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Colours 6: Feuerorange
Autor: SOrion (sorion@gmx.ch) ***Achtung! Neue E-Mail ! ! ! ***
Serie: Weiss Kreuz
Teil 6/7
Warnung: lemon, shônen ai, angst, sap
Disclamer: WK gehört mir nicht, etc. p.p... Ich verdiene kein Geld damit, rhabarberrhabarber... Ich leihe mir die Jungs nur aus und
gebe sie unbeschadet zurück (okay, vielleicht ein Bisschen demoliert *fg*) usw. blabla...
WICHTIG: Die zweiwöchige Karibikkreuzfahrt von Schuldig und Omi. Spielt unmittelbar vor Wolkengrau im August. Der siebte und
letzte Teil wird „Sturmblau" heissen, und ist zu einem grossen Teil aus Nagis Sicht geschrieben.
Bemerkungen: Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber es war nicht ganz so einfach, Schu emotionaler werden zu lassen...
-_-' Dazu kamen eine Menge Recherchen, um die Kreuzfahrt und ihre Stationen so realistisch wie möglich zu beschreiben. Ich hoffe, es hat sich gelohnt.
Danke an DarkSerapha/AyanamiRei für ihren Cameo-Auftritt als yaoi-wütige Bademeisterin ;-) *hehe*
***
Schuldig kehrte langsam ins Land der Lebenden zurück. Er spürte kühle Morgenluft durch das offene Fenster über seine Haut
streichen. Die Decke deckte gerade noch seinen Unterkörper, es war unglaublich warm. „Schu~schu...", sang die junge Stimme neben ihm.
Schuldig öffnete ein Auge und grinste Omi an, der sich über ihn gebeugt hatte. Omi küsste ihn lange, langsam und süss. „Alles Gute zum Geburtstag", flüsterte er lächelnd. Schuldig riss beide Augen auf. Woher
wusste er...? Sofort griff er telepathisch in Omis Kopf und suchte nach den Informationen und stiess auf... eine mentale Barriere...? Omi kicherte, schien den Versuch zu spüren. „Hör auf an der Barriere zu schubsen, ich
kann das nicht so gut, und du sollst doch dein Geburtstagsgeschenk als Überraschung bekommen."Schuldig hob eine Augenbraue und lachte leise. „Gar nicht mal schlecht. Wer hat dir das beigebracht?"
Omi grinste zufrieden. „Derselbe, der mir gesagt hat, wann du Geburtstag hast... Crawford." „Ich wusste nicht, dass Crawford so ein romantischer Bastard ist." Omi zuckte die Schultern. „Er meinte nur, es
schade nicht, wenn ich es wieisse. Und er sagte, dass ich ein Recht hätte, Geheimnisse vor dir zu haben..." Er lachte.
Schuldig grinste breit. „Du weisst genau, ich kann die Barriere brechen, ohne mit der Wimper zu zucken." Omi nickte. „Ich weiss." Er drehte sich zur Seite und öffnete die Nachttischschublade. „Deswegen geb
ich dir dein Geschenk auch jetzt gleich, ehe du rauskriegst, was es ist." Schuldig setzte sich und beobachtete nun doch neugierig, wie Omi einen Umschlag hervorholte.
Omi setzte sich neben ihn und hob den Umschlag hoch. Schuldig grinste und zog die Decke etwas von Omis Körper. „Hm... Vorhang Nummer eins oder der Umschlag...?"
Omi lachte laut. „Da du heute Geburtstag hast, kriegst du ausnahmsweise beides." Dann stiess er Schuldig zurück aufs Bett und kletterte auf ihn. Er streckte ihm den Brief entgegen. „Mach schon auf", drängte
er. Schuldig lachte leise beim Anblick von Omis Aufregung und öffnete den Umschlag. Heraus zog er zwei Karten... vermutlich Tickets... Er hob eine Augenbraue. „Carnival Spirit?"
Omi hopste einmal. „Lies weiter!" Schuldig hatte etwas Mühe, bei den ganzen Informationen auf den Karten, das Wesentliche herauszulesen. „Empress Suite..." Omi grinste und lehnte sich nach vorne, um auf die
Karten zu sehen. Er zählte auf: „Eine Suite auf dem Empress Deck der »Carnival Spirit« [1] für eine zweiwöchige Kreuzfahrt..." Er lehnte sich weiter vor und zeigte auf eine bestimmte Stelle auf einer der Karten.
„... Und zwar hierhin." Schuldigs Augen weiteten sich. „Südliche Karibik", hauchte er ungläubig. „Das ist nicht dein Ernst!" Omis Grinsen teilte sein Gesicht praktisch in zwei Hälften.
„Aber... Crawford..." „Den hab ich schon im April gefragt, Aya ist auch einverstanden." Er hopste noch einmal. „Wir fahren in die Karibik!" Schuldig schüttelte kurz den Kopf, um das alles ordnen zu
können. Er lachte knapp, als er darüber nachdachte, dass Aya diesen Urlaub eher nicht erlaubt hätte, hätte er gewusst, wen Omi mitnehmen wollte... „Du hast das seit April vor mir verheimlicht?"
Omi lächelte verlegen. Schuldig grinste. „Bin stolz auf dich", meinte er amüsiert und klapste Omi auf den Hintern. Omi giggelte, nahm Schuldig die Tickets aus der Hand, legte sich auf ihn und küsste ihn lange.
„Gefällt dir dein Geschenk?", fragte er, ehe er noch einen kleinen Kuss auf die Lippen des anderen streifte. Er nickte und schnurrte zufrieden. „Mhmm. Bekomme ich jetzt noch das hinter dem Vorhang?"
Omi grinste. „Gehört die ganzen zwei Wochen dir." Schuldig strich mit einem Finger über die süssen, kleinen Lippen. „Und wann geht's los?" „Der Flieger geht am 3. August um 11 Uhr 50..."
„Das ist morgen!" Omi lächelte sinnlich. „Hmm... Aber du kannst ja deinen Preis hinter dem Vorhang schon mal ausprobieren. Was hältst du davon?"
Schuldig zögerte keinen Augenblick und zog Omi zu sich. „Komm her, Baby."
******
Der Flug neigte sich langsam seinem Ende zu. Schuldig hatte darauf bestanden, Omi den Fensterplatz zu überlassen. Der
verträumte Blick, mit dem Omi die Welt unter ihnen bedachte, war ihm Lohn genug. Jetzt schlief er auf dem zurückgeklappten Sitz der ersten Klasse. Omi war wach und sah aus dem Fenster in den langen Tag. Mit einer Hand
stützte er sein Kinn, die Finger der anderen waren mit Schuldigs verflochten. Die Lautsprecherdurchsage liess sie beide zusammenfahren. »Meine Damen und Herren, in zehn Minuten werden wir planmässig in Miami landen. Es
ist jetzt genau 14 Uhr 12 am 3. August und wir erwarten in Miami eine Temperatur von 38° Celsius. Wir bitten Sie, nun auf iIhre Plätze zurückzukehren und sich anzuschnallen. Wir hoffen, dass Sie hatten eine angenehme Reise
hatten und wünschen Ihnen einen schönen Aufenthalt in Florida.« Schuldig grinste verschlafen und drückte die Hand in seiner einmal. „Sag mir noch mal, wo wir hinfahren, damit ich weiss, dass ich nicht träume und mich
Brad gleich unsanft aus dem Bett schmeisst, um mir irgendeine Arbeit aufzudonnern." Omi lachte und beugte sich zu ihm, um ihn zu küssen. Die Stationen wusste er auswendig, es war ein Wunder, dass er nicht vor Erwartung
platzte... Zwischen den Kküssen flüsterte er: „St. Martin... Antigua... Hm... Barbados... Tobago... St. Lucia... St. Thomas… Puerto Rico... und... Jamaica…" Dann versank er mit ihm in einem tiefen Kuss. „Hm...
Sonnenuntergang auf St. Lucia..." „... Tauchen auf Tobago...", erwiderte Schuldig. „... Segeln auf St. Thomas..." „... Rum auf Jamaica...", lachte Schuldig. Er zog Omi so nahe an sich, wie das
eben ging, ohne ihn aus dem Sitz zu heben. Dann murmelte er: „Und Sex überall dazwischen." Omi erwiderte den Kuss begeistert und Schuldig kam nicht umhin gegen die Lippen des anderen zu grinsen... Er hatte ein
Sexmonster geschaffen... Das hatte er auch vor ein paar Stunden bemerkt, als er mit Omi mal eben kurz auf der Toilette verschwunden war... Ach ja... Nur fliegen ist schöner... Die Fahrt vom Flughafen nach Fort
Lauderdale war etwas unangenehm... Zum Glück hatte der Wagen eine Klimaanlage... Die ganze Zeit sassen die beiden auf dem Rücksitz und dösten vor sich hin. Der Flug war sehr anstrengend gewesen... Und es wurde und wurde
nicht dunkel. In Tokio flogen sie am Mittag los und kamen nach sechzehn Stunden Flug nachmittags um zwei (eigentlich nur zwei Stunden nach Start, inklusive dem Sprung rückwärts über die Datumsgrenze) an... Die Nacht war viel
zu kurz gewesen und auch noch von einer gewissen Episode unterbrochen worden... Ihre Körper und deren Zeitgefühl wurden völlig über den Haufen geworfen. Omi seufzte im Halbschlaf und kuschelte sich näher an
Schuldig, der abwesend einen Arm um den jungen Mann legte und mit seinen Fingern durch blonde Strähnen fuhr. Seine grünen Augen starrten auf die Landschaft, die an ihnen vorbeizog, ohne sie wahrzunehmen. Er war in
Gedanken. Erst galten diese noch Crawford: Warum hatte der andere Mann seine Beziehung zu dem jüngeren Killer nicht nur gebilligt, sondern auch noch geradezu forciert? Er fragte sich das nicht zum ersten Mal, aber immer mal
wieder... Er konnte förmlich schmecken, dass Brad noch einen Plan irgendwo versteckt hatte. Berechnender Bastard. Die Gedanken, die später kamen, beunruhigten ihn mehr. Die drehten sich um den jüngeren Killer selbst. Und
vor allem um die Gefühle, die dieser in ihm auslöste. Die letzten Monate waren ziemlich ereignisreich gewesen. Angefangen im letzten November, in dem der junge Mann zu seinem Liebhaber geworden war... Schon einen Monat
darauf hatte Schuldig feststellen müssen, dass er von dem gegnerischen Killer angetan war, der ihn faszinierte, bis zu dem Punkt, wo er ihn fast schon beschützen wollte... Natürlich hatte er sich das damals noch damit
erklären können, dass er sein Spielzeug behalten wollte... Aber mittlerweile... Ihre Zusammentreffen waren immer sehr leidenschaftlich gewesen, und das wurde noch verstärkt, als Omi seine Liebe für ihn entdeckt hatte. Er
hatte sich schwer getan, damit umzugehen - viel schwerer, als er es Omi wissen liess. Wie konnte dieser grundgütige Junge jemanden wie ihn lieben? Und er wusste, dass es der Wahrheit entsprach... Der Schwall an wärmenden
Emotionen, der ihn jedes Mal traf, wenn Omi in seiner Nähe war... Ein reines Herz. Vollkommene Hingabe. Das höchste der Gefühle in Reinform. Und das für ihn, Schuldig, der er seinen Namen nicht ohne Grund trug... Wie
oft hatte er versucht, den Jungen als das zu behandeln, das er war: eine Eroberung, ein Preis; nur um seine Entschlossenheit beim ersten liebevollen Blick bröckeln zu sehen? Er -–konnte- einfach nicht anders. Omi hatte ihn
infiziert, war in seinem Blut... und das, weil er ihn freiwillig hineingelassen hatte. Ein Teil von ihm verfluchte, dass jemand mit solcher Macht, wie er sie hatte, sich von einem -Jungen- so einwickeln liess; der andere
Teil konterte sachlich, dass, gerade -weil- er diese Macht besass, er tun und lassen konnte, was er wollte. Und er wollte Omi.
Er hatte feststellen müssen, dass er sich nach dessen Wärme sehnte. Und das war der Knackpunkt... In letzter Zeit ertappte er sich immer häufiger dabei, dass er aus Reflex beinahe Omis Liebesgeständnisse erwiderte...
Noch hatte er es nie getan... Noch... Aber was war Liebe schon? Er konnte ja nicht empfinden, was er nicht kannte. Omi machte die Liebe glücklich. Aber Omi stand dieses Glück auch zu.
Der besagte junge Mann seufzte erneut und unterbrach Schuldigs Gedankengänge. Omi blinzelte kurz verschlafen und lächelte, als er die Präsenz seines Geliebten spürte. Dann schlief er weiter. Schuldig konnte nicht
anders, als beim Anblick von diesem Schmusekater zu lächeln. Er küsste sanft den blonden Schopf, ehe er weiter aus dem Fenster schaute und seine Überlegungen ruhen liess. Er blies sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht,
die widerspenstig in seine Augen fielen. Er hatte sein Stirnband zu Hause gelassen. Omi gefiel es so... Und es war eine Art Erinnerung, dass er auf Urlaub war, weit weg von Schwarz. Omis Kiefer klappte nach unten, als sich
die Türe zu ihrer Suite hinter ihnen schloss. „Oh, WOW!" Der Weg dahin war ja schon beeindruckend gewesen, aber die Suite selber... Eben... einfach wow! Sie war viel grösser, als er sich eine Suite auf einem Schiff
vorgestellt hatte, eine Wand bestand komplett aus Fensterglas, vor der sich ein Balkon befand; entsprechend war es sehr hell und die Einrichtung dazu passend in einem warmen Gelbton gehalten. Champagner stand mit zwei Gläsern
neben dem grossen Doppelbett bereit... Auf dem Salontisch waren einige Snacks, denn man hatte ihnen gesagt, dass heute das Dinner ausnahmsweise erst um halb neun serviert werden würde, eine halbe Stunde nach dem Start. Omi
drehte sich einmal mit ausgebreiteten Armen um die eigene Achse und strahlte. Dann sprang er Schuldig um den Hals und küsste ihn lange. „Es ist perfekt", hauchte er.
Schuldig grinste. „Nichts anderes habe ich von deinem Geschenk erwartet." Omi wurde rot. Beinahe hatte er das vergessen. „Also", begann Schuldig und fuhr zwischen seinen Worten mit der Zunge über Omis
Lippen. „Wollen wir das Bett ausprobieren oder erst mal das Schiff erkunden vor dem Essen?" Omi wimmerte, fing Schuldigs zärtliche Zunge mit seinem Mund ein und sog daran, ehe er ihn tief und lange küsste. Dann sah
er auf, sein Blick wanderte mit glitzernden Äuglein durch das Zimmer und zur Türe... ... Und Schuldig lachte laut. „Du platzt ja vor Neugierde! Gehen wir uns umsehen. Das Bett läuft uns nicht davon." Omi
drückte ihm lachend noch einen Kuss auf den Mund. „Danke, Schu." Er packte den Mann bei der Hand und schleppte ihn hinter sich her zur Türe. Schuldig lächelte zufrieden. Er mochte Omi so begeistert... „Aber du
weisst ja, wie das Sprichwort heisst, oder Kätzchen? »Curiosity killeds the cat.«" Omi drehte sich nach ihm um und grinste ihn breit an. „Oh ja... Eine Menge kleiner Tode für mich, seit ich neugierig genug war,
mich auf dich einzulassen." „Dein Wort in Farfies Ohr...", stimmte er zu und grinste. Omi lachte. Aber... in -Farfies- Ohr? Er lachte lauter und schüttelte den Kopf. Der war gut... Die letzte Station, die
die beiden auf ihrer Erkundungstour ansteuerten, war schliesslich der Speisesaal um halb neun. Entsprechend der Verordnung hatten sie sich erst noch umgezogen, und jetzt wurde auch klar weswegen: mit Jeans und T-Shirt hätte
man hier wirklich nicht hineingepasst. Der Saal war vielleicht nicht ganz so beeindruckend wie das Theater, das sie gefunden hatten - ja, an Bord gab es tatsächlich ein Theater, sehr zu beider Überraschung - aber auf
jeden Fall beeindruckend. Man wies sie an einen Vierertisch am Rande. Erst dachten sie noch, sie würden alleine bleiben, da bekamen sie Gesellschaft von einer jungen Frau, so etwa in Schuldigs Alter. „Hallo",
begann sie in perfektem Englisch - offensichtlich ihre Muttersprache - und äugte die beiden neugierig, als sie sich setzte. „Ich bin Karen."
Omi strahlte direkt zurück. „Ich bin Omi." Er hatte keine Schwierigkeiten mit englisch und wusste, dass Schuldig sie auch nicht hatte. Schuldig zögerte kurz. „Nenn mich Schu." Karen hob eine Augenbraue.
„Ein Spitzname... sozusagen", erklärte er. Sie zuckte die Schultern. „Schu und Omi also." In dem Moment kam ein Kellner und nahm ihre Bestellung auf.
Karen verlor keine Zeit und fuhr gleich darauf mit dem Gespräch fort: „Das erste Mal auf Kreuzfahrt?" Beide nickten und Schu fügte an: „Mein Geburtstagsgeschenk."
„Du hast Geburtstag?", fragte Karen begeistert. Schu nickte. „Gestern." „Wie alt?" „Dreiundzwanzig." „Ehrlich?! Ich bin auch dreiundzwanzig! Na ja... fast vierundzwanzig." Sie
wandte sich an Omi: „Hast du ihm die Kreuzfahrt geschenkt?" Omi nickte. „Mhm." Und das war die beste Idee, die er je hatte - abgesehen vielleicht von seiner Beziehung zu Schuldig.
„Nicht ganz uneigennützig, was?", grinste sie. Omi lachte. „Nein. Aber ich glaube, es gefällt ihm. Oder, Koi?" Schuldig wollte etwas erwidern, aber Karen unterbrach ihn: „Koi?" Omi wurde rot.
Hatte er das eben wirklich gesagt? Mist! Das war das erste Mal, dass ihm so was rausrutschte. „Ähm... das... das ist japanisch und..." Karen wehrte sofort ab. „Ja, ja, ja. Ich weiss, was es heisst. Kurzform von
Koibito, es sei denn, du nennst ihn einen Karpfen. Was ich meinte war... Ihr seid zusammen? Ich meine, als Paar hergekommen?" Omi wusste nicht, wie er darauf antworten sollte... Natürlich waren sie zusammen
hergekommen. Aber waren sie auch...? Schuldig beendete schliesslich Omis inneren Kampf. „Ja." Karens Augen weiteten sich sichtlich, und sie grinste von einem Ohr zum anderen. „Wie süss!"
Im Verlaufe des Abendessens stellte sich Karen ziemlich bald als sammelwütiger Manga-Fan mit einer Vorliebe für
Shônen-Ai-Geschichten heraus. Und eine Studie am lebenden Objekt kam ihr sehr gelegen...Zudem war sie offenbar die Tochter des Captains und jobbte die Hälfte der Zeit auf dem Schiff als Bademeister an einem der Pools, die
andere Hälfte war sie Gast. Sie unterhielt sich meistens mit Omi, Schuldig »hörte« zu... Er sass in seinem Sitz zurückgelehnt da und folgte Karens Gedanken, die er mit einem immer breiteren Grinsen hinter vorgehaltener
Hand bedachte. Omi bemerkten das erst, als Schuldig sich an seinem Wein verschluckte und sein Lachen nicht mehr zurückhalten konnte. Karen fragte natürlich sofort nach: „Alles okay? Was ist so lustig?" Sie hatte
sich mit Omi nur über den Blumenladen unterhalten. Schuldig riss sich zusammen und grinste. „Nur... ein Gedanke, nichts weiter."
Karens Aufmerksamkeit wurde zum Glück gerade anderweitig beansprucht. „Ah! Nachtisch!" Nun wieder mit Essen beschäftigt fand Omi die Zeit, Schu selbst noch zu befragen. ---Ein Gedanke? Wessen Gedanke?---
Schuldig schob sich den Löffel Fruchtsalat langsam in den Mund. ---Nicht meiner.--- Omi kannte diesen Gesichtsausdruck sehr gut. ---Erzähl.--- Schuldig sah für alle Welt aus, als würde er einfach sein Dessert
geniessen... Aber Omi bekam nun die Bilder zu sehen, die Karen von ihm und Schu durch den Kopf geschwirrt waren während des Essens bisher. Angefangen mit ganz harmlosen Sachen... Ein Kuss an der Reling zwischen dem hübschen
Pärchen, mit dem sie den Tisch teilte, händchenhaltend am Strand spazieren... Und da endeten die harmlosen Sachen auch schon und wanderten weiter ins Schlafzimmer...
Omi nahm einen grossen Löffel Sorbet, um sich abzukühlen. Eieiei... ---Schon verlegen, Baby? Das war noch gar nichts...--- Omis Augen schossen hoch. Die Stellung, die Karen sich für sie beide ausgedacht hatte, war
schon ziemlich einfallsreich gewesen - nichts, was sie nie ausprobiert hätten, aber trotzdem... Das war noch gar nichts?! Wollte er überhaupt wissen, wie weit die Gedanken dieser Yaoi-Verrückten gingen? Schuldig
interessierte das herzlich wenig und er projizierte munter weiter Karens Fantasien... Die schliesslich mit Sex in dem Raum endeten, in dem sie sich gerade befanden... Omi über einen Tisch gebeugt, Schuldig hinter ihm...
Jetzt konnte Omi die Röte auf seinen Wangen nicht mehr kaschieren. Wenigstens war der Saal in dem Bild bis auf sie beide leer... ---Was meinst du? Wollen wir das mal ausprobieren?--- ---Wenn der Saal tatsächlich leer
ist...--- Omi gab sich grosse Mühe, sich auf sein Sorbet zu konzentrieren. ---Wo ist denn dein Exhibitionismus hin?---, neckte Schuldig. Omi lächelte verschmitzt. ---Ich glaube, den hast du aufgebraucht...---
Schuldig lachte, dann beugte er sich vor und küsste Omi kurz. Karen sah von einem zum anderen. „Hab ich etwas verpasst?", fragte sie, hocherfreut über die kleine Zärtlichkeit. Schuldig stupste Omis Nase an und
setzte sich wieder zurück. „Er ist nur furchtbar süss." ---Süsses, kleines Nachtischkätzchen...---, fügte er fast schnurrend für Omi an. Omi holte tief Luft. Dieser Unterton in der mentalen Stimme konnte nur
eines bedeuten... Und das gefiel ihm. ---Vielleicht mag ich den Gedanken doch ganz gerne, hier ein paar Räumlichkeiten... durchzuprobieren...--- ---Hmm... Das ist mein Baby.--- Omi grinste breit. ---Vielleicht die
Theaterbühne...--- Begleitet wurden diese Worte von dem dazu passenden, mentalen Bild... Schuldig seufzte und beendete seinen Nachtisch hastig. Er wollte nur noch so schnell wie möglich den jungen Mann schnappen und auf
ihre Suite schleppen. Das waren aber auch... köstliche Impressionen. *** Drei Tage später kamen Schuldig und Omi von ihrem ersten Ausflug zurück. Die Station war St. Martin und sie hatten sich fast zu Tode
eingekauft... Um den Tag voll nutzen zu können, hatten sie sich einen Wagen gemietet - was unter normalen Umständen Probleme gegeben hätte, da auf St. Martin Mietwagen nur an über Fünfundzwanzigjährige ausgegeben
werden; aber natürlich hatte der Telepath keine Schwierigkeiten, den Vermieter zu überzeugen... Und sie hatten den Tag ausgenutzt. Bloss, nach einem von Einkaufen so gefüllten Tag, kamen sie voll bepackt in ihrer Suite
an, liessen die Taschen fallen und fielen praktisch übereinander her. Es war merkwürdig... Zu Hause waren sie es nicht gewohnt, die ganze Zeit in der Nähe des anderen zu sein... Entsprechend heiss gingen die letzten Tage
zu. Sie schienen nicht genug voneinander zu bekommen, wollten sich fast schon gegenseitig auffressen, und jederzeit und überall war ihnen dafür passend. Omi genoss diese Aufmerksamkeit. Er hatte Schuldig ganz für sich.
Kein Schwarz, kein Weiss... Nur sein Geliebter, der ihn mit allen erdenklichen, körperlichen Freuden verwöhnte. Ehe er sich versah, lag er nackt auf dem Bett, sein Liebster beugte sich über ihn, drang in ihn ein...
Omi konnte sich nur noch an ihm festhalten, um nicht in dem Sturm der Gefühle unterzugehen. „Oh Gott, Schu!" Nach all den Monaten kannten sie den Körper des anderen so gut... kannten jeden einzelnen Punkt, jedes
Stückchen Haut, jede empfindliche Stelle. Ihr Feuer brannte, trieb sie zur Spitze, bis es in einem einzigen, glückseligen Schrei endete.
„Ich liebe dich, Schu. Ich liebe dich so...", war alles, was Omi schweratmend noch heraus brachte. ---Ich weiss, Baby. Ich weiss...---
Ja, er wusste es. Und warum versetzte es ihm jedes Mal einen Stich, wenn er es hörte? Er hielt den Jungen einfach im Arm, küsste immer wieder seine Stirn und strich durch seine Haare. „Hunger, Baby?" Omi
schnurrte zufrieden. „Mhm... Aber können wir erst noch etwas schwimmen gehen? Ich glaube, Karen hat Dienst." Schuldig lachte. Ja... Karen... Eine interessante Person. „Können wir. Aber ich trinke dort lieber noch
etwas. Schwimmst du auch alleine?" Omi kuschelte sich näher an ihn. „Natürlich. Du kannst mir ja zusehen." Wieder ein Lachen. „Oh, das werde ich." Wie erwartet sass Karen auf ihrem Platz am Rande
des Pools und behielt alles im Auge. Sie trug einen blau,- weiss,- roten Badeanzug mit dem Logo der Carnival Spirit. Schuldig hatte einen Arm um Omi gelegt und steuerte zu der Bar an einem Ende des Pools und setzte sich. Er
nahm Omi sein Handtuch ab und bekam dafür einen enthusiastischen Kuss aufgedrückt, dann beobachtete er ihn, wie er mit einem Sprung in das kühle Nass eintauchte. Da er nicht schwimmen wollte, trug er eine Jeans und ein
Shirt und bestellte sich jetzt etwas zu trinken. Beim Pool bekam man keine alkoholischen Getränke... Eine vernünftige Regelung. Zufrieden sah er Omi beim Schwimmen zu, wie er eine Länge nach der anderen zurücklegte. Wie
ein Fisch im Wasser... Hm... Im Wasser... Yep... Karen dachte gerade an dasselbe... Schuldig lachte leise. Blieb zu hoffen, dass sie dadurch nicht ihre Arbeit vernachlässigte... Omi schwamm vielleicht zwanzig
Minuten lang hin und her, bis er beschloss, dass er jetzt genug hatte und noch am entfernten, seichten Beckenende herumplanschte.
Schuldig lächelte versonnen. Sein kleines, verspieltes Kätzchen... 'Mir. Er gehört mir allein.' Dann verdunkelten sich seine Augen abrupt. Da baggerte doch tatsächlich so ein Wandschrank von Aushilfsarschloch -sein-
Baby an! Omi wies ihn freundlich aber bestimmt ab und kletterte aus dem Wasser. Das Aushilfsa*** entschied, die deutliche Abfuhr zu ignorieren und folgte Omi.
Nun doch sichtlich genervt drehte Omi sich nach dem Typen um, der ihn am Arm gepackt hatte. Schuldigs Augen zogen sich zu Schlitzen. Er nahm Omis Handtuch und stand auf. Aus dem Augenwinkel sah er, dass er nicht der einzige
war, der das Schauspiel beobachtete hatte... Auch Karen hatte es bemerkt und hatte bereits das Funkgerät in der Hand, um notallenfalls die Sicherheit zu rufen.
Schuldig warf ihr ein Grinsen zu und sie verstand den Wink und wartete noch damit. Bedächtig aber unaufhaltsam kam er näher. Er fühlte deutlich, wie unwohl Omi bei der ganzen Sache war, solche Bedrängnis schlug ihm auf
den Magen... Das machte Schuldig nur noch wütender. Er wusste, dass Omi sich verteidigen konnte, wenn es darauf ankam. Aber sie waren im Urlaub! Omi sollte hier nicht an Albträume aus der Vergangenheit erinnert werden,
geschweige denn, sie auch noch bekämpfen. Dieser... dieser Wurm! Schuldig grinste finster und schickte dem Mann einen Schwall an Emotionen, die ihn erstarren liessen.
Er schickte ihm all die Furcht, die er vor ihm und Omi haben sollte... Furcht um sein Leben. Der Mann wusste einen kurzen Augenblick tatsächlich nicht mehr, wie ihm geschah, als er plötzlich Panik in sich aufsteigen
spürte. Irgendwie schien er zu verstehen, dass er jetzt wirklich um sein Leben bangen musste... Aber wo kam das her? Vielleicht einen halben Augenblick nachdem sich sein Herz vor Angst verkrampfte, wurde er an der Schulter
gepackt und umgedreht. Er blickte direkt in zwei eiskalte, grüne Augen, die ihn hasserfüllt anstarrten. Schuldig liess den Mann im Bruchteil einer Sekunde wissen, dass diese Angst von ihm ausgelöst worden war, und er auch
allen Grund hatte, ihn zu fürchten. Seine Augen bohrten sich bis tief in dessen Kopf - vermutlich würde sein Opfer noch tagelang schlecht von grünen Augen träumen...
Schuldig zögerte nicht und verpasste ihm einen rechten Haken und beförderte ihn zurück ins Wasser. Absichtlich hatte er nicht zu fest zugeschlagen. Der Mann sollte nicht das Bewusstsein verlieren...
Sonst müsste Karen ihn womöglich wiederbeleben und das musste doch nicht sein. Scheinbar unberührt legte er darauf das Handtuch um Omis Schultern und grinste ihn an. ---Niemand versaut mir den Urlaub ungestraft, Baby.---
Omi lächelte dankbar. Er wusste, dass er auch alleine damit hätte fertig werden können... Aber... Es fühlte sich einfach so viel besser an, wenn jemand da war, der ihn beschützte... Er liess sich umarmen und seufzte
glücklich. Der Mann von vorhin kam prustend wieder an die Wasseroberfläche und wurde von Karen herausgezogen. Er splotterte noch einige Momente lang, bis Karen ihm kräftig auf den Rücken klopfte - ein bisschen kräftiger
als nötig gewesen wäre - und er sich schliesslich den schmerzenden Kiefer rieb. Karen grinste selbstzufrieden und setzte sich wieder auf ihren Platz. Was für ein Idiot.
Schuldig verliess den Platz wie er ihn betreten hatte: mit einem Arm um Omi. Der Ausflug auf Antigua war wesentlich ruhiger im Vergleich zu St. Martin. Ein Bisschen shoppen, ein Bisschen Sightseeing, ein Bisschen Strand und
schwimmen. Also hatten sie beschlossen, am Abend einen der Tanzclubs an Bord zu besuchen, die Karen ihnen wärmstens empfohlen hatte. Danach war ein stiller Spaziergang an Deck angebracht.
Schuldig trottete gemütlich neben Omi her. Er grinste. „Ist dir etwas in dem Club aufgefallen?" Omi grinste zurück. „Die Barhocker sahen einladend aus."
Sie lachten. In der Tat erinnerte die Einrichtung an einen bestimmten Club und ihre »erste« Begegnung. Omi griff nach einer von Schuldigs Händen und lehnte sich an ihn. „Eine schöne Erinnerung", murmelte er.
Schuldig spürte in der warmen Atmosphäre plötzlich einen alten, längst vergessen geglaubten Schmerz, der ihm die Brust zu schnürte. Sein Atem stockte, er wusste nicht, wo das herkam... Unbewusst drückte er Omi fester
an sich, er wollte sicher sein, dass jemand für ihn da war... und ihn... liebte. Die Welt um ihn herum schien zu einem kleinen, dunklen, schwarzen Raum zu werden. Kalt, so kalt, und Angst... Er hatte Angst. Zitternd küsste
er Omi auf den Kopf und presste die Augen zu. 'Geh weg! Verschwinde!', schrie er dem Monster zu, das aus der Dunkelheit seine Klauen gegen ihn ausstreckte.
Omi war bei ihm! Nicht... er. Nicht er, niemals mehr er.Schwach, schwach. Du bist so SCHWACH! Omi bemerkte die Anspannung in Schuldigs Körper sofort. Hatte er etwas Falsches gesagt? Er sah zu seinem Geliebten hoch. „Schu?
Was ist denn?" Schuldig rang jetzt praktisch um Luft. Das... das war doch nicht möglich! Es war lange vorbei! Der Mann, der sich sein Vater genannt hatte, lange tot! Es war vorbei! Es -musste- vorbei sein! Jetzt sah
Omi, dass etwas ernsthaft nicht mehr in Ordnung war. Er kannte diesen Gesichtsausdruck an Schuldig. Er hatte ihn einmal gesehen, als der Telepath kurzfristig die Kontrolle über seine Gabe verloren hatte. Damals hatte ein
schwerer Unfall vor dem Hotel, in dem sie gerade waren, stattgefunden, und die starken Emotionen der Beteiligten hatten Schuldigs empfindliche Wahrnehmung überwältigt. Geschah das jetzt wieder? Da sie hier auf Urlaub
waren, hatte Schuldig seine mentalen Schilde nicht ganz so gewissenhaft aufrecht erhalten... Omi sah sich panisch um. Passierte in der Nähe etwas? Da war nur ein Mädchen, etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt... Sonst
nichts. Nur Stille. „Schu! Schuldig! Die Schilde! Verstärk die Schilde! Koi, bitte!" Die Worte mussten irgendwie durch die Dunkelheit zu dem Deutschen durch gedrungen sein. Er fand in Omis heller, besorgter Stimme
genügend Kontrolle, um die Schilde voll aufzubauen. Nach langen Sekunden beruhigte er sich so weit, dass er erkannte, dass diese Gefühle nicht seine eigenen waren, und er in Sicherheit war. Erschrocken drehte er sich nach
der Quelle um, die er jetzt deutlich ausserhalb seines Körpers ausmachen konnte, sein Blick blieb auf dem Mädchen liegen. Sämtliche Farbe verliess sein Gesicht. Sie war vielleicht sechzehn. Sechzehn!
Schuldig schoss herum und rannte zurück zur Kabine. Omi sah ihm perplex hinterher. Noch einmal betrachtete er das Mädchen. Und dann sah er es in ihrem Gesicht: Absolute Hilflosigkeit, Angst, Schmerz und... Leere.
Und Omi verstand. „Mein Gott!", hauchte er und folgte Schuldig. Sehen konnte er den anderen Mann nicht mehr, und er hoffte, dass er tatsächlich in ihre Suite zurückgekehrt war... Die Türe war offen. Er konnte aus
dem Badezimmer Würgegeräusche hören, danach die Toilettenspülung. Omi kniff die Augen zu und atmete tief durch, dann trat er ein.Schuldig verliess leicht torkelnd das Bad, ignorierte Omi, von dem er mit Sicherheit
wusste, dass er da war, stürzte zur Bar und goss sich einen grossen Drink ein. Omi blieb bei der Türe stehen und schloss sie hinter sich. Er sagte nichts, wollte sehen, ob Schuldig sich alleine wieder beruhigen würde.
Schuldig leerte das beachtliche Glas in einem Zug und schenkte nach. Er nahm einen Schluck und schloss die Augen. Wie konnte das nur passieren? Verdammt noch mal! Es war nicht das erste Mal, dass er einem Missbrauchsopfer
begegnete und dessen Gedanken spürte! Wie konnte er sich bloss so mitreissen lassen?! Urlaub hin oder her, seine Schilde so weit zurückzuziehen, grenzte an Dummheit! Er holte Luft. Es lag nicht am Urlaub, und das wusste
er. Nein, der wahre Grund stand bei der Türe und bedachte ihn mit einem besorgten Blick. Omi liess ihn nachlässig werden. Das war kein gutes Zeichen. Aber Omis Wärme zog ihn an wie das Licht die Motte! Sogar jetzt, wo er
doch das direkte Resultat seines Handelns sehen konnte, sehnte sich seine kalte Seele danach, die Gedanken des Jungen einzulassen... Er senkte die Schilde wieder und tastete vorsichtig nach Omi... Und da war die Wärme auch
schon in Form eines gewaltigen Schwalls an Liebe, Besorgnis, Mitgefühl und Verständnis. Bevor er es aufhalten konnte, sagte er leise: „Verdammt, Baby, was machst du mit mir...?" Omi machte ein paar Schritte auf ihn
zu. Zögerlich griff er nach Schuldigs Arm. „Ist es meine Schuld?", fragte er ängstlich. „Ist es meine Schuld, dass deine Schilde nicht in Ordnung waren?" Schuldig hob den Kopf und starrte geradeaus auf die
verschiedenen Flaschen in der Bar. Er lachte kalt. Wer von ihnen beiden war eigentlich der Telepath? Gerade hatte er das noch gedacht... Nein, er hatte gedacht, dass Omi der Grund dafür war, aber der Schuldige war wie üblich
er selbst. Nettes Wortspiel!! :o)) Er drückte das Glas in seiner Hand fester, dann holte er aus und schmiss es an die Wand. „Scheisse, nein!", schrie er. Fassungslos wandte er sich an Omi, dem Tränen in den Augen
glänzten. „Ich bin es! Es war immer alles meine Schuld! Bis heute weiss ich nicht, weswegen ich mich auf dich eingelassen habe! Und ich hätte dich nie zu mehr machen sollen, als zu einer gute Nummer! Hast du eigentlich
gewusst, dass du seit November der einzige warst?! Es war meine Schuld, dass ich dich so nahe an mich heran gelassen habe! Und es war verflucht noch mal meine Schuld, dass die Scheiss-Schilde nicht intakt waren!" Er atmete
heftig, und nach einer Sekunde konnte er nicht glauben, dass er das wirklich alles gesagt hatte... Und er bereute, das Glas weggeworfen zu haben... Omi flüsterte schliesslich: „Nein, das wusste ich nicht." Er hätte
nicht zu träumen gewagt, dass... Dann wurden seine sonst immer so warmen Augen eiskalt. „Es geht ihr so schlecht wie dir damals?", fragte er. Schuldig schnaubte. „Bei mir hat es mit sechs Jahren aufgehört, weisst
du noch? Bei ihr nicht, und sie ist sechzehn." Omi fühlte die Übelkeit in sich aufsteigen. „Der Täter ist auch hier an Bord?" Schuldig nickte. „Der Vater. Ja."
Omi stellte sich aufrecht hin. „Bleibt nur eines zu tun." Schuldig sah direkt in die Augen, die nun sämtliche Wärme verloren hatten. „Wovon redest du?"
Omi blieb kalt. „Wir sind beide Auftragskiller. Benutz deine Fantasie." Schuldigs Blick wanderte von einem von Omis Augen zum anderen, so lange, bis kein Zweifel mehr an dessen Absichten bestand. „Das ist dein
Ernst", stellte er fest. Omi nickte. „Natürlich. Was ist? Entwickelst du ein Gewissen?", fragte er und grinste. Das lockerte die angespannte Atmosphäre etwas. Und Schuldig dachte sich innerhalb von Sekunden
tausend schmerzhafte Tode für den Mann aus. Er erwiderte das Grinsen. Omi trat näher und schlang seine Arme um den Hals des anderen. „Benutz deinen Killerinstinkt mal für was Gutes." Schuldig biss Omi leicht in
die Nasenspitze. „Ich mach ihn kalt. Aber zuerst lass ich ihn wissen, was es bedeutet Angst zu haben, ohne Aussicht auf irgendetwas anderes." Omi schluckte, um den Kloss im Hals los zu werden. Er fühlte sich nicht
unwohl, weil Schuldig das Töten gefiel, sondern, weil er gerade jetzt genau so dachte. Er nickte bestimmt. „Ja. Und ich setz mich noch an den Computer, um sicher zu gehen, dass sie danach abgesichert ist. Wenn wir das schon
durchziehen, soll sie auch was haben, was ihr ein Leben ermöglicht." Omi arbeitete (fast) die ganze Nacht am Computer, bis er dann schliesslich morgens gegen sechs Uhr die grösste Arbeit zu seiner Zufriedenheit
erledigt hatte. Eine Nacht durchzumachen störte ihn nicht weiter, es kam schliesslich öfters vor, und heute stand Spass auf dem Plan... Station Barbados... Schuldig hatte ein paar Stunden geschlafen, um sich für die Pläne
an dem Tag genug konzentrieren zu können, und Omi legte sich noch für eine Stunde neben ihn. Um sieben standen sie wieder auf, um ihren Plan umzusetzen. Schuldig war sehr guter Laune, da er würde »spielen« können ...
An Deck, an derselben Stelle wie gestern Nacht, fanden sie das Mädchen wieder. Marisa Katharina Gerald. Schuldig beobachtete ihre Gedankengänge lange, sicher darauf bedacht, nur die oberflächlichen Gedanken aufzunehmen,
die Emotionen aber auszuschliessen. Er verstand gut, warum sie da stand und ins Wasser starrte... Sie spielte mit der Idee zu springen. Die Angst gerettet zu werden und dann eine noch schlimmere Hölle vor sich zu haben, hielt
sie davon ab. Aber allein der Gedanke erleichterte. Denn den Gedanken von einem erlösenden Tod konnte ihr niemand nehmen. Bald merkte Schuldig auch, wie intelligent sie war... Sehr belesen... Dann schlüpfte er in ihren
Kopf und fing den letzten Gedanken, in dem sie losliess und sprang, auf, und antwortete darauf: ---Bist du sicher, dass du sterben willst? Oder willst du lieber -ihn- sterben sehen?---
Marisa zuckte zu Tode erschrocken zusammen. Was war das gewesen? ---Rotkäppchen hat im Bauch des Wolfes aufgehört, auf den Jäger zu warten... Sag, willst du nicht den Wolf aufschlitzen?--- Sofort formten sich in
Marisas Kopf Bilder, wie sie ihren Vater mit einem Messer tötete... ihn... aufschlitzte... Schuldig nickte bestätigt. Zu Omi meinte er: ---Sie hat noch die Kraft zu leben. Das ist gut.--- ---Sag mir, Rotkäppchen, wie
würde es dir gefallen, zuzusehen, wie der Wolf vor deinen Augen in den Tod stürzt?--- Marisa begann zu zittern. Erst hatte sie gedacht, sie bilde sich die Stimme nur ein... Aber jetzt... Nein, da war jemand.
„Wie Recht du hast", flüsterte plötzlich jemand in ihr Ohr. Sie fuhr herum und war gefangen von zwei magnetischen, grünen Augen. „Hallo", meinte Schuldig gelassen amüsiert. Marisa traute sich nicht,
ihren Gedanken auszusprechen... Bestimmt würde -er- sie hören... 'Kannst du ihn... wegnehmen?' Schuldig lachte. „Ich bin der Jäger, ich bin da um zu töten." ---Und keine Angst. Die Vormundschaft im Todesfall von
deinem Vater wurde bereits auf jemand anderen übertragen.--- In dem Moment war sich Marisa sicher, dass sie träumen musste. Das konnte nicht sein, bestimmt wachte sie gleich auf... mit... -ihm-... neben sich, der wieder in
der Nacht zu ihr gekommen war... Sie atmete tief. Aber der Mann mit den flammenden Haaren stand schliesslich vor ihr, nicht wahr...? „Bist du ein Engel?", fragte sie leise. Schuldig lachte laut und legte seinen
Arm um den jungen Mann, der jetzt neben ihn trat. „Er ist der Engel. Ich bin ein Dämon." Omi schlang seinen Arm um Schuldigs Taille und lehnte sich an ihn. Er lächelte Marisa an. „Wir sind heute auf Barbados.
Kommst du auch an Land?" Marisa schüttelte den Kopf. „Oh, nein, nein. Ich kann nicht..." Schuldig trat einen Schritt näher. „Dein Vater wird bis heute Nacht durchschlafen. Und nachdem das Schiff abgelegt
hat, so gegen drei Uhr, wird er einen Abschiedsbrief schreiben, in dem er sich selbst und deinen Onkel belastet. Eine Stunde später ist er tot. Das wird passieren. Sag jetzt, ob du das willst. Ja oder nein." Sein Gesicht
war bar jeglicher Emotion. Schlussendlich war es ihre Entscheidung. Zum Teil... Falls sie ablehnte, würde er ihren Vater trotzdem töten... aber sie auch. Alles wäre besser, als ihr Leben so weiterleben zu müssen; und wenn
sie doch nicht stark genug sein sollte, um auszubrechen... „Ja." Sie hielt ihr Kinn hoch, als sie antwortete, aber ihre Stimme zitterte. Schuldig klatschte einmal in die Hände. „Gut. Jetzt, wo das geklärt ist,
gehen wir Frühstücken. Wir stellen dich einer Freundin vor, die nimmt dich mit an Land mit. Ihr könnt shoppen, und ich bin mir sicher, dass sie dich danach durch alle Pubs und Bars von Bridgetown schleppt." Er grinste.
Genau das hatte er mit Omi auch vor... Geschäft und Vergnügen hatte er schon immer gerne verbunden. Unbemerkt blieb er noch ein Weilchen in Marisas Kopf drin, um ihre Gedanken von ihrem Vater abzulenken. Er weckte auch
Marisas Kampfgeist, der ohne Zweifel noch irgendwo vorhanden war. Nährboden fand er in ihren Gedanken genug dafür...
Sie sollte wissen, wie das Leben sein konnte... Und Karen war genau die Richtige, um ihr das zu zeigen. Kurz versicherte er sich noch, dass Mr. Gerald tatsächlich nicht aufwachen würde... Er grinste. Nein.
Mit Sicherheit nicht. Der kranke Mistkerl. Oh... Aber ein paar Albträume würde er haben... Verdattert und unfähig darauf zu erwidern, nahm Marisa Omis angebotenen Arm an und folgte ihnen.
Walter Gerald wachte mit den schlimmsten Kopfschmerzen auf, die er je hatte - und er hatte schon eine Menge davon gehabt... Er
konnte sich nicht erinnern, schlafen gegangen zu sein, oder wie lange er geschlafen hatte. Bloss an die wiederkehrenden Träume erinnerte er sich. Träume von seinem Tod durch die eigene Hand und von einem Mann, der immer
daneben gestanden und gelacht hatte. Er schnaubte. Das Leben nehmen? Niemals. Er war doch kein Schwächling! Nicht so schwach wie seine Frau, die die Geburt seiner Tochter nicht überlebt hatte. Nicht so schwach wie seine
geliebte, kleine Prinzessin. Er würde ihr eine Lektion erteilen müssen, dass sie ihn nicht geweckt hatte. Er öffnete die Augen und blinzelte. Draussen war es dunkel...Er zog scharf die Luft ein, als plötzlich die Türe
aufsprang und das Licht anging. Durch zugekniffene Augen sah er jemanden ins Zimmer rauschen - anders konnte man es nicht beschreiben, eine starke Präsenz, die hinaus schrie: »Hier bin ich! Und die Welt gehört mir!«
Er gewöhnte sich an das grelle Licht... und dann erkannte er den Mann aus den Träumen... Die flammenden Haare, die grünen Augen... Er wollte sich setzen, aber sein Körper gehorchte ihm nicht. Der Eindringling lachte.
„Guten Morgen, Sonnenschein!", rief er aus. Dann stand er neben dem Bett, ohne dass man eine Bewegung dorthin hätte ausmachen können und beugte sich nahe zu dem paralysierten Geschäftsmann. Er grinste ein Grinsen, das
einem das Blut in den Adern gefrieren konnte. „Es ist Zahltag, du krankes Arschloch", flüsterte er und betonte dabei jedes einzelne Wort, liess sie praktisch auf der Zunge zergehen.
„Wo ist meine Tochter?", verlangte der Mann zu wissen. „Ich bin hier, Daddy." Marisa stand in der Türe, neben ihr ein junger Mann, der einen schützenden Arm um sie gelegt hatte.
Ihr Vater wollte schreien, aber seine Stimme war kaum hörbar: „Nimm deine Finger von ihr!" Auf Marisas Gesicht spiegelten sich Hass und Übelkeit... Von dem Moment an, als sie erkannt hatte, dass sie von ihrem Vater
frei kommen würde, hatte sich der ganze aufgestaute Hass noch verstärkt. Davor hatte sie sich nicht einmal getraut, an Hass auch nur zu denken... Omi schloss die Türe hinter ihnen. Marisa erwiderte den Blick ihres
Vaters voller Abscheu. „Heute bezahlst du für das, was du mir angetan hast." Ihr Vater wollte protestieren, wollte ihr sagen, dass er sein kleines Mädchen doch so lieb habe, dass das alles völlig normal sei...
Schuldig liess ihn seine Worte nicht aussprechen. Ihm wurde schlecht, wenn er sie im Kopf des Mannes hörte. Zu Omi meinte er: ---Und ich dachte immer, Farfarello wäre krank.--- Dann hatte er keine Lust mehr, den Ausreden
zuzuhören. „Genug davon, Mr. Gerald. Es wird Zeit für Ihre letzten Worte." Gerald stand ohne Kontrolle über seinen Körper auf und ging mit den sicheren Schritten, die Schuldig ihm gab, zu seinem Schreibtisch, wo
er ein Blatt Papier und einen Füllfederhalter hervorholte. Schuldig beugte sich zu seinem Ohr: „Jetzt schreiben wir mal den Abschiedsbrief, nicht wahr, Walter?" Walter hob den Schreiber hoch und legte die Spitze
auf das Papier, dann schrieb er die Worte, gegen die er sich nicht wehren konnte. Nach ein paar Minuten sah Schuldig über seine Schulter zu den anderen beiden im Zimmer. „Marisa, hast du einen Patenonkel?" Marisa
schüttelte den Kopf. „Nein. Einen Onkel, ja, aber keinen Patenonkel."Schuldig grinste breit und beobachtete, wie sich seine Worte auf dem Papier formten. Dann lachte er laut. „Kätzchen... Ich habe gerade Brad zu
ihrem Patenonkel gemacht..." Omi lachte leise mit. „Du solltest ihn aber noch anrufen..." „Wer ist Brad?", fragte Marisa. Schuldig drehte sich nicht um, als er antwortete: „Mein Boss. Er steht auch
im -neuen- Testament deines Vaters drin, das Omi für uns verfasst hat, um die Vormundschaft für dich zu übernehmen, falls dein Vater sterben sollte. Ich würde das ja selber machen, aber Brad hat mehr Sinn für diesen ganzen
juristischen Quatsch." „Was schreibt er da?", fragte sie weiter.Schuldig zuckte die Schultern. „Das Übliche; dazu noch, wie furchtbar leid es ihm tut, was er und sein Bruder dir angetan haben." Dann
schien er zufrieden. „Gut, das war's auch schon, Walter. Gehen wir." Walter stand auf, konnte kein Wort sagen und sich nicht aus eigenem Willen bewegen. Und er wusste genau - aus den Träumen, die er hatte - was nun
kommen würde. Er verliess die Kabine alleine, nur die ständige Präsenz in seinem Kopf blieb. Er machte sich auf den Weg nach draussen, zu den Rettungsbooten... Schuldig, Omi und Marisa warteten eine Minute, bis sie zum
Sun Deck gingen, einige Decks über Marisas Vater. Dort stellten sie sich an die Brüstung und beobachteten die Figur, die sich einem der Beiboote näherte. Omi hatte berechnet, wo genau die Wahrscheinlichkeit, dass er in
die Schiffsschrauben gezogen würde, am höchsten war. Bei voller Fahrt ging es auch nicht mehr um Wahrscheinlichkeit, sondern um Sicherheit. Walter Gerald kletterte in eines der Boote hinein und sah hinunter ins Wasser.
Omi vermutete, dass Schuldig ihm absichtlich einige Sekunden gab, sich sein Ende anzusehen, bis er springen würde... Und dann... verschwand er in der Tiefe. Schuldig grinste. „Machs gut, Walter." Marisa starrte
auf den Punkt, wo ihr Vater verschwunden war. „Weg... Er ist wirklich... weg. Er ist weg... Er kommt nicht wieder, oder?"
Schuldig lachte. Die Hilfeschreie in seinem Kopf verstummten. „Er ist tot. Er kommt nicht wieder." „Wie... wie kann ich euch... wie kann ich mich..." Schuldig unterbrach sie: „Brad wird auf eine
Beteiligung an den Einkünften -deiner- Firma bestehen, bis du volljährig bist." Marisa nickte. „Natürlich." Er war weg. Er würde nicht wieder kommen. Niemals mehr würde er in der Nacht in ihr Bett kommen.
Niemals mehr. Schuldig fuhr fort: „Geh jetzt in dein Zimmer. Morgen, wenn wir angelegt haben, meldest du der Sicherheit, dass dein Vater verschwunden ist. Die Polizei wird dir unangenehme Fragen stellen, aber das ist
notwendig, um auch deinen Onkel aus dem Weg zu haben. Bereite dich also darauf vor." Marisa nickte. Sie wollte noch etwas sagen... Aber was? Sie war gerade Zeuge eines Mordes geworden, ihr Vater war tot und kam nie mehr
wieder... Und alles was sie spürte, war eine immense Befriedigung. War das überhaupt noch normal? „Du machst dir zu viele Gedanken", bemerkte Schuldig, sah aber weiter hinaus auf das Meer. „Er war ein perverses,
krankes Arschloch. Bei allem was er getan hat, würde ich ihn am liebsten zurückholen und noch mal umbringen." Dann holte er tief Luft und fuhr etwas leiser fort: „Aber erwarte nicht, dass es dir ab sofort einfach gut
geht. Die nächsten Jahre werden heftig." Damit hatte er alles gesagt. Marisa nickte noch einmal. „Danke", flüsterte sie noch, dann ging sie auf ihr Zimmer, um auf den Morgen zu warten.
Schuldig rührte sich nicht und beobachtete weiter den Horizont. Omi sah den Ausdruck auf seinem Gesicht. Er war weit weg... Omi legte seine Hand über eine von Schuldig, mit der er sich an der Brüstung festklammerte. Er
öffnete und schloss seinen Mund drei Mal, ehe er wagte, die Worte, die ihn beschäftigten, auszusprechen. „Ist Tobias jetzt frei?", hauchte er leise. Nach wie vor zeigte Schuldig äusserlich keinerlei Reaktion, und
das war immer ein deutliches Zeichen dafür, dass er innerlich aufgewühlt war. Ein weiterer Hinweis waren Themenwechsel... Schuldig begann ruhig: „Baby, du solltest schlafen gehen. Du hast seit fast zwei Tagen nicht
geschlafen und die eine Stunde gestern Morgen zählt nicht, die ist auch schon fast vierundzwanzig Stunden her." Dann fügte er nach einer kleinen Pause noch leise etwas an: „Bitte, lass mich ein Bbisschen alleine. Ich
komme bald nach." Omi lächelte sanft. „Natürlich." Er stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Schuldig auf die Wange. „Aber vergiss nicht, dass du auch etwas Schlaf brauchen könntest." „Nein,
vergesse ich nicht." Dann grinste er Omi an. „Aber wehe du schläfst noch nicht tief und fest, wenn ich komme." Omi giggelte und wandte sich dann ab. ---Ich liebe dich, Schuschu.--- ---Ich weiss, Omittchi.---
Schuldig blieb noch etwa eine Stunde an Deck stehen. Eigentlich wollte er nachdenken, aber er brachte keine klaren Gedanken zustande... Es waren mehr Emotionen, die durch ihn hindurchrauschten.
Nur eines nahm er bewusst auf: Das heute war doch eigentlich ein ganz normaler Hit gewesen... Warum also fühlte es sich an, als wäre jetzt etwas anders? Als hätte sich etwas in ihm verändert, in dem Moment, als der Mann
in den Tod stürzte? Einmal mehr hatte Omi ihn wohl durchschaut... Ist Tobias jetzt frei? War er das? War der kleine Junge frei...? Als er in die Suite zurückkehrte, schlief Omi tatsächlich tief und fest. Kein
Wunder, er hatte wirklich zu wenig geschlafen und sein Körper präsentierte ihm jetzt dafür die Rechnung. Einige Augenblicke lang beobachtete er den schlafenden Jungen, wie sich der Brustkorb gleichmässig hob und senkte,
wie die seidenen Haarsträhnen im Mondlicht, das durch das Fenster schien, silbern glänzten... Die leicht geöffneten Lippen, der eine Arm, der mit der Hand nach oben nach ihm ausgestreckt war, als würde er nach ihm langen,
und die Bettdecke, die zur Hälfte weggestrampelt war... Einfach süss. Furchtbar süss und liebenswert. Schuldig zog sich aus und legte sich neben ihn, sorgsam darauf bedacht, ihn nicht zu wecken, dann deckte er seinen
jungen Liebhaber wieder zu und zog ihn in seine Arme. Es dauerte nicht lange, bis er ebenfalls einschlief, auch er hatte nicht genug geschlafen. Und es dauerte nicht lange, da begannen die Träume....... Schuldig stand an
derselben Reling wie noch eine Stunde davor und beobachtete wieder und wieder, wie ein Mann, den er kontrollierte, zu Tode stürzte. Er war nicht einmal verwundert, als er sah, dass es sein eigener Vater war...
Er wehrte sich nicht gegen das befriedigte, düstere Grinsen, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete. „Du bist tot", zischte er, und zum ersten Mal seit siebzehn Jahren verstand er, dass sein Vater wirklich tot
war... dass er nicht wieder kommen würde... dass er ihn nicht mehr in der Hand hatte... Und selbst wenn ihn seine Mutter dafür hassen würde, dass er ihn getötet hatte - oder dafür, dass er zu spät war - das war es wert.
„Wie kommst du darauf, ich würde dich hassen, Tobias?" Schuldig zog scharf die Luft ein und stellte sich aufrecht hin, wandte sich aber nicht um. Ein Traum also. Natürlich, was denn sonst. Nur ein Traum...
Trotzdem konnte er schlussendlich nicht anders, als sich umzudrehen... Seine Augen weiteten sich. Ja, es war seine Mutter, die vor ihm stand, aber sie sah nicht aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Was ihm sofort auffiel,
waren ihre langen Haare, feuerorange wie die seinen. Sie hatte keine langen Haare gehabt, als sie gestorben war... Sein Vater hatte es irgendwann als passend erachtet, sie zu bestrafen, indem er ihren ganzen Stolz, während sie
schlief, mit einer Schere zerstörte, nur um zu beweisen, dass er Macht über sie hatte. Aber die Haare waren wieder da... genau so schön, wie sie davor gewesen waren, fast bis zu den Knöcheln. Und die dunklen Ringe unter den
Augen, die sie immer gehabt hatte, der traurige Blick, die immer vorhandenen Blessuren... Weg. Sie lächelte. Sie sah aus, wie sie immer hätte aussehen sollen. Und dieser Anblick brach endlich Schuldigs Selbstkontrolle.
Das erste Mal... seit siebzehn Jahren... liefen Tränen über sein Gesicht. Was machte das schon? Es war ja nur ein Traum... Seine Hand presste sich auf seinen Mund, als er ein Schluchzen unterdrückte. Wortlos trat seine
Mutter auf ihn zu und nahm ihren Jungen in den Arm. Sie war einen Kopf kleiner als er, aber das störte beide nicht. Sie hielt ihn einfach fest und strich über seinen Rücken, während er weinte.
Lange weinte er, es war einfach zu viel in zu viel Zeit. Aber irgendwann begannen die Tränen zu trocknen. „Es tut mir leid, Mama..." Er wollte fortfahren, irgendwie ausdrücken wie leid es ihm tat, dass er früher
etwas hätte unternehmen sollen, dass sie noch leben könnte... Aber sie liess ihn nicht weiterreden. Ernst schob sie ihn von sich und sah ihm ins Gesicht. Ihr Lächeln war verschwunden. „Kein Wort!", verlangte sie.
„Dir tut es leid? Was denn? Du warst ein kleiner Junge! Ich hätte die Koffer packen und mit dir verschwinden sollen! Ich bin deine Mutter! Ich hätte dich beschützen müssen!" „Aber..." „Nein",
unterbrach sie ihn wieder in resolutem Ton. „Keine Widerrede. Wenn du darüber nachdenkst, wirst du feststellen, dass ich Recht habe." Schuldig lächelte verhalten. Die Durchsetzungskraft, die sie gerade jetzt an den
Tag legte, kannte er aus den wenigen guten Erinnerungen... „Vielleicht hätte ich dir sagen sollen, dass ich gehen will..." „Du warst sechs Jahre alt. Und ich bezweifle, dass ich es getan hätte, selbst wenn du
etwas gesagt hättest." Sie klang bitter. Diese Erkenntnis schmerzte. „Du hattest keinen Grund, dir selbst einen so grausamen Namen zu geben." Schuldig hob eine Augenbraue. „Ich wette, du sitzt auf deiner Wolke
und erzählst allen anderen Engeln, wie wahnsinnig stolz du auf deinen Sohn, den Profikiller, bist...", bemerkte er sarkastisch. „Den Sarkasmus hast du von mir", meinte sie kühl. „Ich bin nicht hier, um über
dein Leben zu urteilen. Aber du sollst wissen, dass ich sehr stolz auf dich bin, aus mehreren Gründen." Schuldig schnaubte.
Sie holte tief Luft und stützte ihre Hände in die Hüften, um grösser zu wirken. „Nicht so, mein Lieber! Weisst du eigentlich, was es für ein Kunststück war, dass du so lange überlebt hast?" „Vielleicht
hätte ich das besser nicht." Er weigerte sich, die Schuld loszulassen. Vielleicht hatte auch einfach Omi auf ihn abgefärbt. Seine Mutter stampfte wütend mit einem Fuss auf. „Auf diesem Schiff gibt es jemanden, der
das nicht so sieht! Und damit meine ich nicht das Mädchen, dem du heute geholfen hast." Schuldig zwang sich, darüber nachzudenken. Er wusste, Omi liebte ihn und wäre über alle Massen traurig, wenn ihm etwas
zustossen würde... Aber wenn er ihn nie kennen gelernt hätte, wäre er doch besser dran gewesen, er hätte noch seine Schwester... Andererseits hatte Omi ihm dafür vergeben... Auch wenn er nicht wirklich wusste, wofür...
Noch ein Punkt, der ihm Kopfschmerzen bereitete... Seine Mutter strich ihm sanft über die Wange. „Glaub mir, Omis Leben wäre nicht besser verlaufen, hätte er dich nicht getroffen. Seine Schwester würde noch leben, das
ist wahr... Aber den Preis dafür willst du nicht wissen. Nur eines kann ich dir sagen: Er wäre jetzt nicht glücklich und würde es auch nicht mehr werden und sie genau so wenig." Schuldig schluckte. Nichts desto
trotz war er an ihrem Tod schuld. Und er konnte ja Omi schlecht von diesem Traum erzählen, nicht wahr? Nein, er hatte diese Schuld zu tragen, aber sie war nicht mehr so schwer, wenn er wusste, dass Omi dadurch glücklich
werden konnte... Seine Mutter seufzte. „Du bist nicht von diesem Schuldig-Konzept abzubringen, oder?" Schuldig lachte leise. „Ich lebe schon zu lange damit. Aber es ist nicht so schlecht, ehrlich."
Diesmal hob sie eine Augenbraue. „Hmpf. Meinetwegen. Also... Wann wirst du es ihm sagen?" „Ihm was sagen?" Dass er gar nicht derjenige war, der auf seine Schwester geschossen hatte? Dass es viel schlimmer war?
Sie rollte die Augen. „Dass du ihn liebst. Obwohl du ihm auch das andere mal sagen solltest...", fügte sie nachdenklich an. „Ich habe nie gesagt, dass ich ihn liebe!", protestierte er sofort.
„Was nicht bedeutet, dass du es nicht tust." „Nein! Ich..." „Du bist ein lausiger Lügner, Tobias." Schuldig atmete tief. „Bist du hier, um mit mir zu streiten?"
„Wenn es sein muss... Ich weiss, dass du ihn liebst." Schuldig kreuzte beleidigt die Arme und schmollte. Fast wie der Junge, denr er hätte sein können.
„Wenn du es doch weisst, verstehe ich nicht, warum du es noch hören willst." „Ich muss es nicht hören... er schon."
Schuldig seufzte tief. Keine Chance, diese Runde zu gewinnen. Er rieb sich die Augen. „Das ist nicht so einfach." „Warum machst du es dir mit der Liebe so schwer?" Schuldig wollte darauf sofort erwidern,
dass sie es selber auch nicht besser machen konnte, schwieg aber. Das war erstens nicht fair und zweitens eine ganz andere Situation gewesen. „Wie kannst du fragen? Man ist verwundbar." Sie schien darüber
nachzudenken. „Na schön. Aber ich verstehe nicht, warum du es ihm nicht sagen willst. Du liebst ihn. Das ändert sich doch nicht, bloss weil du es zugibst." „Das ändert alles!", widersprach er. „Wenn man
jemanden liebt, hat derjenige einen in der Hand! Und wenn der das auch noch weiss, kann man benutzt werden." Sie schüttelte den Kopf. „Hör dich doch nur mal an. Omi? Omi würde dich benutzen?"
Jetzt wusste Schuldig einen Moment lang gar nichts mehr zu sagen. Sie fuhr fort: „Und diese Sorge ist doch unbegründet. Du kannst Gedanken lesen, wenn dich also jemand ausnutzen will, wüsstest du das."
Schuldig geriet ins Schleudern. „Und wahre Liebe ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Aber weisst du was?", fügte sie noch an. „Argumente bringen nichts. Sieh es dir selber an." Die Umgebung um sie
herum veränderte sich und sie standen in der Suite, die er sich mit Omi teilte, neben dem Bett. Er konnte sich selber sehen, wie er darin lag und Omi festhielt.
Omi lächelte im Schlaf, war absolut zufrieden und glücklich. Und in dem Moment fühlte sich Schuldig wie der grösste Idiot, der auf Erden wandelte.
„Er liebt dich über alles, Tobias. Er würde dich niemals verraten." „Das weiss ich. Aber ich weiss nicht, ob ich überhaupt lieben kann." „Doch, das kannst du", versicherte sie. „Und du brauchst
ihn ja auch nicht jetzt gleich zu wecken, und ihm deine unsterbliche Liebe zu versichern. Sei einfach etwas offener dem Gedanken der Liebe gegenüber." Schuldig schloss die Augen. Er wusste, dass sie Recht hatte. Und er
-wollte- ja... Es war nur... Er war so lange Zeit Schuldig gewesen. „Du wirst wohl auch immer Schuldig bleiben. Aber ich weiss, dass Schuldig auch lieben kann."
Er nickte... und spürte, wie ihre Präsenz langsam schwächer wurde. Traurig lächelte er. „Du willst schon gehen?" „Lass die Vergangenheit, wo sie hingehört. Lebe, Tobias." Schuldig nickte wieder. Er
öffnete die Augen nicht mehr. Das Bild seiner Mutter würde er für immer behalten können. Er spürte, wie sie ihn noch einmal in den Arm nahm, ihn darauf zum Bett führte und ihn hinlegte. Er bekam einen Kuss auf die
Wange. „Schlaf gut, mein kleiner Tobias. Und sorg dafür, dass dir dieser süsse Engel nicht abhanden kommt." Er hörte sie noch lachen, bis es verhallte und schliesslich ganz aufhörte. Und er war müde... So
müde. Er hielt den warmen Körper neben sich fest in den Armen und schlief wieder ein.
*stille.. sniff Das hat mich zu Tränen grührt, im ernst. Ich glaube, so gerührt war ich noch bei keiner einzigen Fanfiction, die
ich je gelesne habe. Dieser Traum, Liebes, ist ein meisterwerk!
Schuldig wachte als erster auf. Es war hell draussen, aber er blieb lange liegen und sinnierte über seinen Traum. Er kam zu zwei
Schlüssen: Erstens, hatte der Tod von Walter Gerald hatte ihn offensichtlich ihn den Tod seines Vaters noch einmal durchleben lassen. Zweitens, scheinbar hatte er im Traum seine Liebe zu Omi (indirekt) gestanden.
Der erste Punkt war relativ klar und unproblematisch. Der zweite hingegen... passte ihm gar nicht. Gut, es war nur ein Traum gewesen, aber... Aber was? Entsprach es der Wahrheit, oder war es nur ein Trugbild?
Selbstverständlich war es nicht die Wahrheit! Es war nur ein Traum! Das bewies ja schon, dass er seine Mutter gesehen hatte, von der er seit bestimmt zehn Jahren nicht mehr geträumt hatte...
»Argumente bringen nichts. Sieh es dir selber an.« Er erinnerte sich an die Worte aus dem Traum und wandte sich unwillkürlich nach Omi um. 'Grosser Fehler!', schalt er sich. Wütend über sich selber rieb er seine
Augen und seufzte. War er wirklich so schwach und brauchte jemanden? Wollte er das überhaupt? Nein, er wollte nicht. Aber das schien hier überhaupt nicht zur Debatte zu stehen.
Er verdrehte die Augen. Seine internen Argumentationen wurden auch immer lauer. Na schön... argumentieren. Er hatte ja schon öfters seine Beziehung zu dem jungen Mann analysiert. Bis dato hatte er sich damit abgefunden,
sich die kleine Schwäche »Omi« zu erlauben, zumindest als Liebschaft. Er konnte haben, was er wollte und das war es, was er wollte. Punkt. So einfach.
Aber wenn es jetzt um eine... tiefere... Bindung ging... Welche Argumente konnte er dafür aufbringen? Zu dem Zeitpunkt war ihm noch gar nicht bewusst, dass er nur Argumente dafür suchte... aber keine dagegen... Wieder
fiel ihm seine Mutter ein - oder das Traumbild seiner Mutter - wie sie sagte, dass es keinen Unterschied machte, ob er nun seine Gefühle zugab oder nicht, sie waren so oder so vorhanden. Auch schien es logisch, dass er als
Telepath natürlich wissen würde, wenn jemand ihn ausnutzen wollte... Ganz abgesehen davon, dass Omi das nicht tun würde, und er das -wusste-.
Unglücklicherweise half die ganze Beweisführung auch nicht in seinem eigentlichen Problem weiter. Liebte... er Omi? Hm... Aber wie definiert man Liebe?
Mal sehen... Man will den Partner immer um sich haben. Die erste Frage war also: Will ich von Omi getrennt sein? - ‚Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.' Will ich, dass Omi glücklich ist?
- ‚Offensichtlich. Zum Teil auch, weil ich mich dann in seiner Wärme aufhalten kann.' Kann ich ohne Omi leben? - ‚Die Frage ist niemals, ob man kann - natürlich kann man - sondern ob man will... Und ich will nicht.'
Er seufzte erneut. Diesmal lauter... Er wollte also nicht ohne Omi leben. Blieb noch eine Frage übrig: Würde ich Omi beschützen? Vielleicht sogar mit meinem Leben?
- ‚Beschützen, ja. Mit dem Leben? Gute Frage...' Er stellte sich ein Szenario vor, wie Omi erschossen würde, und er die Chance hätte, sich dazwischen zu stellen...
Erschrocken kniff er die Augen zu, als er feststellen musste, dass er nicht einmal zögern würde... Die Antwort... lautete... Ja. Was würde er also mit diesem Wissen anfangen?
Gegen Mittag wachte Omi langsam auf.
Er drehte sich, als er Schuldig nicht neben sich spürte und entdeckte ihn an die offenen Schiebetür zum Balkon gelehnt. Er sah nach draussen.
Omi rieb sich die Augen. „Sag jetzt bloss nicht, dass du die ganze Zeit über da gestanden hast." Schuldig grinste und drehte sich um. Er hatte eine Tasse Kaffee in der Hand. „Nein, Baby. Ich bin erst seit gut einer
Stunde wach. Aber da du brav tief und fest geschlafen hast, wie ich dir gesagt habe, hast du nicht bemerkt, wie ich ins Bett gekommen bin." Omi streckte sich ausgiebig und gähnte. „Wie spät ist es?"
„Viertel nach zwölf. Wie haben vor einer halben Stunde angelegt." Omi setzte sich. „So spät schon? Hat... hat die Sicherheit schon...?" Schuldig nickte. „Sie haben eben den Brief gefunden. Sie werden
wahrscheinlich gleich die Bilder der Überwachungskameras prüfen." Er legte seinen Kopf schief. „Sie sehen doch nur, was sie sehen sollen, oder?" Omi grinste. „Natürlich." Schuldig trat neben das Bett
und setzte sich auf die Kante. „Braves Kätzchen", lobte er scherzhaft und kraulte Omi unter dem Kinn. Omi kicherte und rollte sich weg. „Nicht, ich bin kitzlig."
„Also... Wie wär's nun also mit Tauchen auf Tobago?" Omi lächelte. „Klingt gut." „Noch besser klingt es, wenn wir erst mal essen gehen. Danach schauen wir uns an Land ein bisschen um. Ich hab gehört,
wenn man sich Calypso Musik kaufen will, ist man hier richtig. Und ich will eine CD als Souvenir, und um Brad auf den Wecker zu fallen." Omi lachte. „Guter Plan. Ich geh duschen. Bin gleich wieder da." Er beugte
sich vor und küsste Schuldig liebevoll, dann verschwand er im Bad. Schuldig blieb sitzen. Das war an und für sich schon aussergewöhnlich... Normalerweise wäre er Omi ohne zu zögern gefolgt... Er musste das Wort ja
nicht denken, aber es hatte den Anschein, als hätte seine Mutter mit seinen Gefühlen zu Omi Recht behalten. Er zuckte die Schultern. Für den Gedanken offen bleiben... Okay, das konnte er eigentlich ganz gut.
Er war prinzipiell ein offener Mensch - Brad nannte das bei ihm immer neugierig... A propos Brad... Den konnte er ja eigentlich jetzt gleich mal anrufen, solange Omi unter der Dusche war.
Der Aufenthalt auf Tobago war nicht besonders lang. Am Abend legten sie schon wieder ab. Schuldig war sich bewusst, dass Omi
aufgefallen sein musste, dass er heute nachdenklicher als sonst war... Aber der Junge sagte nichts. Er schien zu ahnen, dass Walter Gerald ihn an seinen Vater erinnerte. Ein Hoch auf Omis Verständnis und Einfühlsamkeit...
Vor dem Abendessen mussten sie dann auch noch mit der Schiffspolizei reden - ganz nach Plan natürlich - weil sie offenbar Bekannte des Erziehungsberechtigten von Miss Gerald im Todesfalle ihres Vaters waren. Marisa
konnte die Polizei überzeugen, die Kreuzfahrt nicht beenden zu müssen. Als Begründung sagte sie nur, dass sie den Urlaub nicht abbrechen wolle, und zudem in den Staaten bis zu ihrer Rückkehr eine Aufsichtsperson gefunden
werden könne, da ihr Patenonkel Japan nicht verlassen würde. „Sie müssen verstehen, dass ich zwar verwirrt, aber nicht übermässig traurig über den Verlust meines Vaters bin", hatte sie gesagt.
Dazu versprach Karen, als Tochter des Captains, dass sie sich persönlich um sie kümmern würde.
***
Nächster Halt: St. Lucia. Der Aufenthalt war der bisher längste, sie würden erst am nächsten Tag am Abend wieder ablegen. Genug
Zeit, durch den Markt in Castries zu schlendern und mit dem Jeep die paradiesische Insel und ihre Vulkane und Buchten zu erforschen. Genug Zeit für einen Sonnenuntergang. Für die eine Nacht hatten sie nicht an Bord
zurückkehren wollen und sich einen kleinen Bungalow in einer der Buchten gemietet, in der Nähe der Bucht von Soufrière aber ein Bisschen abgelegener, wo sie mit Sicherheit ungestört bleiben würden.
Am ersten Tag hatten sie sich vorgenommen, den Markt leer zu kaufen, am zweiten Tag, die Insel
anzusehen. Es war unverkennbar, dass Omi diese Station von allen bisher am besten gefiel. Da war so viel Natur, so viel Leben an
einem Ort versammelt, dass es einem die Sprache verschlagen konnte. Gerade jetzt sass er erschöpft vom Einkaufen auf dem Beifahrersitz ihres gemieteten Jeeps und bestaunte die Landschaft. So müde er war, aber er hätte
die Augen nicht eine Minute lang schliessen wollen. Dichter Regenwald, wilde Orchideen... umrahmt vom tiefen Blau des Ozeans... Rundum glücklich lächelte er Schuldig an, der ihm einen Blick zuwarf. „Es ist so
wunderschön", flüsterte der junge Mann verträumt. Schuldig erwiderte das Lächeln. „Ist es. Aber wart's nur ab, heute erleben wir noch den Sonnenuntergang und morgen schauen wir uns die beiden Vulkane und die
Diamond Falls an." Während der Fahrt sah Schuldig immer mal wieder zur Seite und beobachtete Omi, wie er vor Glück glühte. Und in dieser fremden Märchenwelt fiel es ihm immer schwerer, einen Sinn für sein altes Ich
zu bewahren. Die Realität war so weit entfernt. Wer dachte in diesem grünen Garten Eden noch an Schwarz und Weiss? Wie konnte einem inmitten von all dem blühenden Leben noch der Tod in den Sinn kommen?
Es war alles so perfekt. Seine innere Stimme, die immer irgendetwas zu kontern wusste, verblasste nach und nach. Und nachdem Schuldig diesen lästigen Kommentator in seinem Kopf fest mit 'Halt deine blöde Fresse' zum
Schweigen brachte, blieb es tatsächlich ruhig. Wahrscheinlich war die Stimme jetzt beleidigt und redete nicht mehr mit ihm.
Wuahahahah! *ggg
Sie erreichten den Bungalow relativ schnell, die Insel war nicht so
gross. Dafür war ihre Unterkunft sehr grosszügig gehalten. Sie brachten ihre beiden Gepäcktaschen ins Schlafzimmer und beschlossen, ihr Abendessen, das sie auf dem Markt gekauft hatten, direkt am Meer zu essen. Vor ihrem
Bungalow hatte es ein kleines Stück Strand, ganz für sie alleine. Zwar war es für Strandspaziergänge denkbar ungeeignet, dafür umso... privater...Nach dem Essen alberten sie noch eine Weile im Wasser herum. Einer jagte den
anderen, je nach dem, wie es sich gerade so ergab. Omi startete wieder eine Attacke, sprang Schuldig um den Hals, schlang seine Beine um die Hüften und küsste ihn. Mit der Wucht des Sprungs warf er ihn rückwärts ins
Wasser... Omi giggelte laut und flüchtete. „Kleine Wasserratte!", rief Schuldig hinterher und lachte. Dann fiel sein Blick auf die Sonne und er erstarrte. War schon so viel Zeit vergangen...? Die Sonne berührte
schon fast den Horizont. „Omi!" Omi hielt in seiner Bewegung inne und drehte sich um. „Was denn?" Schuldig deutete zum Horizont. „Es ist bald so weit." Mehr oder weniger einheitlich machten sie
sich auf zurück zum Strand. Schuldig zwickte Omi in den Hintern und Omi warf ihn dafür noch einmal in die Wellen. Tropfnass und ausser Atem setzten sie sich nebeneinander und beobachteten die leuchtende Scheibe, wie sie
langsam tiefer glitt. Erst begann der Sonnenuntergang wie die anderen auch, die sie in der Karibik erlebt hatten... orangene Flammen, durch die das Meer zu brennen schien.
Omi rutschte näher zu Schuldig und legte ihm einen Arm um die Taille. Es war einfach zu schön. Aber dann... kurz vor der letzte Lichtstreifen im Meer versank, glühte die Sonne noch ein Mal in einem tiefen Smaragdgrün
auf. Die Zeit stand still. Beschreibungen oder Erzählungen wurden diesem Phänomen in keinster Weise gerecht. Das Lichtspiel, das nur einen kurzen Augenblick lang andauerte, schien wie aus einem Traum, in dem einem
alle Wünsche erfüllt werden. Aber Wünsche wurden klein und unwichtig. Nur der Moment zählte, in dem die Träume Wirklichkeit wurden und einem versprachen, niemals mehr zu enden.
Und dann... Dann war das Farbenspiel vorbei.
Grün und orange.. Schus Farben. Sehr schön!
Aber die Magie des grünen Lichts hatte sich in ihre Seele gebrannt. Ein Moment für die Ewigkeit. Sie blieben still sitzen,
keiner brachte ein Wort heraus. Erst als sie die Sterne schon deutlich am Himmel leuchten sehen konnten, seufzte Omi laut in die Stille. Seine Atmung bebte leicht. Nach wie vor wandte er seinen Blick nicht vom Horizont.
„Glaubst du, dass die Legende stimmt?", fragte er flüsternd. „Erfüllt das grüne Licht alle Wünsche?" Lange schwiegen beide, bis Schuldig ebenso leise antwortete: „Nein." Er wartete. „Es zeigt einem
nur, dass man längst alle Wünsche erfüllt bekommen hat, es aber nicht sehen konnte." Er schluckte hart. Omi blinzelte verwirrt und sah zu seinem Geliebten hoch, der nach wie vor abwesend gerade aus starrte.
„Schu?", fragte er. Er spürte überdeutlich, dass an Schuldig etwas anders war. Und während sein Verstand ihm sagte, er solle sich keine Hoffnungen machen, tat sein Herz es doch... Schuldig war noch wie in Trance,
er fühlte sich, als hätte man ihm eine riesige Last von den Schultern genommen. Seine Gedanken schwirrten ungeordnet unter seinen Gefühlen dahin, er nahm sie kaum noch wahr. Er spürte nur diese Wärme neben sich, die
bedingungslose Liebe... „Omi..." Omi sagte nichts, er traute sich nicht, den Augenblick zu brechen. Schuldig wusste, was er sagen wollte. Die Worte lagen ihm auf der Zunge, aber die Zweifel schlichen langsam
zurück... ... Nein! Keine Zweifel! Er war stärker als das! Er würde sich nicht von dummen Selbstzweifeln kontrollieren lassen! ... Er holte einmal tief Luft, dann liess er los. „Omi, ich liebe dich."
Omis schnelles Atmen klang verdächtig nach Schluchzern. Schuldig blinzelte verwirrt, als er das hörte und wandte sich nach seinem jungen Geliebten um. Das Leuchten in den Augen vor ihm stellte alle Sterne am Firmament
in den Schatten. Tränen liefen ungehalten aus den babyblauen Augen. Schuldig wischte mit einer Hand zärtlich die Tränen weg, die immer wieder durch neue ersetzt wurden. Seine Hand zitterte, als ihn Omis ungebremster
Schwall an Liebe traf. Er brachte nur ein wackliges Grinsen zustande. „Baby, nicht doch..." Omi schlang abrupt seine Arme um Schuldigs Hals und rutschte auf seinen Schoss. Er klammerte sich an ihn und küsste ihn
verzweifelt. Schuldig erwiderte den Kuss und die Berührungen. Er liess sich von der verzauberten Stimmung weiter mitziehen. Es war nicht der Zeitpunkt, sich Gedanken zu machen, was seine Worte für Folgen haben würden.
Später... Nicht jetzt... später... Omi drückte Schuldig zurück in den Sand und rollte sie beide herum, bis er unten lag, ohne einmal den Kuss zu unterbrechen. Seine Beine schlangen sich um Schuldigs Taille, drückten ihn
fester an sich. Niemals mehr würde er ihn gehen lassen. Nie wieder. Er bewegte seinen Unterkörper hektisch gegen den seines Partners, spürte wie dessen und seine Erregung wuchs und wünschte sich die Badehosen, die sie
trugen, zum Teufel. Schuldig teilte diese Gedanken mit Omi. Er löste sich kurz von dem hungrigen Mund unter ihm und zerrte sich seine Badehose vom Körper, dann die des Jungen. Sofort legte er sich wieder auf ihn,
verschlang wieder diese süssen Lippen. Es dauerte nur kurze Zeit, bis die Küsse und wandernden Hände die Hitze in ihren Lenden beinahe unerträglich machten. Schwer atmend hob Schuldig den Kopf etwas an, sah Omi
fragend in die Augen, der nur hastig nickte und seine Beine einladend weiter öffnete. Omi brauchte nicht mehr so viel Vorbereitung, wie noch zu Beginn ihrer Beziehung, das wusste Schuldig, nur ganz ohne Gleitmittel war es
immer etwas unangenehm. Aber in diesem Moment kümmerte Omi diese Tatsache wenig. Schuldig zögerte kurz, aber Omi drängte ihn tiefer. „Bitte, bitte", hauchte er immer wieder. „Bitte..." Schuldig gab dem
Flehen nun ohne zu zögern nach. So vorsichtig, wie er konnte, drang er in den warmen Körper unter sich ein. Er hielt inne, als Omi aufschrie und haltlos schluchzte, aber ein Blick in seine Gedanken zerstreuten Schuldigs
Bedenken, den blonden Engel verletzt zu haben. Omis Herz drohte zu zerbersten, als hätte es in seiner Brust für all die Liebe, die er empfand, nicht genug Platz... Schuldig begann in einem langsam Rhythmus zuzustossen.
Omi weinte nun und schickte Schuldig seine Gefühle als zusammenhangslose Satzfetzen, er wollte alles gleichzeitig sagen können, um sich irgendwie Luft zu machen... --- Liebe dich... du bist mein ein und alles... so
schön... Liebster, Liebster... Schu... mein Koi... so sehr... mein Leben, du bist alles... alles für mich... liebe dich mehr als alles andere... fühle dich in mir... so tief... schön... liebe dich... gehöre dir... nimm
mich... mehr, mehr... so wunderschön... du bist so schön... hör nicht auf... nie wieder... lass mich nie allein... bitte... oh, bitte... ich...--- Die Gedanken endeten in einer Explosion von Gefühlen und Ekstase.
Schuldig liess sich von dieser Welle mitreissen, verlor jeglichen Sinn für irgendetwas anderes, als diese Flammen, die ihn verzehrten. Dann wusste er für einen langen Moment gar nichts mehr. Als die Welt wieder klarer
wurde, spürte er unter sich Omi ruhig ein und aus atmen. Er löste sich von ihm und legte sich neben ihn. Omi schien das Bewusstsein verloren zu haben... Aber er atmete regelmässig, und im Licht des Mondes konnte man am
Hals das Blut pulsieren sehen. Es fehlte ihm nichts. Schuldig lachte heiser. Wow. Er strich über Omis schweissüberströmtes Gesicht und küsste ihn auf die Stirn. Er seufzte. Selbst wenn er gewollt hätte... er hätte
sich nicht mehr gegen dieses Gefühl in sich wehren können. Und im Moment musste und wollte er sich darüber keine Gedanken machen. Später... später... Aber das Leben würde nicht immer so sein, der Urlaub nicht ewig
andauern. In einer Woche würden sie wieder in Tokio sein... Aber sogar an Bord des Kreuzers wäre es nicht mehr dasselbe wie jetzt hier... Auf dem Schiff war Marisa und die Erinnerung an ihren Vater. St. Lucia war
alles und noch mehr, was man sich davon versprach... Alles und mehr, was man sich wünschen konnte... „Ich verspreche dir, es war nicht das letzte Mal, dass wir hier waren", versicherte er dem schlafenden Omi
flüsternd. Omi seufzte laut und wandte sich unbewusste näher an Schuldig, dann öffnete er etwas orientierungslos die Augen.
Schuldig lächelte ihn an und küsste ihn sanft auf die Lippen. „Alles okay, Kätzchen?" Omi schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Dann nickte er.
Sie blieben lange am Strand und küssten sich einfach. Erst nach etwa zwei Stunden kehrten sie in den Bungalow zurück... Und zum ersten Mal schliefen sie beide in den Armen eines Geliebten.
*** Schuldig hatte
Recht behalten mit seiner Vermutung, dass es mit der Liebe für ihn nicht so einfach werden würde... Schon am nächsten Tag, als sie sich die Zwillingsvulkane und die Diamond Falls ansahen, hielten ihn seine Gedanken davon
ab, den Tag wirklich zu geniessen. Und das machte ihn wütend! Er würde Omi den Urlaub versauen und das auf der Station, die ihnen beiden wohl am meisten bedeutete... Den Sonnenuntergang an dem Abend beobachteten sie von
ihrem Balkon auf dem Schiff aus... Aber es war nicht mehr dasselbe, das Licht schien ihnen denselben Zauber nicht noch einmal gewähren zu wollen. Wieder stieg die Wut in ihm auf. Hätte er gestern seinen Mund gehalten,
hätten sie noch Spass haben können auf der Insel, ohne seine verkorkste Laune... Andererseits, er hatte irgendwie keine andere Wahl gehabt, als die Worte auszusprechen. Er hatte für sich ja geklärt, dass er so empfand...
es zu sagen war bloss noch eine Art Formalität, die aber für Omi die Welt bedeutete... In Gedanken schnaubte er. 'Und? Was erwartest du jetzt? »Und sie lebten glücklich, bis ans Ende ihrer Tage«? Du bist ein Killer, in
skrupelloser noch dazu! Du verdienst das alles nicht!' Omi beobachtete Schuldigs Gesichtsausdruck von der Seite. Er beobachtete, wie die Konturen immer härter wurden, die Lippen immer dünner... Langsam legte er eine seiner
Hände sanft über eine von Schuldig. „Schu...?", fragte er leise. „Du... bereust, was du gesagt hast, nicht?", schloss er aus einer Mischung von Traurigkeit und Bitterkeit, trotzdem lächelte er wehmütig.
Schuldig holte tief Luft. „Das ist es nicht. Ich habe gemeint, was ich gesagt habe." „Daran zweifle ich nicht. Und danach habe ich nicht gefragt."
Schuldig schloss die Augen. „Omi... So einfach kann es nicht sein." Omi seufzte. Mit so was hatte er gerechnet. „Sag mir, warum nicht", verlangte er ruhig. Schuldig verwarf die Hände. „Du willst wissen,
warum nicht? Du weisst, wer ich bin, was ich getan habe! Du denkst wirklich, so jemand kann lieben? Geschweige denn, das auch schätzen? Ich bin ein eiskalter Scheiss-Profikiller! ..."
Omi unterbrach ihn kühl: „Das bin ich auch. Gib nicht so an." Er grinste breit. Schuldig blieb einen Augenblick lang erstarrt stehen, dann konnte er nicht mehr anders. Er erwiderte das Grinsen. Er schüttelte den
Kopf, wollte mit etwas kontern, aber Omi liess ihn nicht. „Denkst du, du verdienst es nicht? Dass alles zu glatt geht?" Omi machte eine Pause und Schuldigs Ausdruck verriet ihm, dass er ins Schwarze getroffen hatte.
Er fuhr fort: „Wenn Dinge schief laufen, kann man sich Sorgen machen. Wenn sie gut laufen... Sollte man es einfach geniessen." Er lächelte seinen Geliebten warm an. Schuldig wurde ruhiger, seine Wut versiegte.
„Liebst du mich?", fragte Omi. Schuldig antwortete nicht gleich. „Ich habe gemeint, was ich gesagt habe", wiederholte er. Omi lächelte immer noch. Er musste es kein zweites Mal hören... Zumindest im Moment
nicht. „Und du weisst, dass ich dich liebe. Warum machst du dir Sorgen?" Schuldig hob eine Augenbraue. „Weil ich ein blöder Idiot bin...?", fragte er unschuldig.
Omi lachte herzlich, schlang seine Arme um Schuldigs Hals und küsste ihn liebevoll. Schuldig löste sich als erster und seufzte erneut. „Tut mir leid... Ich wollte dir den Tag heute nicht verderben." Omi
lächelte nur. „Ach wo. Ich dachte mir schon, dass nicht alles so reibungslos verläuft, wenn wir zwei Wochen andauernd aufeinander hocken..." Sein Gesicht wurde ernst. „Und das gestern... Es war wundervoll. Mehr als
das... es war unbeschreiblich. Und ich liebe dich wie verrückt." Schuldig lächelte. „Ich weiss." Sie versanken wieder in einem Kuss, diesmal dauerte er länger und keiner der beiden wollte ihn unterbrechen.
Schuldig war einmal mehr fasziniert, wie süss sein kleiner Engel schmeckte. So süsse Lippen, eine so süsse Zunge... So zärtliche und leidenschaftliche Berührungen... Nach langen Minuten fragte Omi schliesslich
atemlos: „Bist du morgen wieder in der Stimmung für Segeln auf St. Thomas?" Schuldig grinste. „Natürlich. Aber noch ist nicht morgen..." Mit diesen Worten hob er Omi hoch und trug ihn zurück in ihr
Schlafzimmer, wo er ihn aufs Bett legte. „Gerade jetzt bin ich in der Stimmung, dich zum Schreien zu bringen." Wie eine Raubkatze kletterte er über Omi und verschlang seinen Mund wie seine Beute.
Und er brachte Omi zum Schreien.
Das Segeln machte beiden viel Spass, vor allem, als sie mit ihrem kleinen, gemieteten Boot eine versteckte Bucht entdeckt hatten...
Und auch hier stand wieder Einkaufen auf dem Plan - zollfrei - in Charlotte Amalie. Schuldig hatte seine unliebsamen Gedanken grösstenteils über Bord geworfen. Omi hatte Recht: Warum sich über Dinge den Kopf
zerbrechen, die gut laufen?Bloss eine... kleine... Sache beschäftigte ihn noch. Es gab da einen Punkt mit diesem Liebe-Konzept, den er... abhaken sollte... Und er hatte es sich in seinen sturen Kopf gesetzt, diese eine Sache
heute Abend in Angriff zu nehmen. Nach dem Dinner und der Musical-Vorführung, die sie sich ansehen wollten. Das wäre doch mal was anderes...
Und der Abend kam. Schuldig sass an der Bar in ihrer Suite und hatte einen doppelten Whiskey vor sich stehen. Omi war unter der
Dusche.Schuldig hörte dem Rauschen aus dem Bad zu und starrte in sein Glas. Plötzlich schien ihm sein Vorhaben nicht mehr eine ganz so brillante Idee zu sein... Unsinn! Die letzte offene Türe zu seinem Vater musste noch
geschlossen werden! Und das würde heute passieren! Er leerte sein Glas schnell, stand auf, zog seine Hose aus und legte sich ins Bett unter die Decke. Eine Minute später kam Omi aus dem Bad und trocknete sich die Haare
mit einem Handtuch. Sonst trug er nichts, aber er hatte ja auch nichts mehr vor dem anderen Mann zu verstecken... Dann warf er das Tuch in den Wäschekorb und setzte sich neben Schuldig aufs Bett. Der grinste etwas unsicher.
„Was ist denn?", fragte Omi, dem mittlerweile keine von Schuldigs gut versteckten Gemütsregungen mehr entging. Schuldig lachte leise. Der Junge kannte ihn einfach zu gut... Er schlug die Decke zurück und streckte
einen Arm nach Omi aus. „Komm her", flüsterte er. Omi bemerkte auch diesen Wechsel in der Stimmung. Es ging um etwas Ernsteres... Obwohl er eigentlich keinen Zweifel hatte, worauf es mit ihnen beiden nackt in einem
Bett hinaus laufen würde. Schuldig nahm ihn in den Arm, zog ihn über sich und küsste ihn lange. Dann schob er Omi etwas von sich, gerade weit genug, um mit ihm reden zu können. Er hatte sich überlegt, es telepathisch zu
sagen, aber es schien ihm zu wichtig. Er wollte es aussprechen und Omi dabei in die Augen sehen. „Kätzchen... Es gibt da etwas... etwas, was du für mich tun musst."
Omi blinzelte verwirrt. Ja, etwas Ernsteres, ohne Zweifel. „Natürlich. Was ist es?" Schuldig holte tief Luft... Aber er brachte die Worte einfach nicht über die Lippen. Er verdrehte die Augen... Soviel dazu, seine
Telepathie nicht einzusetzen... Er hielt Omis Blick fest mit seinem und schickte ihm ein mentales Bild... Omis Augen weiteten sich. „Was...? A... aber... Ich kann doch nicht..." Schuldig legte einen Finger auf Omis
Mund. ---Bitte, Baby. Das ist das einzige, das ich niemals... nicht, seit mein Vater...--- Er seufzte laut. ---Versteh doch, ich muss das hinter mich bringen. Und dir... dir... ich... ich vertraue dir.--- Omis grosse Augen
wanderten hin und her. „Ich... Ich fühle mich geehrt... und bin glücklich, dass du mir damit vertraust... Aber..." „Aber was?" Omis Wangen liefen knallrot an. Egal wie oft er schon mit Schuldig Sex gehabt
hatte... Das war... etwas völlig anderes! „Ich kann dich doch nicht einfach... Bestimmt mache ich etwas falsch! Oder... oder ich komme zu früh!", bestand er. Schuldig lachte nervös. „Da gibt's nicht viel falsch
zu machen. Und wenn du vor mir kommst... was soll's. Da fällt uns bestimmt was ein..." Er zwinkerte. Omi biss sich auf die Lippe und sah zur Seite. „Ich weiss nicht... Du weisst, ich mag es, wenn ich ganz dir
gehöre..." „Bitte, Baby." Bei den Worten fiel sein Blick wieder auf Schuldig. Er grinste schräg. „Wer kann dir schon widerstehen, wenn du Bitte sagst..." Schuldig zog ihn wieder an sich.
Kurz bevor sie sich küssten, flüsterte Omi noch: „Hilf mir... bitte?" Schuldig nickte und küsste ihn. Lange taten sie nichts anderes, bis Schuldig spürte, dass Omi - und er selbst - sich etwas beruhigte.
Vorsichtig öffnete er die Beine, liess den Jungen dazwischen liegen und wartete erneut. Sie mussten gar nicht viel mehr tun, die gewohnte Wärme des anderen Körpers an sich, die vertrauten Berührungen und Küsse...
Schuldig langte zur Seite und holte ein Gleitgel vom Nachttisch. Er drückte es Omi in die Hand. Omi löste sich mit grossen, unsicheren Augen und schaute Schuldig fragend an.
Schuldig zuckte nur die Schulter. „Mach einfach, was ich tun würde..." Omi nickte langsam, dann öffnete er die Tube und drückte eine grosse Menge Gel auf seine Hand. Er unterdrückte seine Nervosität und wandte
sich seiner momentanen Aufgabe zu. Er wanderte mit seiner Hand zwischen Schuldigs Beine und suchte mit einem Finger den kleinen Eingang. „Sag mir, wenn es weh tut, ja?", fragte er. Schuldig nickte, auch ihm stand die
Unsicherheit ins Gesicht geschrieben. Omi beugte sich zu ihm und küsste ihn tief. ---Entspann dich. Am Anfang ist es vielleicht etwas unangenehm, aber es wird besser, versprochen.--- Schuldig lachte leise in den Kuss. Das
waren Worte, die er zu Omi nie sagen musste... Sie jetzt selber zu hören war... witzig. Omi drang mit einem Finger langsam aber stetig ein und bewegte ihn hin und her. Es war gar nicht so einfach, bei jemand anderem diese
leichte Schwellung zu finden... Als Schuldig sich aufbäumte und stöhnte wusste er, dass er sie gefunden hatte. Er lächelte zufrieden. Nach einer Weile nahm er einen zweiten Finger dazu und stiess wieder gegen die
Prostata. ---Alles okay, Koi?---, fragte er. Schuldig stöhnte gegen Omis Lippen. --- Gott, ja! Jetzt weiss ich, warum das immer allen so gut gefällt...--- Er konnte seine Hände nicht mehr im Zaum halten und strich
hektisch mit zitternden Fingern über Omis Körper. Durch ihr mentales Band spürte er immer noch, wie unsicher sein junger Geliebter war... Das musste sich ändern. --- Du machst das gut, Baby. Mach weiter. Hör nicht auf.---
Die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Omis Erregung und Selbstsicherheit stiegen synchron an und er nahm einen dritten Finger zu Hilfe. Schuldig schrie auf. „Ah! Gott! Aaahhh!" Er atmete schnell. Es tat weh...
aber... Oh Gott! Schon wieder dieser Punkt! „Gott, Baby! Bitte!" Omis Körper glühte, als er diese Worte hörte. Er sah in das vor Leidenschaft angespannte Gesicht. „Du bist so schön...", flüsterte er. Er
bewegte die Finger jetzt regelmässig rein und wieder raus. Schuldig umschlang Omi mit seinen Beinen. „Wenn du mich nicht bald nimmst, musst du dir keine Gedanken mehr machen, zu früh zu kommen..." Omi war jetzt
erregt genug, dass seine Bedenken fast vollständig ausgemerzt waren. Er suchte blind nach der Tube, die auf den Laken lag und trug eine grosszügige Menge Gel auf sein Glied auf. Schuldig beobachtete jede seiner Bewegungen,
wie Omi sich mit einer Hand auf dem Bett abstützte und mit der anderen sein erregtes Fleisch zu der Öffnung führte. Langsam, ganz langsam drang er ein, und mit jedem Millimeter riss Omi die Augen weiter auf. Er atmete
schnell ein und aus, schien kaum genug Luft zu bekommen. „Ooooh! Das... das ist...! Oh Gott, Schu!" Schuldig nahm seinen Blick nie von Omi, beobachtete den Mann den er liebte. „Das ist gut, Baby. Es fühlt sich gut
an..." Das klang sowohl erregt als auch zu einem Teil überrascht. Aber es fühlte sich gut an, nicht schmerzhaft oder erniedrigend, oder irgend sonst eine schlechte Empfindung. Nur schön. So schön, eins zu sein. Omi
vergrub sich bis zum Ansatz in dieser unbeschreiblichen Enge und verharrte einige Sekunden, um zu Atem zu kommen. „Es... es ist wundervoll", schnaufte er. „Ich hätte nie zu träumen gewagt, dass sich das -so-
anfühlen würde..." Als würde Schuldig ihn hineinziehen, ihn nie wieder gehen lassen. Schuldig nickte nur. Es ging ihm ebenso. Dann bewegte er seinen Unterkörper. „Na los, Baby, gib's mir...", grinste er.
Omi zog sich fast ganz zurück und stiess wieder zu. Sie fanden schnell einen gemeinsamen, regelmässigen Rhythmus.
Schuldig hätte sich nie vorstellen können, dass das Gefühl, auf diese Weise gefüllt zu werden, etwas anders als verletzend sein
könnte. Aber das war es. Es war vollkommen. -Er- war vollkommen. Er öffnete seine Gedanken, liess Omi in seinen Kopf, so wie er im Kopf des Jungen war. Er liess ihn alles sehen, er sah alles. Sie waren beide nur noch eine
Person, zwei Teile einer Seele, endlich wieder vereint. Schuld und Unschuld. Wie ein Körper bewegten sie sich auf einen Höhepunkt zu. Ein Geist, eine Liebe. ‚Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich dich liebe!'
„Mein Gott! Ja!" Schwer atmend brach Omi auf Schuldig zusammen. Auch Schuldig hatte Mühe, genug Luft in seine Lungen zu bekommen. Seine letzte Kraft verwendete er dafür, Omi fest an sich zu drücken.
Nach langen Minuten meinte der Telepath leise: „Hat dir gefallen, was?" Omi nickte ohne den Kopf von Schuldigs Brust zu heben. „Oh ja."
Schuldig strich über Omis Rücken. „Es war nicht das letzte Mal." Omi lachte. „Gut. Jetzt könntest du mich auch nicht mehr davon abhalten." Schuldig lachte mit. Er hatte nichts dagegen.
Omi fügte an: „Aber keine Angst. Ich liebe es, dich in mir zu spüren, das hat sich nicht geändert." Lange sagte keiner etwas.
Schuldig küsste Omi auf den Kopf. ---Ich liebe dich.--- Es war immer noch einfacher, es nicht aussprechen zu müssen... „Ich liebe dich auch", flüsterte Omi.
Schuldig lächelte. Das lief doch ganz gut... Er entwirrte sich kurz von Omis Gliedmassen und stand auf. „Wo gehst du hin?", murrte Omi, dem es gar nicht gefiel, dass das Bett plötzlich so leer war. „Komme
gleich wieder." Schuldig holte einen feuchten Lappen aus dem Badezimmer und wischte sich und seinen Geliebten damit sauber. Dann legte er sich wieder neben Omi und zog ihn in seine Arme.
Kurze Zeit darauf schliefen beide tief und fest.
Omi träumte einen bekannten Traum. Kein Traum, den er gerne träumte, der aber früher oft wiederkehrte. Jetzt - zum ersten Mal seit Monaten - quälten ihn die Bilder
wieder. Die Bilder vom Tod seiner Schwester. Nur eines an dem Traum unterschied sich von denen, die er davor gehabt hatte... Früher hatte er das Geschehene so gesehen, wie er es miterlebt hatte, mit Ouka in seinen Armen;
oder aber als Beobachter von aussen, so dass er sich und sie unter dem Baum kauern sehen konnte. Nicht diesmal. Diesmal stand er auf einer ganz anderen Seite... Der Wind blies ihm orangene Haarsträhnen ins Gesicht, neben
ihm stand noch jemand... Omi erschrak, als er in dem Mann neben sich Farfarello erkannte. Und Farfarello... hielt eine Waffe in der Hand, die Waffe feuerte... und dann hörte er seinen eigenen Schrei... Und wachte auf. Er
hielt sich die Brust, in der sein Herz heftig hämmerte und schnappte nach Luft. Was... war das gewesen? Und die Haare, die im Traum über sein Gesicht gehangen hatten... Er hatte nicht so lange Haare und seine waren auch
nicht orange... Es war gar nicht... sein Traum. Omis Augen weiteten sich, als diese Erkenntnis ihn wie eine Welle durchflutete. Zögerlich wandte er sich um und sah in zwei offene, grüne Augen.
Schuldig betrachtete ihn ruhig. „Nein, es war nicht dein Traum." Omi versuchte verzweifelt, die Informationen zu verarbeiten. Schuldig rührte sich nicht. „Ich hab wohl gestern den Link zwischen uns nicht so
zuverlässig geschlossen. Na ja, was soll ich sagen. Du machst mich unvorsichtig." Er lächelte reuevoll. Omi war nicht dumm, er würde es heute herausfinden. Und er hatte nicht vor, den Jungen anzulügen.Ja... es dauerte
zwar einige Augenblicke, aber Omi verstand. „Du... du hast gar nicht geschossen?", fragte er unsicher. Ihm war klar, dass Schuldig ihm das längst hätte sagen können... und es hätte ihm wohl einige Punkte eingebracht,
zu sagen, dass er nicht der Mörder seiner Schwester war... Warum hatte er also nie etwas gesagt? Warum hatte er nie widersprochen, wenn Omi ihm den Mord vorhielt? Schuldig presste kurz die Augen zu, öffnete sie aber
gleich wieder. „Ich dachte immer, was du über den Tod deiner Schwester denkst, ist schlimm genug." Omis Unterlippe zitterte etwas. „Sag es mir. Ich will es wissen", verlangte er fest. „Du dachtest, es sei
ein Unfall gewesen. Du dachtest, wir hätten dich treffen wollen... Das stimmt nicht. Ich wollte sie töten." Omi schluckte. „Aber du hast doch nicht abgedrückt. Ich habe es gesehen. Farfarello hat geschossen."
„Es war meine Waffe", erwiderte der andere ruhig. Es hatte alles keinen Zweck mehr. Er war kein Lügner. Er war ein Spieler und dabei zu verlieren... „Ich habe sie Farfarello gegeben, weil ich ihn gerne beobachte,
wenn er Unschuldige tötet." „Aber warum? Warum wolltest du... Was hat sie dir getan?" Omi weinte jetzt. Schuldig blinzelte mehrmals erfolgreich seine Tränen weg. „Nichts. Gar nichts. Du dagegen..."
Omi schluchzte. Er hatte eine Ahnung... Sie gefiel ihm nicht. Schuldig verlor den Kampf gegen zwei Tränen, ehe er sie wieder kontrollieren konnte. „Ich wollte dich leiden sehen", würgte er schliesslich hinaus.
Schnell fügte er noch eine Erklärung an, mehr für sich selbst, als für Omi: „Deine Gedanken zu der Zeit waren ziemlich... irre. Dein Kopf drehte sich im Kreis um deinen Vater... Dein Schmerz war meinem alten so
ähnlich... dass ich dich nicht mehr blocken konnte. Ich wusste nicht mehr, wo meine Gedanken anfingen und deine aufhörten... Deine Qualen auf deine Schwester zu lenken, war für mich der einzige Weg, dich von mir zu
unterscheiden. Und du solltest dafür leiden, dass du meine Vergangenheit wieder erweckt hattest." Omi schlang seine Arme um sich und weinte bitterlich. Er wusste gar nicht, was denn nun das Schlimmste daran war... Und
immer wieder fragte er sich, warum er sich nicht daran erinnern konnte. Warum wusste er nicht, dass es nicht Schuldig war, der geschossen hatte? Wie kam er überhaupt auf Schuldig? „Du hast nicht hingesehen, Kätzchen.
Du hast nur deine Schwester gehalten. Ich war derjenige mit der Schusswaffe, Farfarello hatte Messer. Natürlich musstest du also annehmen, dass ich geschossen hatte."
Sie schwiegen. Schuldig kämpfte um seine ruhige Fassade, während Omi einfach weinte. Omi zwang schliesslich sein Schluchzen zurück und schickte Schuldig einen harten Blick. „Öffne einen Link. Zeig mir, was du jetzt
fühlst." Schuldigs Augen weiteten sich. Das konnte er nicht! Wenn er jetzt eine Verbindung aufbaute, würde er... Er traute sich nicht einmal, in Omis Gedanken zu sehen, um seine Absichten zu verstehen. Er wehrte ab.
„Baby..." „Öffne-Einen-Link!" Omis Stimme bebte. „Das schuldest du mir", fügte er an. Schuldig erwiderte den Blick lange. Dann gab er nach. Omi hatte Recht, zumindest diesen Wunsch musste er ihm
gewähren... Langsam nahm er die Schilde zurück, spürte an deren Rand Omis Verzweiflung. Er holte tief Luft, dann öffnete er die Verbindung. Er liess seine Gefühle alle durch, Omi sollte sie alle sehen. Seine Schuld,
seinen Schmerz, seinen Wahnsinn... Von Omi erwartete er Wut, Hass und Trauer... Und es kam auch ein bisschen Traurigkeit... Aber das einzige, was für Omi eine Bedeutung zu haben schien, war Liebe. Bedingungslose Liebe.
Omi beugte sich über ihn, seine Tränen tropften ungehalten auf die Laken. „Versteh doch...", flüsterte er, „das ändert überhaupt nichts." Schuldig starrte ihn mit offenem Mund an.
„Vertrau mir einfach. Ich liebe dich." Schuldig blinzelte. Er hatte geglaubt, Omi wolle ihm durch den Link zeigen, wie sehr er ihn verabscheute... Aber alles, was Omi für ihn empfand, war Liebe. Omi lächelte und
wischte Schuldig Tränen aus dem Gesicht, von denen er bis dahin nicht wusste, dass sie da waren. „Ich habe dir schon lange für den Tod meiner Schwester vergeben. Wird Zeit, dass du mir das glaubst." Schuldigs
Mund öffnete und schloss sich immer wieder, und schliesslich war das einzige, das er herausbrachte: „Ich verliere dich nicht." Omi schüttelte lächelnd den Kopf. Noch immer liefen Tränen. „Ich bedaure sehr, sie
verloren zu haben. Ich habe sie wirklich geliebt. Aber schlussendlich spielt es keine Rolle, wer weswegen abgedrückt hat. Schwarz gegen Weiss, und sie war dazwischen."
Schuldig hob eine Hand und legte sie an Omis Wange. Womit hatte er diesen Engel nur verdient? Omi lächelte. „Sie würde nicht wollen, dass ich aufgebe, was mich glücklich macht. Das weiss ich." Er grinste
verschmitzt. „Mein Dämon." Schuldig erwiderte nichts darauf, er zog Omi einfach an sich und küsste ihn. Nimm die Dinge an, wenn sie gut laufen. Mach dir Sorgen, wenn Sorge angebracht ist... Und Glück braucht
keine Sorge. Schuldig lag es fern, dieser Logik zu widersprechen. Es war ihm egal, ob oder womit er sich dieses Glück verdient hatte... Er würde es jetzt einfach annehmen. Vielleicht hatte ja auch jemand seine Finger im
Spiel, der mehr als nur ein Traum war...
Am nächsten Morgen wachte Schuldig wieder als erster auf. Omi hatte seinen Kopf auf seine Brust gebettet und schlummerte friedlich.
Der Deutsche ging im Kopf den Tagesplan durch. Heute waren sie in Puerto Rico. Da würden sie abends auf jeden Fall durch diverse Bars und Pubs streifen, das Schiff legte erst spät nachts gegen 4 Uhr ab. Aber was war
noch mal sonst Sehenswertes...? Ah, ja. Die Altstadt in San Juan. Und wenn er sich recht erinnerte, waren die Geschäfte dort bekannt für ihren günstigen Silberschmuck, und natürlich die üblichen Souvenirs wie Holzfiguren,
Masken oder bestickte Hemden. Also wieder Shopping, einheimische Spezialitäten essen und abends ausgehen. Ein gutes Programm. In dem Moment seufzte Omi in seinen Armen und kuschelte sich näher an ihn. Omi machte das oft,
als wolle er wieder auf sich aufmerksam machen. Schuldig fuhr durch die goldenen Haare. Hmpf... Als ob er ihn übersehen könnte. Nicht mehr. Nach allem was jetzt passiert war, konnte er sich weder vor Omi noch vor sich
selbst mehr verstecken. Er wusste nicht, ob er davor Angst haben oder sich erleichtert fühlen sollte... Vielleicht etwas von beidem.Wut war ebenfalls unter seinen Emotionen zu finden. Wut darüber, dass er so lange gebraucht
hatte; aber ein Teil von ihm war auch wütend, dass er die Gefühle zu Omi zugelassen hatte... Die Wut interessierte ihn nicht. Wieso auch? Es würde nur wieder seine Gedanken durcheinander bringen. Tatsachen waren
Tatsachen, und sie hin und her zu wälzen, änderte sie auch nicht. Das einzige, was ihm vielleicht Kopfschmerzen bereiten könnte, war die Frage, ob Schwarz und Liebe vereinbar waren... Aber Omi machte deutlich, dass ihm das
nichts ausmachte. Und Omi war der Massstab für Weiss. Er rieb sich übers Gesicht. Eben hatte er doch noch gesagt, dass er sich keine Gedanken machen wollte... Omi machte wieder dieses schnurrende Geräusch und Schuldig
musste unwillkürlich lachen, nur leise, er wollte den Teenager nicht wecken. Sein Kätzchen. Hm... Silberschmuck... Vielleicht war jetzt der richtige Zeitpunkt, sein Kätzchen wirklich zu »seinem« Kätzchen zu machen...
Ein Plan formte sich in seinem Kopf. Er schaute in das schlafende Gesicht und lächelte. Ja, das würde Omi glücklich machen... Und das war es doch, was er wollte... Wenn er denn vollkommen ehrlich war. Lustig, wie
andere ihre wahren Gedanken vor ihm nie verbergen konnten, er sich selbst aber früher immer sehr wirkungsvoll belügen konnte. Omi war der erste, dem er nichts vormachen konnte, was ihn dazu zwang, zu sich selbst auch
ehrlicher zu sein. Ja, er wollte Omi glücklich machen... und seine Idee... hm... Er lachte wieder leise. Damit würde Omi nicht rechnen, nein, bestimmt nicht. Er mochte es, unberechenbar zu sein.
Aber er würde Hilfe brauchen. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf Marisa. Marisa war seine Telepathie gewohnt, sie würde nicht übermässig überrascht sein...
Omi wurde von Marisa und Karen erbarmungslos durch verschiedenste Geschäfte in San Juan geschleppt und musste sich anschauen, wem
was am besten stehen würde... Er seufzte, als die momentan äusserst hyperaktive Karen und die ruhige Marisa ihm Kleidchen vorführten und seine »ehrliche« Meinung dazu wissen wollten. Er liess es lächelnd über sich
ergehen. Es war ja ganz unterhaltsam. Aber Schuldig hatte sich natürlich irgendwie herausgewunden. Typisch. Er sagte, er würde ein hübsches Plätzchen für ihr Mittagessen suchen. 'Aber natürlich...', dachte Omi. Der wollte
sich nur vor der Einkaufswut der Mädchen in Sicherheit bringen. Obwohl zugegebenermassen das Plätzchen, das Schuldig gefunden hatte, wirklich sehr schön war. Und die Spezialität hier war so eine Art Reissuppe mit Huhn
und Fisch drin. Sehr lecker.Kaum war Schuldig wieder in seiner Rechweite, turtelte Omi ohne Unterlass mit ihm. Die letzte Nacht war unglaublich gewesen - in mehrerlei Hinsicht. Den Sex nahm er als das Geschenk an, das er war.
Er wusste, dass es Schuldig nicht leicht gefallen war, die Kontrolle so aufzugeben, und er war glücklich, dass er ihm genug vertraut hatte. Abgesehen davon... Es war der Wahnsinn gewesen! Und dann war da natürlich dieser
Traum... Was ihn daran beeindruckt hatte, war, dass Schuldig ihn nicht belogen hatte, obwohl er offensichtlich Angst hatte, ihn mit der Wahrheit zu verlieren.Nie davor war Omi so deutlich geworden, dass Schuldig ihn nicht
manipulieren wollte, obwohl er es ganz einfach hätte tun können. Und wenn es irgendwie möglich war, liebte er ihn noch mehr dafür. Omi wachte am Morgen darauf etwas verwirrt auf. Er spürte instinktiv, dass er
länger geschlafen hatte als sonst... Schuldig war nicht im Raum, das wusste er auch. Er war an seine mentale Präsenz gewohnt. Aber was hatte ihn dann geweckt?
Jemand hopste neben ihm aufs Bett und er riss erschrocken die Augen auf. „Guten Morgen, mein Süsser!", rief Karen aufs.
Omi blinzelte verwirrt, dann lachte er. Es hatte noch mehr Leute im Zimmer. Drei um genau zu sein. Einer davon hielt eine Kamera auf ihn gerichtet. Was sollte das denn...? Auf jeden Fall schien es spassig zu werden, also
gehorchte er, als Karen ihn unter die Dusche schickte. Danach durfte er sich gerade mal seine Shorts anziehen und wurde gleich von Karen an der Hand gepackt und nach draussen geführt.
„Wir haben ein paar Dinge mit dir vor, Omi", erklärte sie gutgelaunt. „Aha." Omi war doch ein bisschen unwohl so leicht bekleidet, aber dann überlegte er sich, dass es auch nicht so anders war als in seiner
Badehose, und er liess den Gedanken ruhen. „Und was sind das für Dinge?" „Verschiedene", grinste Karen. „Zum Beispiel... Wann warst du das letzte Mal beim Frisör?" Omi blinzelte. Was hatten die
bloss mit ihm vor? Und wo war Schuldig? Er hatte keine Zweifel, dass der Mann hinter alledem - was auch immer es war - steckte. Wie angekündigt, brachte man ihn als erstes in den Frisörsalon an Bord. Eine junge Frisörin
erwartete ihn bereits und strahlte ihn an. Mit demselben Gesichtsausdruck, den die anderen trugen und der sagte »ich weiss etwas, das du nicht weisst« machte sie sich an die Arbeit.
Immer noch in seinen Shorts, beendete er den Besuch dort und Karen hakte sich bei ihm ein. „Nächste Station", zwinkerte sie. „Wir müssen dir noch etwas anziehen. So geht das doch nicht..." „So geht was
nicht?" Omi lachte. Er erwartete keine Antwort darauf. Sie würden es ihm ja doch nicht sagen. Aber seine Gefolgschaft wurde langsam grösser... Immer mehr schlossen sich ihnen an und grinsten stumm vor sich hin.
Ihr neues Ziel war eines der Bekleidungsgeschäfte in der Einkaufspassage. Eines der teureren... Die Schneiderin wartete ebenfalls auf ihn, stellte ihn auf einen kleinen Hocker und begann Mass zu nehmen. Omi erduldete das
Ganze gelassen. Es machte Spass, auch wenn er zu gerne gewusst hätte, worauf das hinaus lief. Er wurde in einen weissen Seidenanzug gepackt, der bei genauerem Hinsehen ein feines Blumenmuster in derselben Farbe aufgestickt
hatte. Sie schob ihn vor einen Spiegel - er wurde dabei natürlich ununterbrochen gefilmt - und ihm gefiel, was er da sah... Seine Haare, etwas in Form gebracht und geföhnt, so dass Strähnen sein Gesicht umrahmten, ohne
störend vor die Augen zu fallen. Der Anzug war mal was anderes, um sich darin zu sehen... Weisse Hose, weisses, kurzärmeliges Hemd, weisses Jackett, weisse Schuhe.
Viel Zeit liess man ihm nicht, um sich zu bewundern. Karen packte ihn wieder. „Auf zur letzten Station", erklärte sie. Die Schneiderin schloss sich der Prozession an. Vorbei kamen sie an einem Blumenladen, der
Omi natürlich sofort ins Auge stach. Und dann waren sie auch schon da... offenbar. Karen stellte sich mit ihm vor eine Doppel-Türe und schaute Omi bedeutungsvoll an. „Bereit?", fragte sie. Omi zuckte die
Schultern. So bereits man auch für etwas, das man nicht wusste, sein konnte... „Ja. Klar." Karen winkte einem der Leute, die sie zu Beginn schon mit dabei hatte und auf ein stummes Signal hin, öffneten sie beide
Türflügel auf einmal und Omi erstarrte. Eine Kapelle. Am anderen Ende stand Schuldig und sah ihn an. Er trug schwarz. Und Omi verstand... Wie könnte er auch nicht...? ---Das ist dein Ernst?---, fragte er, um sicher
zu gehen. ---Es war mein Ernst, als ich sagte, ich liebe dich. Es war mein Ernst, dass ich dir vertraue. Mit uns ist es mir ernst. Das hier mag rechtlich keine Bedeutung haben, aber wenn du dich mir hier versprichst,
gehörst du mir.--- Omi lächelte. ---Und du gehörst mir?--- Schuldig grinste. ---Das ist der Deal.--- Omi konnte nicht mehr. Er leuchtete, rannte auf Schuldig zu und sprang ihm um den Hals. Er küsste ihn tief und
lange. Im Hintergrund hörte er die Leute klatschen und lachen. Schuldig lachte auch in den Kuss und löste den Jungen etwas von sich. „Jemand sollte dir den Ablauf auf einer Hochzeit erklären, Baby..."
„Und du bist der Richtige dafür?", fragte Omi schmunzelnd. Schuldig lachte leise und griff in seine Jackentasche. Er holte zwei Silberringe heraus. „Sorry, dass ich dich gestern den Mädchen ausgeliefert
habe..." Er grinste. Die Zeremonie begann und Omi bekam davon kaum etwas mit. Er stand einfach da und konnte nicht fassen, wie sehr dieser Mann sich hatte von ihm verändern lassen, wie sehr er ihn liebte, und dass auch
er geliebt wurde. Sie tauschten die Ringe aus und Omi bewunderte ehrfürchtig seine Llinke Hand... ... Und dann der Kuss.
Es war merkwürdig, es war ja bei Weitem nicht der erste, aber dafür mit Sicherheit der schüchternste. Sogar Schuldig zögerte einen Augenblick, ehe sich ihre Lippen trafen. Omi fühlte Tränen hinter seinen
geschlossenen Lidern brennen, die aber nicht fielen. Er legte all seine Liebe, die er fühlte, in diesen einen Kuss. ---Ich liebe dich.--- ---Ich dich auch.--- Eine Träne löste sich schliesslich doch aus Omis linkem
Auge, als er daran dachte, dass die Station, die sie heute Nachmittag anlaufen würden, die letzte war. Der Traum würde enden... und dann...? ---Schu...? Wird es immer so sein wie hier?--- Schuldig löste sich von Omi,
um ihm in die Augen zu sehen. ---Nein---, antwortete er wahrheitsgemäss. ---Aber ich werde immer da sein.--- Und in Omis strahlendem Gesicht sah er, dass er das Richtige gesagt hatte. Es war immerhin die Wahrheit.
Sie feierten noch lange an Bord. Dann feierten sie auf Jamaica weiter. Und Omi hatte keine Angst mehr bald nach Hause zu müssen. Denn Schuldig würde da sein.
ENDE - TBC ^-^
11.09.02 - 23.10.02
Danke fürs Lesen. Wir sehen uns im letzten Teil... Bye ^-^
SOrion
[1] Die »Carnival Spirit« gibt es wirklich, ebenso wie die beschriebenen Decks, das Theater etc. Sie fährt tatsächlich die Route
der südlichen Karibik, allerdings habe ich für die Geschichte die Stationen, die sie anläuft, etwas verändert ^-^
[2] Ich weiss, dass solche Kreuzer ein Warnsystem haben, das anzeigt, wenn sich etwas in den Schiffsschrauben verfängt. Zwar kann
man wohl niemanden mehr retten, wenn er erst mal reingerät, aber es würde nicht so unbemerkt vonstatten gehen wie in meiner Story... Dichterische Freiheit ;-) Ich wollte nicht, dass die Fahrt unterbrochen wird (und das würde
sie, wenn die merken, dass da einer zerhackstückelt wird... ^-^'' ).
[3] Ich war nie in der Karibik oder auf einer Kreuzfahrt. Meine Quellen berufen sich auf vier Reisekataloge und was man sonst so
hört ^-^' Sollte ich irgendwo einen kompletten Blödsinn erzählt haben, sagt es mir bitte, ich werde es dann korrigieren...
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