochte etwas. Er warf Nagi einen kurzen Blick zu, den der Junge nicht recht deuten konnte.

Nagi nickte ihm höflich zu, wandte sich an den Kühlschrank und sah durch dessen spärlichen Inhalt, als er angesprochen wurde.

„Willst eine heisse Schokolade?“, fragte Aya.

Nagi zog verwundert die Brauen zusammen und drehte sich um. „Heisse Schokolade?“, fragte er sicherheitshalber noch einmal nach.

Aya nickte zur Pfanne, in der Nagi jetzt Milch brodeln sehen konnte.

Nagi blinzelte einige Male und zuckte schliesslich die Schultern. Wieso nicht.

Er nickte und setzte sich an den Tisch, während Aya die Milch in zwei Tassen füllte und Schokoladenpulver dazu gab.

Nagi dachte, dass Aya eigentlich ein ganz angenehmer Zeitgenosse war. Ruhig und nicht so aufdringlich wie Youji oder Schuldig, oder genki wie Omi, oder schlicht wahnsinnig wie Farf. Eigentlich eher so wie Brad, und Nagi sagte sich zum hunderttausendsten Mal, dass Aya gut fĂĽr Brad war...

Nagi bekam eine Tasse vor sich hingestellt und umklammerte sie mit seinen ständig kalten Fingern (was angeblich am Energieverbrauch seiner Kräfte liegen soll, sagte einer der Esszett-Ärzte). Und während sich Aya ihm gegenüber hinsetzte, kam ihm plötzlich ein Gedanke. Er legte seinen Kopf etwas schief.

„Das ist das erste Mal, dass du nicht mit Brad auf Mission gehst“, stellte er fest.

Aya nickte.

„Gibt es dafür einen Grund?“

Wieder nickte Aya.

Das Fehlen einer Antwort war Nagi Antwort genug. Er starrte in die braune Flüssigkeit in seiner Tasse, die sich leicht bewegte. „Der Grund bin ich.“ Es war keine Frage.

„Ja. Brad macht sich Sorgen.“

Nagi lachte einmal knapp auf. „Crawford macht sich Sorgen?“

Aya sah wütend auf. „Lassen wir die Spiele. Dass er dich adoptiert hat ist für euch beide mehr als nur ein Stück Papier, und wir beide wissen es.“

Nagi nahm einen zögerlichen Schluck. „Er ist nicht gerade der Typ für den glücklichen Familienvater.“

Aya grinste. „Was du nicht sagst.“

Darauf lachte Nagi tatsächlich leise.

Aya schien sich Worte zusammenzulegen. „Bin ich es?“

„Was?“ Nagi war verwirrt.

„Ein Vatertyp.“

Nagi hob eine Augenbraue. „Ist das eine Fangfrage?“

Aya grinste wieder. „Gut. Dann will ich dir etwas sagen und hör mir genau zu.“

Nagi lehnte sich mit seiner Tasse zurĂĽck und zeigte Aya damit seine Aufmerksamkeit.

Aya war zufrieden und begann: „Ich weiss nicht, ob du dir auch nur entfernt vorstellen kannst, wie schwer es mir gefallen ist, Omi bewusst in Schuldigs Hände zu spielen. Ich war krank vor Sorge. Davor wie auch noch lange danach. Ich habe ihn ständig beobachtet, habe nach Anzeichen gesucht, die mir sagen konnten, ob es ihm gut ging. Niemals hat er etwas davon bemerkt. Selbst jetzt kann er sich an nichts erinnern, was meine Gedanken verraten hätte. Nur Youji sieht ein paar Kleinigkeiten.“ Aya machte eine Pause und wartete auf eine Reaktion von seinem Gegenüber.

Nagi wälzte die Worte hin und her. Er war sich ziemlich sicher, was Aya damit sagen wollte. Nur weil Brad es sich nicht anmerken liess, hiess das nicht, dass es auch nicht da war. Er räusperte sich. „Na schön. Brad macht sich also Sorgen um mich“, räumte er ein.

Aya nickte zufrieden. Der Junge war clever und kam gleich zum Punkt.

Dann fügte Nagi an: „Und warum macht er sich Sorgen?“

„Ich will nicht, dass du denkst, ich nehme dir deinen Vater weg.“

Nagi betrachtete Aya lange. „Tust du aber.“

Aya seufzte. „Da hast du wohl nicht ganz unrecht, aber ich bin nicht alleine die Ursache dafür. Das bist du genau so.“

Nagi funkelte böse.

Aya hob eine Hand, um ihn von einem Ausbruch abzuhalten. „Es ist so. Du willst Zeit mit Brad verbringen, genau wie ich. Warum tust du es dann nicht?“

„Weil du immer da bist!“, platze Nagi, wie der Teenager, der er sein sollte.

„Ich wäre nur im Weg! Er will Zeit mit dir verbringen, lieber als mit mir! Wenn ich nicht schlafen kann oder sonst in der Nacht wach bin, kann ich nicht zu ihm, weil Du da bist! Denkst du vielleicht, ich komme zu euch ins Bett, nachdem ihr da drin was weiss ich alles gemacht habt?“

Aya hob die Augenbrauen.

Nagi redete weiter: „Schu hat mir vor ein paar Wochen eine Geschichte erzählt, von der ich nicht einmal wissen will, ob sie wahr ist!“ Ihn schüttelte es allein bei dem Gedanken daran.

Aya fragte ruhig: „Kam eine Krawatte in der Geschichte vor?“

Nagi stöhnte laut und liess den Kopf auf seine Arme auf dem Tisch fallen. Er gab irgendwelche unverständlichen, leidenden Laute von sich, bis er nuschelte: „Ich sagte, ich will es nicht wissen!“ Dann lachte er laut und sah auf. „Ich wette, nicht mal Schu und Omi machen das!“

„Das denke ich auch nicht.“

Und da sie gerade bei Schu und Omi waren, horchten beide kurz auf.

Nagi meinte: „Sie haben aufgehört zu tanzen.“

„Das höre ich.“

Wieder schwiegen sie und tranken ihre heisse Schokolade, aber diesmal war die Stille angenehm.

Aya brach sie: „Es ist nicht wahr, dass er keine Zeit mit dir verbringen will.“

„Ich weiss. Ich war nur wütend.“ Er war eben doch etwas weiser, als sein Alter vermuten liess.

Aya stand auf, nahm beide leeren Tassen und stellte sie in die Spüle. „Gehen wir.“

Nagi blinzelte. „Wohin?“

Aya zuckte selbstverständlich die Schultern. „Jetzt weisst du, dass niemand in dem Bett etwas gemacht hat. Komm schlafen und warte auf ihn.“

Nagi zögerte.

„Du willst nicht allein sein und ich will nicht allein auf ihn warten.“

Nagi stand auf. Es schien sein Schicksal zu sein, von Weiss ständig zu etwas überredet zu werden...

Auf dem Weg in Ayas und Brads Zimmer fragte er: „Du machst dir Sorgen um Brad?“

Aya blieb kurz stehen, ohne sich umzudrehen, ging dann aber weiter. „Es hat keinen Sinn, sich um ihn Sorgen zu machen. Er hat gesagt, alles wird reibungslos ablaufen, also läuft alles reibungslos ab.“

„Du machst dir Sorgen“, konterte Nagi sachlich.

Aya seufzte.

Nagi meinte ruhig: „Ich hab vor Jahren damit aufgehört. Er ist noch jedes Mal zurückgekommen.“

Aya nickte nur, öffnete seine Zimmertüre und steuerte direkt zum Bett.

Nagi legte sich ebenfalls hin und schlĂĽpfte unter die Decke.

Lange lagen beide mit dem RĂĽcken zueinander. Diesmal brach Nagi die Stille:

„Liebst du ihn?“

Aya antwortete nicht gleich, und Nagi dachte erst, er wäre bereits eingeschlafen.

„Natürlich.“

Nagi stiess die Luft aus, die er angehalten hatte. „Youji sagt, du hättest von etwas Ähnlichem wie Liebe gesprochen...“

Aya lachte leise.

Nagi mochte Ayas Lachen. Es war tief und weich. Sehr angenehm.

Aya antwortete: „Das war im Sommer.“

Nagi nickte ungesehen. „Hat er dir mal gesagt, dass er dich auch liebt?“, flüsterte er.

Wieder dauerte es einen Moment bis die Antwort kam, diesmal leiser:

„Natürlich.“

Nagi starrte in der Dunkelheit an die Wand, an die das Licht vom Fenster her hereinleuchtete. Ja. Aya tat Brad gut. Er erlaubte sich ein schwaches Lächeln.

„Gut.“

Bald schlief der Junge ein.

Das Lächeln blieb.

 

Als er am Morgen aufwachte, stellte er fest, dass er Brads Ankunft wohl verpasst haben musste.

Der Mann lag neben ihm und hatte Aya in den Armen. Beide schliefen tief und fest.

Wahrscheinlich hatte Aya gewartet, bis er nach Hause gekommen war.

Nagi setzte sich vorsichtig, um sie nicht zu wecken und sah sie sich lange an. Es war immer noch merkwürdig, die beiden Männer zusammen zu sehen. Vielleicht nicht mehr so merkwürdig, aber dennoch...

Er schlich aus dem Bett und aus dem Raum und fĂĽhlte sich erleichtert. Aya war schon okay...

Den Tag gleich konstruktiv anfangen und erst mal die Mails ĂĽberprĂĽfen, beschloss er und ging in sein Zimmer.

Er kam an den anderen TĂĽren vorbei.

Sie waren vielleicht eine schräge Familie. Sie zogen in der Nacht los und töteten... Aber jetzt war es still, alle schliefen friedlich.

Gerade in dem Moment stellte Nagi fest, dass der frĂĽhe Morgen seine liebste Tageszeit war.

In seinem Zimmer lief der Computer immer noch, der Bildschirmschoner tanzte hin und her.

Nagi drĂĽckte eine Taste und der Computer verlangte das Passwort.

Nagi tippte es ein.

K-o-d-o-k-u.

Er blieb still sitzen und starrte auf die Anzeige. Dann fasste er einen Entschluss.

Er öffnete ein Fenster.

-Passwort ändern-

 

Nagi zögerte über der Tastatur. Das Passwort war schon so lange da...

Dann holte er tief Luft, löschte einen Buchstaben nach dem anderen und gab dem Computer das neue Passwort an.

 

Kodoku

Kodok

Kodo

Kod

Ko

K

Ka

Kaz

Kazo

Kazok

Kazoku

 

Wieder zögerte er.

-ENTER-

 

Ende ^-^

08.11.02 - 05.02.03

 

 

[Kodoku: einsam, Einsamkeit]

[Kazoku: Familie]

 

 

Das war’s mit „Colours“... *sniff* Es hat mir viel Spass gemacht, das zu schreiben.

Vielen Dank an alle Leser, die mich bis hierhin begleitet und ermutigt haben. Mit so viel Kommentaren und Komplimenten hätte ich zu Beginn wirklich nicht gerechnet... Denn eigentlich hatte das Ganze mit dem ersten Teil als Wettbewerbstext angefangen.

Meine ursprüngliche Idee war die Szene mit dem Barhocker im zweiten Teil *g* Und da ich nicht wusste, ob in der Jury Minderjährige sind, hab ich die Geschichte aus einer anderen Sichtweise geschrieben und die Szene vorweg gelassen.

Schreiben wollte ich diese Idee dann aber doch noch, und schon konnte ich nicht mehr aufhören ^-^

Aufhören werde ich mit diesem Teil jetzt aber trotzdem. Die Geschichte hat alle Ansichten beleuchtet, die ich wollte. (Vielleicht schreibe ich mal eine kleine Side-Story, aber ich glaube eher nicht.)

So lieb ich diese Klein-Serie gewonnen habe, bin ich doch froh, jetzt mal wieder etwas anderes in Angriff zu nehmen.

Ich hoffe, Ihr haltet mir die Treue ;-)

Ganz, ganz lieben Dank an alle!!!

SOrion

www.geocities.com/sorion77

 

*********

Colours: Zeittafel

 

Zum besseren Verständnis der Daten habe ich Jahreszahlen angefügt, die aber nichts mit unseren oder der Serie zu tun haben (obwohl sie zufällig mit den Wochentagen in meiner Geschichte übereinstimmen... ^-^ )

Colours 1: Kirschrot:   Februar 2002

Colours 2: SeegrĂĽn:     10. November 2001 - Februar 2002

Colours 3: Honiggold:   Februar 2002 (nach Kirschrot)

Colours 4: Wolkengrau:  20. August - 21. August 2002

Colours 5: Amethyst:    Juli 2001 - September 2002

Colours 6: Feuerorange:02. August - 15. August 2002

Colours 7: Sturmblau:   Januar 2002 - 11. November 2002

***

Juli 2001: 
Erstes Treffen von Aya und Crawford, bei dem Crawford Aya wegen seiner plötzlichen Vision nicht tötet.

Sep. 2001: 
Das zweite Treffen. Crawford erzählt Aya von der Zukunft.

30.09.2001:
Das dritte Treffen. Der genaue Plan wird geformt. Aya lässt sich mit Brad ein.

Okt. 2001: 
Omi fragt Aya um Erlaubnis, einen Ausweis für sein Clubbing zu fälschen.

10.11.2001:
Omi trifft in einem Club auf Schuldig. Sie beginnen eine Affäre.

Mitte Jan. 2002: 
Weiss und Schwarz treffen aufeinander. Aya und Crawford "einigen" sich auf dem

Schlachtfeld.

Feb. 2002: 
Crawford ruft Omi zu Schwarz, der Nagi dann bei Recherchen hilft.

Feb. 2002: 
Youji kommt hinter Omis Geheimnis und stellt ihn zur Rede. Er spricht mit Schuldig.

Feb. 2002: 
Ken kommt mit Youji zusammen und erfährt ebenfalls von Omis Beziehung.

02.08.2002:
Schuldig bekommt von Omi zum Geburtstag eine zweiwöchige Kreuzfahrt geschenkt. Sie fliegen am nächsten Tag.
Kritiker haben ohne ihr Wissen Agenten mit auf die Reise geschickt, um Omi zu beschatten.

20.08.2002:
Kritiker konfrontieren Weiss mit ihrem Wissen ĂĽber Omis Beziehung zu Schuldig.
Sie stellen ein Ultimatum. Weiss lehnen sich gegen sie auf und gehen schlussendlich mit Schwarz.

Mitte Sep. 2002: 
Aya-chan verlässt auf Aya/Rans Wunsch hin Japan.

11.11.2002:
Nagi ändert sein Passwort.

FIN